Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Auch im August keine Ruhe
Fortgang der rechten Protestbewegung gegen die Homo-Ehe in Frankreich

09-2013

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Man hätte glauben können, dieses Kapitel sei abgeschlossen: Am 17. Mai d.J. erklärte das französische Verfassungsgericht das (zuvor durch das Parlament verabschiedete) Gesetz zur Öffnung der Ehe auch für homosexuelle Paare für verfassungskonform. Am 18. Mai wurde es durch die Unterschrift von Staatspräsident François Hollande in Kraft gesetzt. Die letzte breite Protestdemonstration gegen das Gesetz, unter Beteiligung von Hunderttausenden, wurde am 26. Mai in Paris abgehalten. Am 29. Mai 13 fand der erste Eheschluss zwischen zwei Männern im südfranzösischen Montpellier statt, wo das Rathaus durch fast 300 Beamte von Polizei und Gendarmerie gegen eventuelle abgeschirmt wurde. Inzwischen wurden bis heute circa 600 Ehen von gleichgeschlichen Paaren in Frankreich geschlossen.

Und doch ging der seit November 2012 andauernde, von religiösen, konservativen und faschistischen Kräften getragene Protest auch seither immer noch weiter. Die stärkste Oppositionspartei in Frankreich, UMP, welche bereits vor der letzten breiten Demo vom 26.05.13 ob ihrer Teilnahme gespalten war, zog sich nach diesem Termin aus den Massenprotesten zurück – argumentierend, dass ein einmal in Kraft getretenes „Gesetz der Republik“ respektiert werden müsse, um nicht zu drohen, die Staatsautorität zu untergraben. Doch nicht alle Anhänger/innen hörten darauf. Geschweige denn die ganze Palette aus religiösen Fanatikern, das Vergnügen der (Pseudo-)Revolte frisch entdeckenden Jungrechten und jungen Bourgeois aus den „besseren Vierteln“, faschistischen Aktivisten und Durchknallern in Eigenregie.

Ihr „Protest“ erhielt neue Nahrung, als im Juni und Juli der 23jährige Student Nicolas-Bernard Buss (NBB) für zwei Monate in Haft kam, weil er zum zweiten Mal bei einer illegalen Demonstration gegen die Homo-Ehe aufgegriffen worden war, eine Fantasieidentität angegeben und die Abgabe einer Speichelprobe zwecks Teilnahme an einem DNA-Test verweigert hatte. Das goss Benzin ins Feuer des rechten Protests, für dessen Fortgang noch genügend Teilnehme bereitwillig parat blieben. Am Sonntag, den 30. Juni etwa zogen sie in einem Autokorso mit mindestens 200 Fahrzeugen hupend und Fahnen schwenkend durch die Pariser Innenstadt. (NBB wurde einige Tage später in zweiter Instanz zu einer Bewährungsinstanz verurteilt und vorzeitig aus der Haft entlassen. Letztendlich hatte er vom 19. Juni bis 09. Juli dieses Jahres hinter Gittern gesessen. Am 08. August erschien die Ausgabe des rechten bis rechtsextremen Wochenmagazins ,Valeurs actuelles‘, in welcher er ausgiebig schildert, wie er – schluchz – die Wochen als armes bürgerliches Würstchen im Knast verbrachte und gar grausam gefoltert wurde.)

Sinnfälliges Symbol des auch danach noch anhaltenden rechten Protests war die diesjährige Ausgabe der Fahrradtournee Tour de France im Juli, bei der die Fernsehbilder von unzähligen Etappen die Protestheinis mit ihren Fahnen in rosa und blauen Farben zeigten. Im Laufe des August d.J. war es dann ein Segelflugzeug, das über eine Woche lang an den französischen Atlantikküsten auftauchte und ein Reklameband hinter sich herzog, auf dem Werbung für eine Webseite unter dem Titel << Hollande-démission.fr >> (für „Hollande, Rücktritt“) betrieben wurde. Der Segelflieger startete im südwestfranzösischen Biscarosse und bewegte sich von dort nach Norden. Am Samstag, den 17. August etwa machte er im Seebad La Baule in Westfrankreich Station. An dem Tag hatte die Unterschriftensammlung für einen Rücktritt François Hollandes, dem die Einführung der Homo-Ehe ebenso wie Sittenverfall, Niedergang der Staatsautorität und die Abwesenheit „wirtschaftlicher Reformen“ vorgeworfen wurden, angeblich 11.626 Unterschriften zusammengebracht. Auch auf Mailinglisten der rechtsextremen „identitären“ Bewegung wurde Mitte August dafür geworben. Das Anmieten der Maschine soll 40.000 Euro gekostet haben, jeder einzelne Flug 200 Euro an Treibstoffkosten. An Bord befand sich der 33jährige Pariser Jungunternehmer David Van Hemelryck, welcher einige Wochen zuvor das Zeltlager von Gegnern der Homosexuellen im Pariser Park Jardin du Luxembourg – in Sicht- und Hörweite des Senats, der zweiten Parlamentskammern – mitorganisiert hatte.

