Haben die Neonazis einen "Antikapitalismus
von rechts" entwickelt?

Studie untersucht die wirtschafts- und
sozialpolitischen Positionen der NPD
Pressemitteilung der edition assemblage

09-2012

trend
onlinezeitung

Mit Parolen wie "Sozial geht nur national" geht die NPD auf Stimmenfang. Soziale Themen haben für die Politik der extrem rechten Partei an Bedeutung gewonnen. Der Soziologe Hendrik Puls legte nun die erste umfassende Untersuchung der wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen der NPD vor. Seine Studie basiert auf einer Inhaltsanalyse des Parteiorgans "Deutsche Stimme" der Jahre 1998 bis 2010. Die "Deutsche Stimme" entwickelte sich in den 1990er Jahren von einem reinen Verlautbarungsorgan zu einem Ort der innerparteilichen Debatte, was sie als Quelle interessant macht. Puls konnte deswegen über 750 Artikel in die Analyse einbeziehen.

Unter Udo Voigt setzte die NPD auf sozialpolitische Themen

Der Zeitraum der Untersuchung liegt in der Amtszeit des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Voigt öffnete die Partei Mitte der 1990er Jahre nicht nur für die Mitglieder neonazistischer Kleinstgruppen und der subkulturell geprägten rechten Skinhead-Szene. Die NPD wandte sich zudem verstärkt sozial- und wirtschaftspolitische Themen zu. Bereits zu Anfang seiner Amtszeit verkündete Voigt, die NPD müsse sich als "grundsätzliche Alternative zum bestehenden Parteiensystem" verstehen und sich für die "totale Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft" einsetzen. Soziale Einschnitte lehnte sie fortan ab. Damit wurden die Grundlagen für den erneuten Aufschwung der NPD gelegt. Ihre
größten Erfolge erzielte die NPD 2004 und 2006, als sie dank einer rassistisch aufgeladenen Agitation gegen die "Hartz-Reformen" in den sächsischen sowie den mecklenburg-vorpommerschen Landtag einzog. Auch der seit 2011 amtierende Bundesvorsitzende Holger Apfel hält an dieser Orientierung fest, versucht allerdings unter dem Schlagwort der "seriösen Radikalität" einen Kurs einzuschlagen, der die all zu offene Verherrlichung des Nationalsozialismus zu Gunsten eines bürgernahen Image als "Kümmerer"-Partei zurückstellt. Die Betonung sozialpolitischer Versprechen nimmt in dieser Strategie eine zentrale Rolle ein.

Rassistische "Lösungen" auf soziale Fragen

Die NPD möchte sich "Anwalt der kleinen Leute" profilieren, sie verspricht ihrem Klientel soziale Sicherheit und Teilhabe. Dieses Versprechen solle durch einen nach rassistischen Kriterien geordneten Sozialstaat erfüllt werden. Teilhabe berechtigt sollten ausschließlich "Deutsche" sein. Alle Menschen, die die NPD als "Nicht-Deutsche" oder
nicht Unterstützungswürdige "Randgruppen" abwertet, sollten von Sozialleistungen und Bleiberecht ausgeschlossen werden. Die zentrale Forderung der NPD ist die rassistisch legitimierte Besserstellung der "Deutschen" in einem exklusiven Sozialstaat, hat Puls herausgefunden. "Volkszugehörigkeit" mache die NPD zum zentralen Kriterium der
Leistungsberechtigung. Offen formuliert die Partei, dass sie die "Volkszugehörigkeit" an Hautfarbe und Herkunft knüpft. Die "Verleihung bedruckten Papiers (des BRD-Passes)" verändere nicht die "biologischen Erbanlagen", die über die Mitgliedschaft in der "ethnisch-kulturellen Gemeinschaft des deutschen Volkes" entschieden, so der NPD-Parteivorstand. "Die NPD bietet ausschließlich rassistische Lösungen auf soziale Fragen. Sie ist damit alles andere als eine soziale Partei. Sie lehnt die Gleichwertigkeit der Menschen fundamental ab", stellt Puls fest. Der
Soziologe weiter: "Der zentrale Terminus, den die NPD zur Charakterisierung ihres sozialpolitischen Inklusionsversprechens nutzt, ist ,Volksgemeinschaft'. Ein Begriff, der auch in der Nazi-Propaganda zentral war. Dieser verweist darauf, dass soziale Inklusion und Sicherheit durch Ausgrenzung und Entrechtung der ,Gemeinschaftsfremden'
erreicht werden soll."

