Texte
zur antikapitalistischen Organisations- und Programmdebatte

09/11

trend
onlinezeitung

Es gibt einen Überblick über alle bei TREND 2011 veröffentlichten Texte zur Debatte über Organisation und Programm, angeregt durch die "Sozialistische Initiative Berlin" (vormals Berlin-Schöneberg)

Neue antikapitalistische Partei?
Zur Diskussion in Schöneberg und anderswo
von der Gruppe Arbeitermacht

Mit Interesse haben wir von der Gruppe Arbeitermacht (GAM) den Aufschlag der „SchönebergerInnen“ verfolgt und auch bei der öffentlichen Vorstellung in Berlin unser Interesse an einer weiterführenden Diskussion bekundet.

Die Tatsache, dass es derzeit eine Diskussion gibt, die zumindest über Berlin hinaus reicht, zeigt, dass die Frage nach einer Organisation links von der Linkspartei notwendig ist. Der Aufbau einer antikapitalistischen, revolutionären Partei stellt für uns von der GAM eine zentrale politische Aufgabe dar, deswegen möchten wir uns hier zunächst allgemein der Organisationsfrage widmen. Für uns ist bei dieser Debatte wichtig, dass wir wissen, über was wir diskutieren - ein nächstes Netzwerk oder eine mögliche Organisation und vor allem: was hat das mit einer Partei zu tun. Es ist für uns auch entscheidend, dass es eine programmatische Diskussion gibt, in der alle ihre Vorschläge und Programme gleichberechtigt einbringen können. Wir haben nämlich nicht den Eindruck, dass die Debatte bei Null anfängt, sondern dass es verschiedene Programmentwürfe gibt, ebenso verschiedene Traditionen im Umgang mit Programm und Organisation. Dies sollte offen und klar diskutiert werden. Sich gegenseitig vorzumachen, dass wir „neu“ anfangen, würde der weiteren Diskussion eher schaden als nützen.

Netzwerk, Organisation oder Partei?

Dazu brauchen wir eine Klärung! Den allgemeinen Ansatz der SIB unterstützen wir:

„Soll die Überwindung sowohl der unverbindlichen „Konferenzeritis“ als auch des sektiererischen Zirkelwesens wirklich gelingen, müssen „Marxismus“ und „Autonomie“, Links-Sozialisten / Links-Kommunisten und Bewegungslinke eine solidarische und kontroverse, ergebnisoffene und zielgerichtete Debatte anfangen.“

Gemeinsam mit der SOKO lädt die SIB im Herbst zu einer Konferenz mit dem Appell „Klärung der Organisationsfrage“ ein, daran - dies vorweg - nehmen wir gerne teil, aber es ist wahrscheinlich, dass sich an der Organisationsfrage schon einige Geister scheiden werden.

Zwischen dem „Traum, eine leninistische Massenpartei“ (diesen Traum der SIB teilen wir vollends) aufzubauen, und den Vorschlägen zur antikapitalistischen Vernetzung, sind nämlich nicht nur zeitliche Fragen offen, sondern v.a. methodische. Während die SIB es mit ihrem „Reisegepäck“ offen lässt, welche Reise wir denn nun antreten sollen (Hauptsache wir sitzen im Zug, könnte hier böse gemutmaßt werden), wird die SOKO schon konkreter, was ihre Vorstellungen angeht:

„Im Rahmen dieser grob skizzierten Zielsetzungen streben wir eine Kooperation bereitsexistierender antikapitalistischer, jedoch meist zersplitterter Kräfte an. Es gilt, einen gesellschaftlich wahrnehmbaren antikapitalistischen Pol aufzubauen, der die solidarische Debatte zur Lösung anstehender Fragen pflegt und darüber hinaus gemeinsame Kampagnen und Initiativen voranbringt. Dabei erwarten wir keinen „Bruch“ und auch kein „Abschwören“ von der eigenen biografischen Vergangenheit oder organisatorischen Bindungen. Jede/r ist willkommen, der/die sich solidarisch einbringen will und mithilft, damit der Wind sich dreht und dem Kapitalismus eine Alternative entgegen gestellt werden kann.“

