Bankenrettung oder Bankenbankrott?

von Frank Braun & Walter Schumacher (SoKo Köln / Aachen)

09-2012

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„Umfairteilen!“ klingt es breit und vernehmlich aus den Reihen der antikapitalistischen Linken und der Gewerkschaften. Gemeint ist dabei die immer weiter wachsende Schere zwischen den ganz Armen und denen, die den gesellschaftlichen Reichtum anhäufen und über ihn verfügen.

Auch die SoKo wird sich in geeigneter Form an der gleichlautenden Kampagne mit dem Höhepunkt regionaler Demonstrationen in Berlin, Bochum, Frankfurt, Hamburg und Köln am 29.09.2012 beteiligen.

Im Vorfeld fiel uns jedoch schon auf, daß bei ‚Umfairteilen’ ein erklecklicher Kreis von 'Dampfablassern' unterwegs ist, dem es so gar nicht darum geht, im Zusammenhang mit der kapitalistischen Krise 'Roß’ und Reiter' zu nennen. Dazu  in Bälde mehr.

Fürs Erste möchten wir darauf hinweisen, daß die Schere zwischen arm und reich ja u.a. deswegen so bedeutsam ist, weil die große Masse der Bevölkerung – gezwungenermaßen - heftig damit beschäftigt ist, den maroden Banken die Spekulationsverluste zu bezahlen, weil der Staat als ideeller Gesamtkapitalist das so will.

Seit Beginn der Bankenkrise treibt z.B. die Partei 'DIE LINKE.' und größere Teile der Gewerkschaftsführungen die Sorge um die ‚systemischen Banken’, welche bei Insolvenz angeblich alles andere in den Sog des Untergangs treiben.

Wir tischen das Thema neu auf und fragen stattdessen: Warum nicht Pleite gehen lassen, was den Profit-Gierschlund nicht voll genug bekommen wollte? Der nachfolgend Beitrag stellen den wir hiermit gerne zur Diskussion.

Warum sich AntiKapitalisten FÜR ein Pleitegehen bankrotter Banken aussprechen sollten!

Im Rahmen der Diskussionen um ESM und Fiskalpakt geht es im Wesentlichen auch immer wieder um den drohenden Zusammenbruch von Banken und „deren Rettung“. Eigentlich könnte jeder wissen, dass diese Rettungsgelder von den Bankstern nur genutzt werden, um ihre Verluste (d.h. Geld das anderen Bankstern zugespielt wurde) wieder auszugleichen, damit sie genauso weiter machen wie bisher. (1) Insofern ist es erstaunlich, dass selbst ein Großteil der sozialistischen und kommunistischen GenossInnen in Deutschland aufschreit, sobald gefordert wird, dass man überschuldete Banken in Konkurs gehen lassen sollte. „Das dürfe man nicht fordern, da bräche ja die ganze Wirtschaft ein, die Banken wären nun mal leider unverzichtbar, usw. usf. ...“.

Einige dieser Freunde versuchen sich dann mit dem „radikaleren“ Vorschlag zu retten, man solle die bankrotten Banken vergesellschaften – was aber in DIESEM konkreten Fall ein schrecklicher Fehler wäre: Die „Vergesellschaftung von Müllhalden“ bedeutet letztlich doch immer, dass alle langfristigen und unkalkulierbaren Folgekosten solcher Müllhalden von der Allgemeinheit übernommen werden – und wie schon das Wort andeutet: Da liegt nur noch Müll – aber keine nützlichen Werte!

Einerseits wissen diese kommunistischen Freunde sehr wohl um die Rolle der Banken, andererseits trauen sie sich offenbar nicht, die notwendigen Konsequenzen zu denken und zu fordern. Sie sitzen wie gelähmt vor der (künstlich aufgebauten?) riesigen Angst, was alles Schreckliches passieren könnten, wenn denn ein großer Teil der Banken zusammenkracht. Sie malen Schreckensbilder an die Wand aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, haben aber keinen Plan, was man denn HEUTE als Kommunist oder AntiKapitalist fordern soll – und LETZTLICH stimmen sie somit der Banken“rettung“ zu.

Wer die kapitalistische Wirtschaft verstanden hat weiß, dass Anti-Kapitalisten tatsächlich unbedingt fordern müssen: Eine Bank die sich überschuldet (bzw. sich verzockt) hat, soll auch pleite gehen (freundlicher: muss Insolvenz beantragen)! (2)

Der kapitalistische Staat darf bei solchen Zusammenbrüche NICHTS zur Rettung der Besitzer bezahlen. Und dieses „Pleitegehenlassen“ müsste schon beim ersten Mal erfolgen. Kein Staat sollte pleite gegangenen Unternehmen frisches Geld hinterher werfen; Kapitalisten würden so eine Dummheit selber NIEMALS machen! Alles andere vergrößert nur den Schuldenberg, ohne an der eigentlichen Verschuldungsproblematik irgendetwas zu korrigieren! Für jede ist das bei den Banken seit 2008 offen sichtbar!

