Die Nachrichten überschlagen sich. Der
Bundeswirtschaftsminister gibt in einen seltenen Moment der
Ehrlichkeit zu, was ernstzunehmende Ökonomen schon lange
wissen, eine Insolvenz Griechenlands ist nur noch eine Frage
der Zeit. Die professionellen Schönlügner aller Parteien toben.
In der CSU wird über einen Ausschluss Griechenlands diskutiert
und die Wohlmeinenden aller Fraktionen schreien, ihr versündigt
euch am Gedanken des vereinten Europa. Sie wollen nicht
einsehen, dass dieses in den letzten Jahren zusammengepfuschte
Abbruchunternehmen mit einem vereinbarten nichts aber mit einem
vereinten Europa zu tun hat. Es war der aus der Sicht der
Eliten missglückte Versuch einer Wirtschafts- und Währungsunion,
bei dem noch nicht ausgemacht war, welcher der beteiligten
Staaten dabei den Hut aufhat. Es war von Anfang an ein
Elitenprojekt, das selbst die formalsten Kriterien von
bürgerlicher Demokratie missachtete. Oder erinnert sich noch
jemand daran, dass die irische Bevölkerung, die einzige, die
Gelegenheit hatte, über die EU-Verfassung abzustimmen. nein
sagte? Dann wurde eben noch mal abgestimmt und die Bevölkerung
so unter Druck gesetzt, bis das Ergebnis dann passte. Wer immer
noch nicht bedient war von diesem Projekt, müsste doch dieser
Tage eigentlich aufhorchen. Da reden führende Eurokraten davon,
dass die Verfassung nicht vorsieht, dass ein Land
ausgeschlossen wird oder freiwillig austritt. Ersteres mag ja
noch in Ordnung sein und die Gelüste der deutschnationalen CSU
im Zaum halten. Dass aber ganz offen gesagt wird, wer einmal in
die Eurozone eingetreten ist, der kann diese nicht mehr
verlassen, sollte als Kampfansage aufgefasst wird. Denn
natürlich kann die Bevölkerung jedes EU-Landes Parteien wählen,
die aus der Eurozone und vielleicht sogar aus der EU austreten
wollen. Dann müssen die Formalitäten dafür geklärt werden. Es
darf aber niemand einen Austritt infrage stellen.. Einer
Organisation, die einen Austritt nicht vorsieht, sollte man
tatsächlich schon aus Selbstschutz möglich schnell den Rücken
kehren, bevor .sie die Möglichkeit hat, diese Drohung auch
umzusetzen. Denn eine Organisation ohne Ausdrucksmöglichkeit
ist eine Zwangsgemeinschaft .
Anfang einer europaweiten Bewegung?
Es bleibt nur zu hoffen, dass diese
Selbstentlarvung, wenn nicht in Deutschland, dann in Staaten mit
mehr demokratischen Bewusstsein, nicht ohne Wirkung bleibt.
„Nein zu dieser EU“, sollte die Parole sein, die in den Sprachen
aller EU-Mitgliedsländer auf Transparenten getragen werden soll.
Es könnte eine Bewegung sein, die sich auf die
Seite der Bevölkerung der europäischen Peripherie stellt, vor
allem der von Griechenland, Spanien und Portugal, die unter
EU-Kuratel ausgeschröpft werden sollen. Die Mehrheit dieser
Menschen würde aufatmen, wenn die EU-Institutionen dieses Land
endlich freigeben. Von daher könnte der von CSU-Politikern als
Drohung gemeinte Ausschluss für viele Griechen eine
Freiheitsfanfare sein. Denn er bedeutet ein Ende der
Erniedrigung im Namen der EU, ein Ende immer neuer
Sparprogramme, ein Ende von weiterer Verelendung. „Nein zu
dieser EU“, ist aber auch eine Kampfansage an die herrschenden
aller EU-Länder, die mit diesem Projekt mitmischten wollten im
Konzert der kapitalistischen Großmächte und nun vor dem Trümmern
ihrer Pläne stehen. Solche Zeiten könnten die europäischen
Ancien Regime erschüttern wie die in der arabischen Welt. Die
Bewegungen in Griechenland, Spanien, die Jugendunruhen in
Großbritannien könnten bei aller Verschiedenheit und Diffusität
ein erstes Wetterleuchten sein. Jetzt muss sich aber zeigen, ob
die objektiv günstige Situation genutzt wird. Nötig wäre die
schnelle Gründung von Aktionskomitees unter der Parole “Nein zu
dieser EU“ in allen europäischen Staaten. Darunter könnte sich
ein sehr heterogenes Bündnis entwickeln, das in vielen
Einzelfragen unterschiedlicher Meinung ist. Die Gemeinsamkeit
liegt in dem Willen, die EU-Ruine abzutragen.. Die
länderübergreifende Kooperation muss die Grundlage der Komitees
sein. Nur so wird verhindert, dass sich nationalistische
Kräfte durchsetzen. In dieser konkreten politischen
Auseinandersetzung könnte eine EU von unten entstehen, die eben
die Ablehnung des bisherigen Projektes eint. Gleichzeitig müsste
in den Auseinandersetzungen der Zusammenhang von Staat, Nation
und Kapital thematisiert werden- So könnten in die Bewegung
eine antikapitalistische und antinationale Inhalte getragen
werden. Wenn es gut läuft, haben wir das gescheiterte
Elitenprojektes Europäischer Wirtschafts- und Währungsraum
beerdigt und eine in europäischen Maßstab agierende
kosmopolitische, antikapitalistische Bewegung geschaffen. Ein
Traum? Nein, ein realistisches Programm für eine linke Bewegung,
die weder zurück zum Nationalstaat noch zum Feigenblatt für das
gescheiterte Europaprojekt der Eliten mutieren will, eine linke
Bewegung, die bereit ist, eine neue Seite in der Geschichte
aufzuschlagen.
Editorische Hinweise
Den Text erhielten wir vom
Autor für diese Ausgabe.