Hier soll es also um einen „Pol“ gehen, also eher etwas in Richtung Netzwerk/Bündnis verschiedener antikapitalistischer Kräfte, welcher zumindest aktionsfähig sein sollte. Bei der „Klärung der Organisationsfrage“ muss daher schon klar werden, warum wir mehr als ein neues Netzwerk oder das x-te Bündnis brauchen. Dabei muss auch offen diskutiert werden, warum denn die bisherigen Netzwerke/Strömungen diesen Anforderungen nicht genügt haben. Gerade in der Linkspartei und um sie herum, gibt es eine mannigfache Auswahl an antikapitalistischen, sozialistischen, marxistischen oder auch nur progressiven Strömungen und Netzwerken. Unserer Ansicht nach haben diese zumindest Eines gemeinsam - sie sind gescheitert in ihrem Anspruch, die Linkspartei aber auch nur einen Zoll nach links zu rücken. Diese Strömungen und Netzwerke haben eben keine gemeinsame Praxis, keine programmatische Diskussion und stellen daher auch für die „Reformsozialisten“ der LINKEN keine Bedrohung oder Herausforderung dar. All diese Strukturen sind keine linke Alternative zur Linkspartei. Aus diesen Gründen glauben wir auch nicht, dass ein neues loses Netzwerk, Pol (oder welchen Namen wir uns einfallen lassen) tatsächlich zu einer Herausforderung der reformistischen Führungen in der BRD werden kann. Für uns geht es bei der Frage des Organisationsaufbaus darum, eine Diskussion über Programm, Aktion und eine weitere Aufbauperspektive zu starten.

Eine solche Organisation müsste schon von ihren Mitgliedern eine Verbindlichkeit in Analyse, Methode und Taktik verlangen. Natürlich bleibt jedem seine Biographie erhalten, aber einen Bruch mit reformistischer, sektiererischer u.a. „unproduktiver“ Politik muss schon vorhanden sein. Um es zuzuspitzen: Jemand von attac möchte vielleicht auch, dass sich der Wind dreht und hat bestimmt Lust auf ein neues Netzwerk, aber wir wollen kein laues Lüftchen, dass schon bei vielen Aktionen und Bündnissen gezeigt hat, dass damit keine antikapitalistische, geschweige denn revolutionäre Politik zu machen ist - da erwarten wir organisatorische und politische Klarheit.

Im ersten Grundsatzpapier der SIB steht zur Frage der revolutionären Partei/Selbstverständnis ein Zitat von ehemaligen GenossenInnen von uns (der AGM):

„Mit allen uns bekannten internationalen Strömungen haben wir doch so relevante Differenzen, dass wir uns nicht auf einer seriösen politischen Grundlage anschließen könnten.Wir haben aber auch nicht den ebenso größenwahnsinnigen wie lächerlichen Anspruch mancherGruppierungen, dass alle anderen Revisionist/inn/en, Zentrist/inn/en oder ähnliches seien.Wir sehen uns vielmehr als Teil des Spektrums subjektiver Revolutionär/inn/en (Hervorhebung durch die Autoren), die nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, eine revolutionäre Organisation zum Sturz der kapitalistischen Klassenherrschaft aufzubauen.“(10 Jahre AGM, August 2004)

Die nachfolgende Argumentation der SIB spricht dann von :“(um’s mal ohne Marxismus-Kauderwelsch mit Heinrich Böll zu sagen) für „jenes höhere Wesen, dass wir verehren“.

Tut uns leid, aber die Kategorie „subjektive RevolutionärInnen“ erfordert schon genauere, kritische Betrachtung, wie wir es auch für wichtig erachten, die jeweilige Politik anderer Organisationen zu analysieren. Dieses Zitat zeigt in sich Widersprüche.

Wenn es „relevante Differenzen“ gibt, so wird eine Organisation doch meistens wissen, welche das sind! Es müssen zumindest hinreichende Gründe sein, warum man sich z.B. einer anderen Organisation nicht anschließt. Das muss dann zwangsläufig mit der politischen Charakterisierung der anderen Gruppen/Strömungen zu tun haben, dort sollten sich die beteiligten Gruppen nicht absichtlich naiv stellen.