Die eigentlich sehr sympathische, sinnvolle und weitergehende Forderung nach einer sofortigen generellen Vergesellschaftung der Banken (also noch bevor sie bankrott sind) muss leider noch etwas warten, weil die dafür notwendige Revolution einfach nicht schnell genug kommen will.

Um den genannten irrationalen Ängsten vor einem Bankenbankrott etwas entgegen zu setzen, wird im Folgenden aufgezeigt, WIE so eine Insolvenz (innerhalb des kapitalistischen Systems!) gestaltet werden kann, OHNE dass das Horrorszenario „allesbrichtzusammen“ gleich Wirklichkeit wird.

Definition eines Bankrotts

Der Bankrott einer Bank bedeutet: Alle Aktiva & Passiva einer Bank werden zu einem Zeitpunkt ermittelt und gegenüber gestellt. Überwiegen die Passiva den Aktiva, so ist die Bank bankrott.

Falls man noch etwas von dem Besitzer der Bank holen kann, wäre das nett, aber wegen die kapitalistische Rechtsform der Banken ist das prinzipiell nicht möglich.

Ein Banken-Bankrott hat natürlich erhebliche Konsequenze:

1. Konsequenz

a) Die Besitzer der Bank haben ihr Kapital verloren, das sie mal in die Bank gesteckt hatten, sobald das Eigenkapital der Bank Null oder negativ ist.

b) Alle Geldgeber (Gläubiger) der Bank haben ebenfalls den Teil ihres Geldes verloren, das sie der Bank gegeben hatten (genauer: die Darlehenssumme abzüglich der Rückzahlungen und Konkursmasse zum Zeitpunkt des Bankrotts)

c) Je nach Bank können die Geldgeber auch gemeinnützige Organisationen sein wie bspw. betriebliche Pensionskassen oder ähnliche. Auch die würden Teile ihres Geldes verlieren, werden (siehe später) aber gesondert behandelt.

2. Konsequenz

Alle Einlagen in dieser Bank das sind auch Sparguthaben kleiner Leute sind teilweise ebenfalls verloren. Auch hier gilt die Anmerkung c) von eben.

3. Konsequenz

Alle Unternehmen, die diese Bank als Kreditgeber zur Finanzierung ihrer laufenden Geschäfte bzw. für Investitionen für neue Geschäfte genutzt haben, haben ein Problem, weil sie diese Dienstleistung (Finanzierung & Abwicklung) tatsächlich real benötigen und nun nicht mehr haben.

Die 4. Konsequenz

Auch für Privatkunden gilt das gleiche Problem wie unter 3. beschrieben. D.h. selbst die Organisierung der Gehaltskonten, der Mietzahlungen oder anderer bargeldloser Finanztransfers sind gefährdet bzw. kommen zum Erliegen.

Die 5. Konsequenz

Die Bankangestellten verlieren ihre Arbeitsplätze. Für die weitere Betrachtung muss aber zwischen zwei unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionen der Arbeiten dieser Angestellten unterschieden werden: Einerseits die klassische Finanzsektorarbeit (im Sinn von Konsequenz drei und vier) und dann die, die im Bereich von spekulativen Finanzprodukten gearbeitet haben.

Welche Konsequenzen sind akzeptabel und welche sollten vermieden werden?

Wenn man das Ganze innerhalb der kapitalistischen Logik (aber nicht unbedingt im Interesse der Kapitalisten!) denkt, gibt es relativ simple Lösungsansätze, um die Konsequenzen eines Bankrotts so zu verändern, dass es eben NICHT zum großen Knall für die arbeitende Klasse kommt.

Voraussetzung:

  • Zuvorderst wird eine deutliche Aufwertung (an Bedeutung und Personal) der klassischen Sparkassen erfolgen.
  • Zum zweiten wird die schon existierende „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (3) erheblich ausgeweitet zu einer allgemeinen Staatsbank mit Zuständigkeit in Deutschland und mit der Gründung von Hunderten von Filialen im ganz Deutschland. In diese beiden Bankformen werden die (gesellschaftlich nützlichen) Überreste der bankrotten Banken eingegliedert.

Unter DIESER Voraussetzung ist jetzt „Konsequenz für Konsequenz“ zu untersuchen und zu beschreiben, was jeweils zu tun ist.

Bewertung der 1. Konsequenz

a) Die Bankenbesitzer (Aktionäre) erleiden – als Verursacher der Krise (Spekulation) – jetzt tatsächlich auch (einen Teil) der erzeugten Schäden selber. b) Die übrigen Geldgeber der Bank erleiden ebenfalls Verluste. Das ist aber nur konsequent, weil sie im professionellen Sinn – nicht achtsam genug mit ihre Geld umgegangen sind.

c) Die Gelder der gesellschaftlich „nützlichen“ Organisationen werden durch staatlichen Eingriff als „vorrangig“ in der Gläubigermasse gestellt. Falls das Geld nicht reicht, erfolgen staatliche Zuschüsse. D.h. das Geld dieser gesellschaftlich „nützlichen“ Organisationen wird staatlich „gerettet“ (was aber in Summe deutlich billiger ist, als die bisherige pauschale „Rettung“ der Banken!)

