Das Pflanzen einer Eiche
aus Anlaß des Gedenkens an die Opfer des Pogroms von
Rostock-Lichtenhagen im Jahre 1992 am vergangenen
Wochenende war ein perverser Staatsakt. Hier wird ein
nazistisches Ritual benutzt, um Opfer eines
neonazistischen Exzesses im wiedervereinigten
Deutschland zu ehren, sprich zu verhöhnen.
Im Dritten Reich war das
Pflanzen einer Hitler-Eiche seit Mai 1933 ein gängiges
Ritual, namentlich bei der Hitler-Jugend. Mein Vater,
ein tschechischer Widerstandskämpfer, erzählte mir, daß
die Henlein-Faschisten den Einmarsch der Deutschen
Wehrmacht im Oktober 1938 ins Sudetengebiet, das zum
Staatsgebiet der Tschechoslowakischen Republik gehörte,
propagandistisch u. a. mit dem massenhaften Anpflanzen
von Hitler-Eichen an öffentlichen Plätzen in Dörfern und
Städten mit vorbereitet hatten.
Man kann seitens der
politischen Verantwortlichen des Gedenkens jetzt nicht
so tun, als wüßte man von diesen Hintergründen nichts.
Das Pogrom stammt doch auch aus diesen Hintergründen.
Oder hat man sich immer noch nicht mit alledem
beschäftigt? Die antifaschistische Gegenwehr in Rostock
sollte auf der Grundlage von Artikel 139
(Befreiungsgesetz) des Grundgesetzes der BRD umgehend
Strafanzeige wegen des Verbreitens nazistischer Symbole
und Rituale stellen.
Das NS-Symbol muß weg, denn
„jeder nazistischen und militaristischen Betätigung und
Propaganda ist vorzubeugen“, wie es unter Abs. III,
Buchst. A, Ziff. III des Potsdamer Abkommens der
Alliierten der Anti-Hitler-Koalition vom 2. August 1945
heißt, auf das sich übrigens auch der
Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 bezieht. Zudem gebietet
es die Solidarität mit den Opfern, mit ihnen und ihren
Repräsentanten Kontakt aufzunehmen, um von ihnen
Vorschläge entgegenzunehmen, welcher Baum nach ihrer
Tradition geeignet wäre, Gefühle der Trauer, der
Empathie und der solidarischen Verbundenheit symbolisch
zum Ausdruck zu bringen. Das Einpflanzen dieses neuen
Baums sollte gemeinsam mit ihnen und ihren
Repräsentanten in einer würdigen Gedenkstunde, deren
Gestaltung sie festlegen, geschehen.
Editorische Hinweise
Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.