Es ist eben nicht „größenwahnsinnig“ die Politik der LINKEN, der Gewerkschaftslinken u.a. Organisationen zu bewerten. Ist die Linkspartei ein eformistischer Wahlverein? Sind die Gewerkschaftslinken eine Basisopposition in den Einzelgewerkschaften oder schwanken sie zwischen Syndikalismus und Reformismus? Ist der Entrismus in die LINKE von Marx21, der ISL oder der SAV tatsächlich trotzkistisch, prinzipienfest oder opportunistisch? Welches Einheitsfrontverständnis haben die MLPD oder die Autonomen? Warum kriegen die größeren antikap./sozialistischen Organisationen und Parteien, die sich links von der LINKEN verorten, weniger hin als die Piratenpartei?

Dies ist nur eine Auswahl möglicher Fragen. Doch wenn wir über die Analyse kein gemeinsames Verständnis über revolutionäre Theorie und Praxis erarbeiten, dann wird uns das subjektive Bekenntnis, sich als RevolutionärerInnen zu betrachteten, auch nicht helfen.

Natürlich wollen wir niemandem seine/ihre revolutionäre Subjektivität absprechen, aber wenn Organisationen sich darauf zurück ziehen, wird es schon zweifelhaft.

Die SIB hatte in ihrem Erstling dazu einige Punkte benannt, die für eine Organisationsdebatte unabdingbar sind, wie Einheitsfrontmethode und demokratischer Zentralismus, an diesen (u.a.) Parametern sollten wir uns orientieren bzw. Differenzen klar benennen.

Ein abstraktes „Spektrum“, das den Kapitalismus zerschlagen will, hilft nicht, wenn doch gleichzeitig große Unterschiede bestehen - nur die Klärung der „relevanten Differenzen“ kann den Organisationsaufbau beschleunigen und auf eine solide Basis tellen.

Warum eine Partei?

Diese Diskussion muss offen geführt werden. Uns ist klar, dass die Gründung einer antikapitalistischen Partei nicht allein durch eine Übereinkunft verschiedener Gruppen und Spektren vonstatten geht. Natürlich braucht es dazu eine gemeinsame Theorie und Praxis in den Klassenkämpfen und Bewegungen, braucht es Umgruppierungen in der „radikalen Linken“. Doch natürlich braucht es dazu auch ein Angebot, eine Organisationsform und v.a. ein Programm, das an den Tageskämpfen ansetzt und zugleich die revolutionäre Perspektive in sich trägt. Wenn die SIB in ihrem Erstling etwas neidisch (da sind sie sicher nicht die einzigen) in andere europäische Staaten mit Parteien links von den „Linksparteien“ schaut, dann sicher nicht nur deshalb, weil mögliche Kindheitsträume wahr werden.

Der Aufbau antikapitalistischer Parteien, die eindeutig mit dem Reformismus brechen und an die Tradition der Komintern der ersten vier Weltkongresse anschließen - dies ist heute entscheidend für die internationale Arbeiterklasse, von dieser Tradition sind die vorhandenen Parteien noch weit entfernt, haben sich aber zumindest schon mal auf den Weg gemacht.

Die aktuelle Wirtschaftskrise und die Kämpfe in den Halbkolonien zeigen auch auf, dass die Einschätzung der SIB über die aktuelle Periode „ Revolution oder Konterrevolution“ Gemeinsamkeiten aufweist mit der Analyse unserer internationalen Strömung, der „Liga für die Fünfte Internationale“ (LFI) sowie vielen anderen, welche die aktuelle Krisenperiode als eines der letzten Stadien des Imperialismus verorten.

In diesen Perioden wird die Krise nun mal entweder auf Kosten der Arbeiterklasse, der Jugend und der Bauern gelöst oder durch einen revolutionären Angriff gegen das Kapital. Hier stellt sich die Frage, welche Organisationsform denn vor den Angriffen des Kapitals schützen kann? Deswegen wollen wir auch eine Organisationsdebatte und eine Perspektive im Aufbau einer revolutionären Partei - dies steht für weit oben auf der Tagesordnung.

Richtig benennt die SIB die Einheitsfronttaktik als ein wichtiges Mittel für eine antikapitalistische Partei. Sinn und Zweck der Einheitsfront ist der möglichst breite Kampf aller Organisationen und Strömungen innerhalb der Arbeiterklasse gegen die Angriffe von Kapital und Staat.