Die Bewertung, ob eine Organisation „nützlich“ ist, bestimmt ein zu gründender „Bewertungsrat“.

Bewertung der 2. Konsequenz

Analog zum vorherigen Unterpunkt c) werden auch Privatpersonen im Umfang bis zu xtausend Euro staatlich „gerettet“ (vorrangige als Gläubiger, dann mittels staatlicher Zuschuss). Der 2010 in Deutschland kreierte „Einlagensicherungsfond“ entspricht für dieses Klientel der Forderung, auch wenn er politisch eine andere Funktion hatte. (4)

Bewertung der 3. Konsequenz

Wie oben gesagt, werden die vorhanden staatlichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken massiv ausgebaut. Diese übernehmen in einem ersten Schritt von der bankrotten Bank pauschal alle Kredit und Finanzfunktionen für Betriebe der Realwirtschaft bis zu einer bestimmten Höhe (Vorschlag x% des Betriebsvermögens der jeweiligen Betriebe). Nach einer weiteren Einzelfallprüfung können auch alle restlichen Finanzfunktionen übernommen werden.

Bewertung der 4. Konsequenz

Analog wie bei der 3. Bewertung werden auch die Kontofunktionen für Privatleute auf die Sparkassen und Genossenschaftsbanken übertragen.

Bewertung der 5. Konsequenz

Die neuen Abteilungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau entstehen soweit möglich abteilungsweise (Personal, Räume, Software, Daten) durch Ausgliederung und Übernahme aus den bankrotten Banken. (Das hätte zusätzlich den charmanten Vorteil für die bankrotten Banken, dass sie für das so weiterbeschäftigte Personal keine Entlassungsabfindungen oder Lohnfortzahlungen zahlen müssten, was die Kosten des Bankrotts verringern wird.)

a) Das Personal, das schon bisher die klassische finanztechnische Arbeiten abgewickelt hat, wird also letztlich überwiegend als Angestellte der Sparkassen bzw. der erweiterten Kreditanstalt für Wiederaufbau übernommen.

b) Für das andere Personal – also die, die als Zocker gearbeitet haben – bietet das vorgeschlagene Modell leider keine weitere Verwendung, aber das müssen wir auch nicht als unsere Aufgabe sehen.

Der Banken-Bankrott führt NICHT zum Zusammenbruch der ökonomischen Welt!

Als Ergebnis scheint es mir also sehr wohl möglich, mit Kapitalismusimmanenten Mitteln den Bankrott einer oder vieler Banken durchzustehen, ohne dass dabei gleich die ganze ökonomische Welt zusammenbricht. Anti-Kapitalisten sollten sich keinesfalls durch Horrorszenarien Angst einjagen lassen, sondern konsequent die Forderung stellen:

Überschuldete Banken sollen bankrott gehen!

Anmerkungen:

(1) Es geht in diesem Text NICHT um die „Schuldenkrise“ (das andere große Streitthema). Nach meiner Ansicht gibt es überhaupt keine Schuldenkrise. Vielmehr sind die Schulden entstanden, weil die KapitalKlasse verweigert, ihren Mindestanteil an den gesellschaftlichen Kosten zu bezahlen und NICHT, weil die Gesellschaft zu viel ausgibt. Hätten wir eine ähnliche Steueraufteilung wie noch in den 70er Jahren, gäbe es keine „Schulden“Krise!

(2) Dieser Text plädiert bewusst AUSSCHLIEßLICH für das Bankrottgehenlassen von Banken. Ein Bankrott in Bereichen der „materiellen“ kapitalistischen Produktion ist völlig anders zu bewerten. Das begründet sich mit den Unterschieden der spekulativen Anteile in den jeweiligen Umsätzen. Bei der materiellen Produktion ist selbst bei einem plötzlichen totalen Wertverlust aller Produkte und Produktionsmittel der mögliche Verlust eindeutig begrenzt und sehr gut kalkulierbar. Im Bereich der „modernen Finanzprodukte“ gilt genau das Gegenteil – eben sehr schön durch das Wort „Spekulation“ gekennzeichnet.

(3) Es wäre auch über einen Neugründung der früheren „Bank für Gemeinwirtschaft" nachzudenken. Aber vermutlich würde die Zeit für die Neugründung solch einer Institution zu viel Zeit in Anspruch nehmen, um die aktuellen Krisen um die Bankrotte zeitnah zu überstehen.

(4) Damals ging es um eine politische Zustimmung der Bevölkerung für die Bankenrettung und nicht um die wirkliche Rettung der Privatvermögen!

Siehe auch: flowingdata.com/2009/03/13/27-visualizations-and-infographics-to-understand-the-financial-crisis

Editorische Hinweise
Wir spiegelten den Artikel von
www.sozialistische-kooperation.de