NPD steht in der Tradition faschistischer Bewegungen

Dass sich die NPD als "Anti-System-Partei" und "antikapitalistische Kraft" inszeniere, sei nicht verwunderlich, wenn man die Programmatik der faschistischen Parteien in der Zwischenkriegszeit in den Blick nehme, meint Puls. Ein "antibürgerliches" und "antikapitalistisches" Selbstverständnis gehörte bereits zum Kennzeichen der NSDAP und kann als Unterscheidungsmerkmal zwischen einer faschistischen und einer nicht-faschistischen extremen Rechten angeführt werden. Mit dem historischen Faschismus verbinde die NPD auch die behauptete Trennung eines "schaffenden Industriekapitals" und eines "raffenden Finanzkapitals", wobei letzteres als feindliche Macht dem "deutschen Volk" gegenüber stünde. Damals wie heute werde das "Finanzkapital" mit den Jüdinnen und Juden personalisiert. Der Antisemitismus der NPD tritt nicht nur codiert auf, Puls fand im Rahmen seiner Untersuchung in der NPD-Parteizeitung auch Belege für einen ungeschminkten Antisemitismus, der behauptet, Jüdinnen und Juden würden die Weltwirtschaft
kontrollieren und das "deutsche Volk" bedrohen. Die Traditionslinien beschränken sich nicht nur auf ideologische Ähnlichkeiten. In einem Kapitel befasst sich Puls mit rechten Theoretikern und Vordenkern, welche die "Deutsche Stimme"-Redaktion ihren Leserinnen und Lesern vorstellt. Bei diesen handele es sich entweder um Vertreter der NSDAP, wie den Wirtschaftstheoretiker und Antisemit Gottfried Feder, oder um Protagonisten der "Konservativen
Revolution", einer Strömung extrem rechter, republikfeindlicher Intellektueller der Weimarer Republik.

Hat die NPD einen "Antikapitalismus von rechts" entwickelt?

Die Frage, ob die NPD einen "Antikapitalismus von rechts" entwickelte habe, verneint Puls. Die NPD stelle weder die Lohnarbeit und das Privateigentum noch das private Unternehmertum und den Markt als zentrale Instanz des Warenaustausches in Frage. Damit lasse sie Institutionen unberücksichtigt, deren Abschaffung gemeinhin mit einem
antikapitalistischen Projekt verbunden würden. Gleichwohl müsse man aber festhalten, dass sich die Partei ihrem Selbstverständnis nach als kapitalismuskritische Kraft und als "radikale Alternative" zum Bestehenden verstehe. Sie werde weiterhin versuchen, auf soziale Themen zu setzen. Puls hält fest: "Die Kapitalismuskritik der NPD ist geprägt von einfachen Schuldzuweisungen. Antisemitismus spielt dabei eine wichtige Rolle. Mit ihren Parolen versucht die NPD die von der wirtschaftlichen Entwicklung und den gesellschaftlichen Veränderungen Verunsicherten zu erreichen, in dem sie ihnen soziale Teilhabe und Bevorzugung gegenüber ,Nicht-Deutschen' verspricht."
 

Hendrik Puls
Antikapitalismus von rechts?
Wirtschafts- und sozialpolitische Positionen der NPD

Studien zur extremen Rechten, Band 1
Reihe Antifaschistische Politik [RAP], Band 3
farb. Broschur, 144 Seiten, 16.80 EUR [D]
ISBN 978-3-942885-04-1

edition assemblage
Postfach 27 46
48014 Münster

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten die PM des Verlages am 21.8.2012