Der aktuelle Kommentar
Hitler-Eiche in Rostock

von Antonín Dick

09-2012

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onlinezeitung

Das Pflanzen einer Eiche aus Anlaß des Gedenkens an die Opfer des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen im Jahre 1992 am vergangenen Wochenende war ein perverser Staatsakt. Hier wird ein nazistisches Ritual benutzt, um Opfer eines neonazistischen Exzesses im wiedervereinigten Deutschland zu ehren, sprich zu verhöhnen.

Im Dritten Reich war das Pflanzen einer Hitler-Eiche seit Mai 1933 ein gängiges Ritual, namentlich bei der Hitler-Jugend. Mein Vater, ein tschechischer Widerstandskämpfer, erzählte mir, daß die Henlein-Faschisten den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht im Oktober 1938 ins Sudetengebiet, das zum Staatsgebiet der Tschechoslowakischen Republik gehörte, propagandistisch u. a. mit dem massenhaften Anpflanzen von Hitler-Eichen an öffentlichen Plätzen in Dörfern und Städten mit vorbereitet hatten.

Man kann seitens der politischen Verantwortlichen des Gedenkens jetzt nicht so tun, als wüßte man von diesen Hintergründen nichts. Das Pogrom stammt doch auch aus diesen Hintergründen. Oder hat man sich immer noch nicht mit alledem beschäftigt? Die antifaschistische Gegenwehr in Rostock sollte auf der Grundlage von Artikel 139 (Befreiungsgesetz) des Grundgesetzes der BRD umgehend Strafanzeige wegen des Verbreitens nazistischer Symbole und Rituale stellen.

Das NS-Symbol muß weg, denn „jeder nazistischen und militaristischen Betätigung und Propaganda ist vorzubeugen“, wie es unter Abs. III, Buchst. A, Ziff. III des Potsdamer Abkommens der Alliierten der Anti-Hitler-Koalition vom 2. August 1945 heißt, auf das sich übrigens auch der Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 bezieht. Zudem gebietet es die Solidarität mit den Opfern, mit ihnen und ihren Repräsentanten Kontakt aufzunehmen, um von ihnen Vorschläge entgegenzunehmen, welcher Baum nach ihrer Tradition geeignet wäre, Gefühle der Trauer, der Empathie und der solidarischen Verbundenheit symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Das Einpflanzen dieses neuen Baums sollte gemeinsam mit ihnen und ihren Repräsentanten in einer würdigen Gedenkstunde, deren Gestaltung sie festlegen, geschehen.

Editorische Hinweise
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