Betrieb & Gewerkschaft
Von Kollegen für Kollegen...
Berichte aus der Charité Berlin

aus den Augustausgaben der Betriebsflugblätter der Gruppe "Sozialistische Arbeiterstimme"

09-2012

trend
onlinezeitung


16. August 2012

Buchführung kaputt?
Die KollegInnen von der IMT im CBF schreiben fleißig wie die Bienchen Überlastungsanzeigen. Kein Wunder, denn täglich werden in Spitzenzeiten gar mehr als 100 Patienten durchgeschleust. Das ist Fließbandarbeit im weißen Gewand. Wenn es kaputt geht, dann sind es leider keine metallenen Maschinen, die den Geist aufgeben, sondern unsere KollegInnen. Alle haben gehofft, dass die Überlastungsanzeigen zu Abhilfe führen würden. Doch nun ist zusätzlich noch eine Stelle gestrichen worden. Haben die da oben sich etwa vertippt und statt +1 Kollegen, -1 Kollegen eingegeben? Man hofft ja manchmal, dass die Maßnahmen der Charité-Leitung nur unbeabsichtigte Fehler und keine bewusste Berechnung sind...

Leichtes Spiel für die CFM
Ein Kollege im Krankentransport Mitte wurde vor einiger Zeit fristlos gekündigt. Ihm wurde vorgeworfen, dass er einen anderen Beschäftigten geschlagen hätte. Trotz vieler Zeugenaussagen, die belegen, dass er das nicht getan hat, hat die CFM die Gunst der Stunde genutzt und ihn dennoch entlassen. Und
dreimal dürft ihr raten, warum: Weil er ein Chefkriecher war? Falsch. Weil er Kollegen gemobbt hat? Falsch. Weil er sich nichts gefallen ließ? Bingo! Übrigens: der Lügner, der ihn angeschwärzt hat, ist noch immer da und hat schön die Drecksarbeit für die CFM erledigt. Bravo! Erster Platz in der Disziplin „Kollegenschwein“.

Nachspiel
Aber es kam noch schöner. Während die Krankentransporter sich in großer Zahl mit dem Entlassenen solidarisierten und sich erstmals gegenüber den Chefs über unser „Kollegenschwein“ beschwerten, weil er bekannt für Sexismus, Rücksichtslosigkeit und anderes Fehlverhalten ist, wurden die Krankentransporter von den Chefs durch die Mangel genommen. Personalgespräche mit Polizeiverhör-Methoden waren angesagt. So lieben wir die CFM – immer offen, direkt und ehrlich, was sie von Solidarität und Widerstand hält. So kann jedenfalls keiner auf den Gedanken kommen, dass diese Firma nicht so schlecht ist wie ihr Ruf. Nein, sie ist sogar noch schlechter.

Sparen, sparen, sparen...
Rufbereitschaft 24 Stunden am Tag? Wozu denn? Wir arbeiten ja nur im Krankenhaus. Da halten sich die Patienten schließlich an die Nachtruhe und warten brav bis zum nächsten Morgen. So denkt offenbar die CFM-Führung. Denn seit ca. drei Wochen geht die Rufbereitschaft in der Reinigung nur noch bis 21 Uhr. Und weil der Spareffekt noch nicht groß genug war, haben sie auch gleich noch mal das Bereitschaftsgeld von 10 Euro/Tag unter der Woche gestrichen. Nach diesen neuen Regelungen haben wir den Rand gestrichen voll.

Nett – is’ nich (mehr)!?
Warum wird die Spaltung zwischen Pflegekräften und Reinigung in Mitte immer größer? Wer gibt hier die Devise raus, dass man mit der Reinigung nicht mehr nett zu sein hat und auch bloß nicht mehr unter die Arme greift, wenn Not am Mann ist? Ein Glück, dass es Stationen gibt, wo das nicht so läuft!

Das grenzt an Wunder!
Regelmäßig am Wochenende klonen sich die ReinigungskollegInnen von der ITS und dem OP-Bereich. Glaubt ihr nicht? Muss aber so sein, denn das Pensum, das hier von zwei KollegInnen geschafft werden muss, kann gar nicht anders bewältigt werden: OP-Säle, Kreißsaal, Trauma, Rettungsstelle, ab 20 Uhr noch die 114i, den Müll alleine ziehen und dazu am besten noch den großen Hörsaal. Letztens sollte eine Kollegin 13 OP-Säle allein reinigen. Ein Saal braucht mindestens eine Stunde, wenn nicht gar zwei oder drei. Wie sie das geschafft hat, fragt ihr euch? Wie schon gesagt: sie muss sich geklont haben!