In unserem Theorieorgan „Revolutionärer Marxismus“ haben wir in der aktuellen Ausgabe die Thesen zur Einheitsfronttaktik wieder veröffentlicht, daraus folgender Auszug:

„1.7. Der dauerhafte Erfolg einer korrekten Einheitsfrontpolitik besteht in der Aufdeckung der Beschränktheit des Reformismus, Anarchismus, Syndikalismus, Zentrismus und diverser bürgerlicher und kleinbürgerlicher Ideologien und Programme innerhalb der Arbeiterklasse sowie schlußendlich der Ersetzung aller schwankenden und inkonsequenten Führungen durch revolutionär kommunistische. In jeder Phase sollte die Einheitsfronttaktik die revolutionäre Organisation durch vermehrten Mitgliederzuwachs und breitere Verankerung in den Massenorganisationen stärken.“

Und aus unserem Aktionsprogramm 2011 folgender Absatz:

„Dieses Mittel (die Einheitsfront) ist geeignet, um die Tagesforderungen der Reformisten zu unterstützen, dabei aber gleichzeitig revolutionäre Programmatik und Perspektive in die Massen der reformistischen Gewerkschaften und Parteien zu tragen. Die Einheitsfront - Einheit in der Aktion, Freiheit in der Propaganda - ist die Methode, um den Würgegriff des Reformismus zu brechen und die Führungen vor der Basis bloßzustellen.“

In diesem Verständnis ist für uns die Einheitsfront ein Mittel zum Abwehrkampf, wie auch zum Kampf für den Aufbau einer kommunistischen Partei - und darum geht’s doch letztlich!

Irreführend finden wir dabei die Ausklammerung der SPD durch die SIB. Natürlich betreibt die SPD bürgerliche Politik, dies ist nach 100 Jahren Klassenverrat schwer abzustreiten, aber als bürgerliche Arbeiterpartei muss auch sie weiter Adressat einer Einheitsfronttaktik bleiben. Die SPD stützt sich noch immer (tragisch, aber wahr) auf ernschichten der deutschen Arbeiterklasse, hat die Gewerkschaftsführungen unter Kontrolle und ist somit ein entscheidender Vollstrecker bürgerlicher Politik innerhalb der Klasse. Wenn wir, oder eine zu entwickelnde revolutionäre Organisation/Partei, mit dieser Vorherrschaft und Politik brechen wollen, dann gehört die Einheitsfront zum Repertoire gegen die SPD. Es ist daher widersprüchlich, wenn der DGB und die Linkspartei Adressaten der Einheitsfront sind, aber nicht die SPD.

An solchen Schnittstellen wird sich auch die Seriosität der Konferenz im Herbst eweisen müssen. Natürlich gehen wir nicht davon aus, dass diese Konferenz die Gründung der neuen Organisation ausruft - aber mehr als „Netzwerk“-Bekenntnisse müssen das Ziel sein und dazu gehört das Kernstück der Diskussion: Welches Programm wollen wir?

Exkurs: Netzwerk, Strömung und LINKE – was war das NLO?

Natürlich wird das Verhältnis und die Analyse der Linkspartei für unsere weiteren Diskussionen und auch für eine mögliche Praxis entscheidend. Über die Regierungspolitik der LINKEN sollte es nicht mehr allzu viele Illusionen geben, gleichzeitig sehen wir aktuell auch, wie denn die linken Strömungen in der LINKEN Politik machen.

Als kleine Anekdote sollten wir das Statement eines Marx21-Genossen bei der Veranstaltung in Berlin in Erinnerung rufen. Dieser begrüßte eine mögliche linke Organisierung links von der Linkspartei, da diese ja die Politik der Linken in der Linkspartei stützen könnte. Wer sich noch an die Politik des damaligen Linksruck in der WASG erinnert, begrüßt zumindest die nachgelagerte Einsicht über Druck auf die Linkspartei, auch wenn das noch nichts über die eigene Taktik aussagt.

Aktuell wird über Antisemitismusvorwürfe das linke Spektrum bekämpft, ein antideutscher, pro-zionistischer Mainstream wird immer mehr mehrheitsfähig in der Linkspartei. Doch dagegen bildet sich kein gemeinsamer Widerstand der linken Strömungen, ebenso wie es keinen gemeinsamen Programmentwurf der „Linken“ gab, stattdessen gibt es Verweise der KPF auf die „Neutralitätsbeschlüsse“ der Fraktion zum Nahostkonflikt und die SAV zieht die Unterstützung für den palästinensischen Widerstand zurück.