Ebenfalls im August 13 startete – am Samstag, den 10. August – im westfranzösischen Rochefort der Protestmarsch der Veilleurs (ungefähr: „der Wachenden“). Auf diesen Namen, Les Veilleurs, hört eine, gelinde ausgedrückt, religiös angehauchte Protestgruppierung gegen die Homosexuellenehe. Seit April dieses Jahres machte sie mit diversen Nachtwachen auf öffentlichen Plätzen, die das Lesen erbaulicher Schriften und Literaturauszüge mit einer scharfen Ablehnung von Homosexuellenehe, Sittenverfall usw. verbinden, auf sich aufmerksam. Ihr Fußmarsch führte quer durch die Westhälfte und das Zentrum Frankreich bis nach Paris, wo er am 31. August ankam. Allerdings erfüllte er laut einer Analyse der liberalen Pariser Abendzeitung Le Monde nicht alle Erwartungen, die ihn gesetzt wurden: Nur rund zwanzig Marschierer(/innen) nahmen für längere Dauer an dem Gewaltmarsch teil, und lediglich drei von ihnen legten die gesamte Strecke zurück. Größeren Erfolg hatten allerdings die zur geistig-sittlichen „Erweckung“ bestimmten Versammlungen unter freiem Himmel, die allabendlich um 21 Uhr in verschiedenen Städten und Orten abgehalten wurden. In der westfranzösischen Großstadt Nantes kamen dazu rund 300 Menschen. Allerdings fanden an mindestens vier Orten Auseinandersetzungen mit politischen Gegner/inne/n statt, die die Veranstaltungen anfeindeten. In Nantes wiederum wollten die ,Veilleurs‘ einen auf Ökologie machen und die Gegner/innen des heftig umstrittenen Flughafenprojekts Notre-Dame-des-Landes (in der Nähe von Nantes) treffen – Letztere wollten allerdings davon nichts wissen, und bereiteten ein Empfangskomitee unter der Parole Ni Vinci ni Veilleurs vor. Also „Weder Vinci noch Veilleurs“ – Vinci ist der Konzern, der das umweltzerstörende Projekt zu wesentlichen Teilen bauen soll.

Am Abend des Samstag, den 31. August hielten die ,Veilleurs‘ dann eine Versammlung auf der Place de la Concorde im Pariser Stadtzentrum ab, zu der rund 600 Menschen (laut ihren eigenen Angaben jedoch 1000 kamen). Dafür hatten sie keinerlei Genehmigung beantragt, und rundherum wurden stattliche Polizeikräfte zusammengezogen. – Die Bewegung bleibt in circa 200 französischen Städten präsent und kündigte an, auch weiterhin und über das Ende der Urlaubssaison hinaus ihre öffentlichen Nachtwachen abzuhalten. Allerdings ist fraglich, wie ihre Bilanz des Unternehmens „Marsch durch Frankreich“ ausfallen wird, und ob das quantitative Niveau der Aktionen auch nach dieser Auswertung aufrechterhalten bleibt.

Rechtsextreme Bürgermeisterin: Angekündigter Gesetzesbruch

Zuletzt wurde am 26. August bekannt, dass eine Bürgermeisterin ankündigte, sich dem neuen Gesetz offen zu widersetzen, und den Eheschluss zwischen zwei Frauen in „ihrem“ Rathaus standhaft zu verweigern. Es handelt sich um Marie-Claude Bompard, Rathauschefin im südfranzösischen Bollène, wo sie bei der letzten Kommunalwahl im März 2008 auf einer vermeintlich unpolitisch-konservativen Einheitsliste gewählt wurde. Ihre politische Zuordnung fällt jedoch nicht schwer, nämlich jene zur extremen Rechten. Ihr Ehemann Jacques Bompard ist seit 1995 Bürgermeister in der Nachbarstat Orange und gehörte von Anfang der 1970er Jahre bis im Herbst 2005 dem Front National an; danach machte er mehrere rechte Kleinparteien durch und steht heute der (zusammen mit den „Identitären“ betriebenen) rechtsextremen Regionalpartei Ligue du Sud vor.

Am 29. August knickte Madame Bompard jedoch ein, nachdem Strafverfahren infolge ihres offenen Gesetzesbruchs in Aussicht gestellt worden waren. Nunmehr wird eine Beisitzerin von ihr den Eheschluss zelebrieren. Selbst der FN-Vizepräsident Florian Philippot – in Fragen der Homo-Ehe vertritt er den vergleichsweise moderaten Flügel innerhalb seiner Partei – hatte ihr Verhalten kritisierte. Er postulierte, wenn das Gesetz nun einmal beschlossen sei, müsse man sich als Stadtoberhaupt auch daran halten.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.