Es kann nur Eine geben
Im CC14 scheint das Thema Organspende auch brennende Diskussionen auszulösen. Denn da werden KollegInnen wie Spenderorgane in andere Stationen verpflanzt, damit diese überleben. Das sieht man an Station 2 b und c im CBF. Diese Stationen werden offiziell wegen einer zu geringen Bettenauslastung (aber bei guten Umsätzen!) geschlossen. Dazu gibt es noch Gerüchte, dass unsere liebe Frau Heepe Probleme hat, Personal für ihr Centrum zu finden. Und da die Station 1 kurz vor dem pflegerischen Zusammenbruch steht, werden die KollegInnen von Station 2 wahrscheinlich dahin versetzt. Anstatt den Herzfehler an der Wurzel zu packen und mehr Personal einzustellen, wird wieder nur gemogelt und ein schlechter Herzschrittmacher als Alternative angeboten.

Wünsche sind nur was für Träumer
Nach dem Leasingkräftestopp hat sich die Lage beim Thema Dienstpläne&Co. noch weiter verschlechtert. Nichts mehr mit Wünsche äußern oder Schichten tauschen, denn wenn man auf den Dienstplan guckt, ist es wie ein Sechser im Lotto, einen Kollegen zu finden, der nicht am Limit arbeitet und wo es möglich wäre, zu tauschen.

Frau Holle in der Reinigung
Die Bettenzentrale ist nur bis 18.00 Uhr besetzt. Und ab da müssen dann anscheinend die Reinigungskräfte als Extraleistung Frau Holle spielen und die Betten machen. In Mitte z.B. wurden letztens alle verfügbaren Reinigungskräfte angerufen, dass einer von ihnen doch ein Tbc-Bett sauber machen soll. Jedoch verweigerte jeder diese Arbeit, weil sie das nicht dürfen! Obwohl die Charité und CFM auf Hygiene und Sicherheit immer mehr verzichten, sollen wir dann für ihre Fahrlässigkeit gerade stehen, nur weil mal wieder nicht genug Personal da ist!

Informieren-Motivieren-Finanzieren – Geht’s noch!?
Die „Stiftung Charité“ wirbt auf schicken Hochglanzflyern für einen Workshop für eine „Unternehmerische Charité 2012“. Interessenten sollen von erfolgreichen Unternehmern und Anwälten erfahren, wie man „Ausgründungen und Veränderungen“ am besten durchpeitscht. Nett, nett – vielleicht sollten sie auch mal einen Workshop für die Chefis machen, wo sie lernen, dass mehr Personal die Stimmung hebt und die Pflege wieder machbar macht! Und vielleicht sollten sie auch mal mit KollegInnen aus der CFM, der Labor GmbH und der Physiotherapie reden, dass Ausgründungen ganz und gar nicht motivierend sind!

 

30. August 2012

Voll 20. Jahrhundert!
Bei den MDAs steigen der Krankenstand, die Aktenberge und die nicht bezahlten Rechnungen der Krankenversicherungen. Das einzige, was hier sinkt, ist die Motivation. Da jedoch Neueinstellungen aus der Sicht der hochmodernen Charité ja voll veraltet und „20. Jahrhundert“ sind, hat sie sich was „Neues“ einfallen lassen. Sie hat die Glasboxen im CBF reaktiviert, um die KollegInnen nicht ständig aus der Abrechnung aus den Büros zu reißen. So sitzen nun die anderen MDAs in den Boxen und die Patienten ziehen brav ihre Wartenummern. Wir sind schon gespannt, was beim nächsten Rohrbruch passiert, denn der Wartebereich dort hatte in letzter Zeit nicht wenig im Regen gestanden...

Hui buh – gruselige Kittel
In letzter Zeit mal grüne Kittel getragen? Nein? Ist auch nicht wirklich zu empfehlen. Die Charité hat nämlich mal wieder den Preis gewonnen für „Sparen am falschen Ende“. Zum einen sind die Ärmel zu kurz und der Stoff zu dünn. Zum anderen wird es kompliziert, wenn man versucht, die Strippen zuzubinden. Denn weil auch hier ordentlich gespart wurde, müssen die zu kurzen Strippen nun auf dem Rücken zugemacht werden. Und weil das ein ewiges Gefummel ist, lässt man es am liebsten sein. Und so läuft man wie ein Schlossgespenst mit wehenden Strippen über Station und fragt sich, welch gruselige Keime sich nun bereits dort angesammelt haben…

Larosés weiße Weste Kasacks
Die weißen Kasacks im Krankentransport sind auch nicht besser. Zu warm, zu unangenehm auf der Haut. Eigentlich will sie keiner tragen. Doch Larosé droht: Landen die Dinger nicht regelmäßig in der Wäsche, dann soll die CFM trotzdem dafür bezahlen, auch wenn die weißen Kasacks nicht getragen, geschweige denn gewaschen wurden. Irgendwie schon gaga.

Keine Kinder für die Charité
Im Ausschreiben von Wettbewerben ist die Charité immer ganz vorne mit dabei. Diesmal geht es um „Familienfreundlichkeit an der Charité“, denn „kaum ein Thema wird so konform diskutiert wie die notwendige Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, verkündete unser Einhäupl. Dass wir nicht lachen! Am liebsten würde die Charité doch all unsere Kinder zur Adoption frei geben, damit wir schön Überstunden schieben können, noch kurzfristiger einspringen können, weniger Fehlzeiten haben und keiner mehr zu Hause bleiben muss, wenn die Kinder krank sind.