Für eine Diskussion über eine antikapitalistische Organisierung links von der LINKEN müssen wir auch bewusst die bisherigen Taktiken gegenüber dieser reformistischen Partei auswerten, darin darf es bitte keine Pluralität geben - nach dem Motto, ein Teil macht diese Taktik, der andere jenen Entrismus - dies ist derzeit auch für einen Großteil der Verwirrung gegenüber der LINKEN im linken/sozialistischen Spektrum verantwortlich.

Viele von den bisherigen Diskutanten waren in der „Netzwerk Linke Opposition“ (NLO) im Zuge der WASG/PDS-Fusion aktiv. Nach dem Wahlantritt der WASG 2005 gegen die PDS in Berlin verschwand die SAV relativ schnell aus dem Netzwerk, für die Berlin-Wahl wurde bundesweite Unterstützung mobilisiert, danach gab es aber von den meisten Beteiligten keine Übereinkunft über die weitere Perspektive. Über eine Kritik am Fusionsprozess und der programmatischen Grundlage der neuen Linkspartei kam die NLO nicht hinaus. Es blieb zunächst ein Diskussionszusammenhang mit Internetpräsenz (linke Zeitung), dieser spaltete sich dann (Scharf-links) und fand keine Übereinkunft zum Verhältnis zur Linkspartei und die Aufbauperspektive der NLO.

Ohne hier zu lang über alte Diskussionen zu berichten, ging es grundsätzlich um die Frage, ob das NLO sich zu einer revolutionären Organisation entwickeln und so die Parteifrage praktisch aufwerfen soll oder ein loser Diskussionszusammenhang bleibt.

Für die Konferenz im Herbst wie auch für die weitere Diskussion sollten die damaligen Diskutanten und MitstreiterInnen auch eine Auswertung vornehmen. Schließlich gehört aber gerade die Grundfrage nach der Perspektive einer zu gründenden Organisation auch jetzt zu den Grundfragen.

Die Programmfrage

Gerade in dieser zentralen Frage gibt es keinen Nullpunkt der radikalen/sozialistischen Linken, sondern natürlich eine Vielzahl verschiedener Programme, die den Sturz des Kapitalismus zum Ziel haben. Ganz unbescheiden möchten wir damit auch unser Aktionsprogramm aus dem Jahr 2011 zur Diskussion stellen – dafür haben wir es ja schließlich:

http://www.arbeitermacht.de/programm/arbeitermacht06/aktionsprogramm2011.htm

Als generelles Verständnis für ein Programm folgende Stelle aus dem Kapitel „Für ein revolutionäres Programm – für ein Programm von Übergangsforderungen!“

„Gegen die Auswirkungen der Krise, gegen den deutschen Imperialismus brauchen wir ein revolutionäres Programm der Arbeiterklasse und der Jugend, ein Programm, das sich auf die Errungenschaften des Marxismus stützt. Ein solches Programm muss von der Avantgarde der Klasse erarbeitet werden, von jenen fortschrittlichen Elementen, die an der Spitze des Widerstands und der Proteste gegen Kapital und Staat stehen.

Die Gruppe Arbeitermacht ist aktiv in den Protesten gegen Globalisierung und Imperialismus, in den Kämpfen gegen die reformistische Führung der Klasse, in den Kämpfen der Jugend, der Frauen und der Arbeitslosen. Mit den klassenkämpferischen AktivistInnen wollen wir die verschiedenen Kämpfe zusammen führen, zu einem Kampf gegen die Diktatur des Kapitals.

Dabei stehen wir in der Tradition des Übergangsprogramms von Trotzki. Dadurch vereinen wir die einzelnen Tagesforderungen mit einer Perspektive. Dies ist entscheidend, um die verschiedenen Kämpfe zu einen, dies gibt die Möglichkeit, die gesamte Klasse mittels der Einheitsfronttaktik um ein revolutionäres Programm zu sammeln und eine revolutionäre Partei aufzubauen.“

Bei einer Programmdebatte sollten verschiedene Pfeiler vorher klar sein - ein Minimal-Maximal-Mix, wie er heute noch von DKP oder MLPD angewendet wird, oder Programme, die am besten „niemanden abschrecken“ sollen – werden weder der objektiven Notwendigkeit gerecht, noch dem Anspruch an eine antikapitalistisch-revolutionäre Organisation. Die Methode des Übergangsprogramms ist für uns die Voraussetzung, um in die aktuellen Kämpfe zu intervenieren, wie auch, um die revolutionäre Perspektive zu entwickeln.

Wir teilen dabei auch nicht die Einschätzung des RSB bezüglich den wenigen Kampferfahrungen, bzw. dem möglichen Mangel an dem, was zu verallgemeinern wäre:

„Aber mit dem geringen Selbstbewusstsein der KollegInnen in Deutschland und der sehr sehr dünnen Schicht an Menschen, die heute bereit sind, die wenigen Kampferfahrungen politisch zu bündeln, sollten wir (das heißt die radikale Linke) nicht davon träumen, auf die Schnelle in der BRD eine Organisation in derselben Größenordnung (und Bedeutung) aufbauen zu können, selbst dann nicht, wenn sich alle dafür in Frage kommenden linken Organisationen wirklich daran beteiligen.“

Wir teilen die Einschätzungen zum angesprochenen Vergleich mit der NPA. Was die Möglichkeiten, Kampferfahrungen und Selbstbewusstsein angeht, würden wir gerne den „deutschen Michel“ in der Schublade lassen und stattdessen damit beginnen, was vorliegt. Dazu gehören mindestens zig Programme, Resolutionen oder auch Grundsatzpapiere von antikapitalistischen Gruppen – dies in einer Programmdebatte zu bündeln, wäre schon ein wichtiger Schritt in der Entwicklung einer neuen revolutionären Organisation Partei.

In der bisherigen Debatte haben wir auch ein Verständnis gefunden, welches recht stark mit unserem kollidiert. Edith Bartelmus-Scholich meint: „Es fehlt der antikapitalistischen Linken an z.B. einer Theorie der gewaltfreien Konfliktlösung, einer politischen Ökonomie jenseits der zentralistischen Planwirtschaft, einem Modell der sozialistischen (partizipativen) Demokratie und einer Theorie herrschaftsfreier Institutionen."

An einer gewaltfreien Konfliktlösung sollten wir beim anzustrebenden Bruch mit Kapital und Staat besser gar nicht arbeiten – das tun schon zu viele, die gar nicht dieses Ziel haben. Ebenso müssen wir gegenüber der imperialistischen Anarchie die Planwirtschaft konzeptionell verteidigen - nicht die bürokratisierte, sondern die geplante Wirtschaft nach den Bedürfnissen und Erfordernissen der ProduzentInnen und KonsumentInnen. Ebenfalls sollten wir die „Partizipationsmöglichkeiten“ einer Räterepublik sehr bewusst gegen diese bürgerliche Demokratie stellen und herrschaftsfreie Institutionen überlassen wir dann dem „Verein freier Menschen“ wie Marx mal die klassenlose Gesellschaft, den Kommunismus nannte. Bis dahin sollte es zumindest Ziel sein, die Herrschaft des Kapitals rücksichtslos zu brechen.

Etwas dünn fanden wir die Thesen der SIB zum Imperialismus bzw. wie sich RevolutionärInnen dazu verhalten. Vorweg sei gesagt, dass auch wir den Anti-Imperialismus a la Junge Welt ablehnen, wie auch die dahinter stehende Methode des Stalinismus. Wir finden aber, dass es sich die SIB an diesem Punkt auch zu einfach macht. Zum einen wollen wir nicht über „talibanöse Irre“ diskutieren (für G.W. Bush gäb’s dann bestimmt auch interessante Begriffe), sondern vielmehr klären, wie wir uns gegenüber dem globalen Imperialismus verhalten.

Um es beim Nahost-Konflikt einmal zuzuspitzen: Wir wissen sehr wohl um den reaktionären Gehalt der Hamas und der kleinbürgerlichen Politik von Hamas und Fatah. Diese werden kein befreites Palästina schaffen können, höchstens ein kapitalistisch ausgebeutetes reaktionäres Regime. Trotzdem müssen wir aber den gerechtfertigten militanten Widerstand des palästinensischen Volkes unterstützen. Die anti-imperialistische Einheitsfront kann daher nur nach der gleichen Methode funktionieren wie eine Einheitsfront mit reformistischen Organisationen.