Jeder hat doch einen Keim verdient!
Scheinbar werden MRSA & Co. immer mehr zum Verkaufsschlager an deutschen Krankenhäusern und natürlich auch an der Charité. Jedoch stellt sich die Charité-Leitung diesem Trend nicht entgegen. Anstatt mehr Personal und mehr Iso-Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, wird immer weiter abgebaut. Dabei gab es auch schon gute Vorschläge, dieses Problem einzudämmen, z.B. mit einer Kohortenpflege für Keimpatienten. Doch halt! Dies ist ja nicht wirklich machbar, wenn man zum Teil nur zu zweit auf Station arbeitet. Und wie sieht‘s eigentlich mit der Gesundheit von uns Angestellten aus? Warum werden nur bestimmte Abstriche auf bestimmten Stationen gemacht? Ist es etwa so unwahrscheinlich, dass die Keime auch bei uns die Runde machen? Die Charité fürchtet wahrscheinlich Image-Schäden und Arbeitsausfälle, doch uns speist sie regelmäßig mit irrsinnigen Wettbewerben und neuen „Hygienebeauftragten“ ab, um von den Problemen abzulenken.

Kurzer Prozess
Im Zuge des CFM-Streiks im letzten Jahr wurde ein Gewerkschafter wegen Hausfriedensbruch bei Dussmann angezeigt. Er führte ein angeregtes Gespräch mit einem Kulturkaufhaus-Kunden über die miesen Löhne des Dussmann-Konzerns bei der CFM. Ein Polizist hörte mit und zeigte ihn prompt wegen Hausfriedensbruch an. Er habe sich nicht „kundentypisch“ verhalten, so der gute Beamte. Doch da anscheinend nicht jeder Beamte in Deutschland so kleinkariert ist und die Meinungs- und Redefreiheit in Deutschland anscheinend doch noch was zählt, stellte der Richter das Verfahren bei der ersten Verhandlung sofort ein.

Uns hilft kein höheres Wesen…
Scheinbar hat der Chef der Diakonie (Gott höchstpersönlich) eine Lohnkürzung beschlossen. Denn die Diakonie in NRW wird ihren Pflegehelfern demnächst bis zu 166 € weniger Lohn zahlen. Sie rechtfertigte die Kürzungen damit, dass der Unterschied zwischen der Bezahlung von Helferinnen und qualifizierten Kräften zu gering gewesen sei.  Klar, und anstatt den qualifizierten Kräften einfach mehr zu bezahlen, kürzt man eben die Gehälter der anderen. Von den Lohnsenkungen sind auch andere Berufsgruppen wie Gärtner und Hauswirtschafterinnen betroffen. Sie werden bei langjähriger Beschäftigung künftig bis zu 407 Euro weniger im Monat erhalten. Ob sich die Mitarbeiter dagegen mit einem Streik wehren dürfen, wird erst im November vom Bundesarbeitsgericht entschieden. Denn bisher gilt die rechtliche Regelung: „Gott kann man nicht bestreiken“. Doch egal wie das Gericht entscheidet, von Gottes Segen allein kann man nicht leben.

Mit Entschlossenheit und Mut – südafrikanische Bergarbeiter im Streik
Der Versuch der Polizei vor knapp 2 Wochen, den Streik der Bergarbeiter von Lonmin, dem drittgrößten Platin- Produzenten der Welt, in der Mine Marikana zu beenden, endete mit einem Massaker. 34 Menschen wurden getötet. Damit starben seit Beginn des Konflikts mehr als 40 Streikende durch Polizeischüsse. Doch der Streik ist nicht vorbei. Seit 10. August streiken 3.000 Bergarbeiter für höhere Löhne. Bislang kriegen sie 380 Euro monatlich. Ein Lohn, der nicht zum Leben reicht. Die Arbeiter müssen in Slums neben der Mine ohne fließendes Wasser leben. 􀌎 Man arbeitet für sehr wenig Geld. Es ist fast wie der Tod, sagte ein Streikender. Ein anderer: "Es ist unsere Arbeit, die den Reichtum des Bergbau-Unternehmens bringt, und für uns gibt es kein menschenwürdiges Leben." Das Massaker war das schlimmste nach Ende der Apartheid... nicht zu Ende ist jedoch der Klassenkampf.

Editorische Hinweise
Wir erhielten die Betriebsflugblätter von den AutorInnen.
Wir veröffentlichen sie zu dokumentarischen Zwecken. Für die Richigkeit des Inhalts übernehmen wir keine Gewähr.

Die LEITARTIKEL der Flugis können auf der Website der Gruppe "Sozialistische Arbeiterstimme" gelesen werden.

Außerdem gibt es dort weitere Betriebsflugblätter aus anderen Berliner Betrieben.