In ihrem Widerstand müssen wir für die breiteste Bündelung nach außen kämpfen, wie wir ebenso für die freie Kritik nach innen kämpfen, um letztlich die kleinbürgerlichen (allg. konterrevolutionären) Führungen zu entlarven und politisch zu besiegen.

Internationale Perspektive

Die Darstellung der Weltlage führt derzeit die Aktualität des Luxemburg-Ausspruchs „Sozialismus oder Barbarei“ drastisch vor Augen. Gerade die europäischen Sparangriffe, die Schuldenkrisen, sei es bei den PIG-Staaten“ (Portugal, Irland/Italien, Griechenland, Spanien) oder beim Hegemon USA, zeigen deutlich, wie Kapital und Staat diese Krisen lösen wollen. Zwar können wir nicht von einem einheitlichen Konzept sprechen, dazu häufen sich derzeit auch die imperialistischen Widersprüche massiv an, aber gegen wen es gerichtet ist, wird deutlich. Es gibt eine nächste Welle an Privatisierungen und Kürzungen, nur diesmal gibt es keine neoliberalen Heilsverspechen wie in den 80er und 90er Jahren, diesmal soll „nur“ der Staatshaushalt für den nächsten Kredit oder nächsten Bailout fit gemacht werden. In den USA werden derzeit Gemeinden von „Spar Sheriffs“ übernommen. Diese ersetzen quasi die gesamte Legislative und Exekutive und bieten Teile der Gemeinde und der Verwaltung zum Verkauf an. In Deutschland gab es so was zuletzt unter Kanzler Brüning, in der Endphase der Weimarer Republik. In Europa werden Staaten wie Griechenland direkt unter die Kontrolle der EU Bürokratie gestellt und Minister a´la von der Leyen kommen auf die Idee, sich direkten Zugriff auf die Goldreserven der Schuldnerstaaten zu sichern, im Falle Griechenlands dem deutschen Imperialismus nicht unbekannt.

Besonders in der EU ist bislang noch kein nennenswerter europäisch koordinierter Widerstand dagegen zustande gekommen. Abwehrkämpfe finden bislang nur national statt. So kämpferisch und militant diese Kämpfe auch waren (Griechenland, Frankreich) so beschränkt waren sie aufgrund ihrer politischen Führung und ihrer nationalen Begrenztheit. Der EGB überließ den Kampf den jeweiligen nationalen Gewerkschaften. Der 25.9. 2010 war eigentlich der einzige europäische Aktionstag gegen die Auswirkungen der Krise.

Nicht anders verhielt sich das ESF, welches inzwischen nur noch als Ansammlung von „Linksbürokraten“ und NGO-Revoluzzern daher kommt und weder im europäischen Rahmen, noch im nationalen Rahmen irgendeine Position im Abwehrkampf einnimmt.

Diese Perspektive im Kampf gegen die Auswirkungen der Krise sind erschreckend und daher brauchen wir gerade dort auch Antworten bzw. neue Bündnisse, Koordinierungen, gerne auch Netzwerke - Hauptsache eine Alternative zum europäischen Burgfrieden von EGB und Co.

Diese Dimension fehlt uns bei der bisherigen Diskussion um das SIB-Papier. Wir sollten aufpassen, nicht allein eine „deutsche“ auf Nabelschau ausgerichtete Debatte zu führen - nicht, dass wir das jemand unterstellen wollen - aber die Gefahr ist vorhanden.

Ein neues Projekt, egal wie es letztlich aussieht, muss sich auch international verorten. Was ist die Perspektive gegenüber den neuen Formationen a´la NPA und Co.? Welche Aktionen oder Bündnisse schlagen wir im Kampf gegen die Krise vor? Solche Fragen gehören für uns mit zur Diskussion – denn schließlich hat die revolutionäre Arbeiterbewegung den Aufbau von Parteien und Organisationen von Beginn an in den Kontext des Aufbaus einer Internationale gestellt. Und dahinter sollen wir – auch wenn es fern scheint – nicht zurückfallen.

Solidarische Grüße

Gruppe Arbeitermacht 

Editorische Anmerkung

Den Text spiegelten wir  der Website der Gruppe Arbeitermacht.