Man hätte
glauben können, dieses Kapitel sei abgeschlossen: Am 17.
Mai d.J. erklärte das französische Verfassungsgericht
das (zuvor durch das Parlament verabschiedete) Gesetz
zur Öffnung der Ehe auch für homosexuelle Paare für
verfassungskonform. Am 18. Mai wurde es durch die
Unterschrift von Staatspräsident François Hollande in
Kraft gesetzt. Die letzte breite Protestdemonstration
gegen das Gesetz, unter Beteiligung von
Hunderttausenden, wurde am 26. Mai in Paris abgehalten.
Am 29. Mai 13 fand der erste Eheschluss zwischen zwei
Männern im südfranzösischen Montpellier statt, wo das
Rathaus durch fast 300 Beamte von Polizei und
Gendarmerie gegen eventuelle abgeschirmt wurde.
Inzwischen wurden bis heute circa 600 Ehen von
gleichgeschlichen Paaren in Frankreich geschlossen.
Und doch
ging der seit November 2012 andauernde, von religiösen,
konservativen und faschistischen Kräften getragene
Protest auch seither immer noch weiter. Die stärkste
Oppositionspartei in Frankreich, UMP, welche bereits vor
der letzten breiten Demo vom 26.05.13 ob ihrer Teilnahme
gespalten war, zog sich nach diesem Termin aus den
Massenprotesten zurück – argumentierend, dass ein einmal
in Kraft getretenes „Gesetz der Republik“ respektiert
werden müsse, um nicht zu drohen, die Staatsautorität zu
untergraben. Doch nicht alle Anhänger/innen hörten
darauf. Geschweige denn die ganze Palette aus religiösen
Fanatikern, das Vergnügen der (Pseudo-)Revolte frisch
entdeckenden Jungrechten und jungen Bourgeois aus den
„besseren Vierteln“, faschistischen Aktivisten und
Durchknallern in Eigenregie.
Ihr
„Protest“ erhielt neue Nahrung, als im Juni und Juli der
23jährige Student Nicolas-Bernard Buss (NBB) für zwei
Monate in Haft kam, weil er zum zweiten Mal bei einer
illegalen Demonstration gegen die Homo-Ehe aufgegriffen
worden war, eine Fantasieidentität angegeben und die
Abgabe einer Speichelprobe zwecks Teilnahme an einem
DNA-Test verweigert hatte. Das goss Benzin ins Feuer des
rechten Protests, für dessen Fortgang noch genügend
Teilnehme bereitwillig parat blieben. Am Sonntag, den
30. Juni etwa zogen sie in einem Autokorso mit
mindestens 200 Fahrzeugen hupend und Fahnen schwenkend
durch die Pariser Innenstadt. (NBB wurde einige Tage
später in zweiter Instanz zu einer Bewährungsinstanz
verurteilt und vorzeitig aus der Haft entlassen.
Letztendlich hatte er vom 19. Juni bis 09. Juli dieses
Jahres hinter Gittern gesessen. Am 08. August erschien
die Ausgabe des rechten bis rechtsextremen
Wochenmagazins ,Valeurs actuelles‘, in
welcher er ausgiebig schildert, wie er – schluchz – die
Wochen als armes bürgerliches Würstchen im Knast
verbrachte und gar grausam gefoltert wurde.)
Sinnfälliges Symbol des auch danach noch anhaltenden
rechten Protests war die diesjährige Ausgabe der
Fahrradtournee Tour de France im Juli, bei
der die Fernsehbilder von unzähligen Etappen die
Protestheinis mit ihren Fahnen in rosa und blauen Farben
zeigten. Im Laufe des August d.J. war es dann ein
Segelflugzeug, das über eine Woche lang an den
französischen Atlantikküsten auftauchte und ein
Reklameband hinter sich herzog, auf dem Werbung für eine
Webseite unter dem Titel << Hollande-démission.fr >>
(für „Hollande, Rücktritt“) betrieben
wurde. Der Segelflieger startete im südwestfranzösischen
Biscarosse und bewegte sich von dort nach Norden. Am
Samstag, den 17. August etwa machte er im Seebad La
Baule in Westfrankreich Station. An dem Tag hatte die
Unterschriftensammlung für einen Rücktritt François
Hollandes, dem die Einführung der Homo-Ehe ebenso wie
Sittenverfall, Niedergang der Staatsautorität und die
Abwesenheit „wirtschaftlicher Reformen“ vorgeworfen
wurden, angeblich 11.626 Unterschriften
zusammengebracht. Auch auf Mailinglisten der
rechtsextremen „identitären“ Bewegung wurde Mitte August
dafür geworben. Das Anmieten der Maschine soll 40.000
Euro gekostet haben, jeder einzelne Flug 200 Euro an
Treibstoffkosten. An Bord befand sich der 33jährige
Pariser Jungunternehmer David Van Hemelryck, welcher
einige Wochen zuvor das Zeltlager von Gegnern der
Homosexuellen im Pariser Park Jardin du Luxembourg
– in Sicht- und Hörweite des Senats, der zweiten
Parlamentskammern – mitorganisiert hatte.
Ebenfalls
im August 13 startete – am Samstag, den 10. August – im
westfranzösischen Rochefort der Protestmarsch der
Veilleurs (ungefähr: „der Wachenden“). Auf
diesen Namen, Les Veilleurs, hört eine,
gelinde ausgedrückt, religiös angehauchte
Protestgruppierung gegen die Homosexuellenehe. Seit
April dieses Jahres machte sie mit diversen Nachtwachen
auf öffentlichen Plätzen, die das Lesen erbaulicher
Schriften und Literaturauszüge mit einer scharfen
Ablehnung von Homosexuellenehe, Sittenverfall usw.
verbinden, auf sich aufmerksam. Ihr Fußmarsch führte
quer durch die Westhälfte und das Zentrum Frankreich bis
nach Paris, wo er am 31. August ankam. Allerdings
erfüllte er laut einer Analyse der liberalen Pariser
Abendzeitung Le Monde nicht alle
Erwartungen, die ihn gesetzt wurden: Nur rund zwanzig
Marschierer(/innen) nahmen für längere Dauer an dem
Gewaltmarsch teil, und lediglich drei von ihnen legten
die gesamte Strecke zurück. Größeren Erfolg hatten
allerdings die zur geistig-sittlichen „Erweckung“
bestimmten Versammlungen unter freiem Himmel, die
allabendlich um 21 Uhr in verschiedenen Städten und
Orten abgehalten wurden. In der westfranzösischen
Großstadt Nantes kamen dazu rund 300 Menschen.
Allerdings fanden an mindestens vier Orten
Auseinandersetzungen mit politischen Gegner/inne/n
statt, die die Veranstaltungen anfeindeten. In Nantes
wiederum wollten die ,Veilleurs‘ einen auf Ökologie
machen und die Gegner/innen des heftig umstrittenen
Flughafenprojekts Notre-Dame-des-Landes (in der Nähe von
Nantes) treffen – Letztere wollten allerdings davon
nichts wissen, und bereiteten ein Empfangskomitee unter
der Parole Ni Vinci ni Veilleurs vor. Also
„Weder Vinci noch Veilleurs“ – Vinci ist
der Konzern, der das umweltzerstörende Projekt zu
wesentlichen Teilen bauen soll.
Am Abend
des Samstag, den 31. August hielten die
,Veilleurs‘ dann eine Versammlung auf der Place
de la Concorde im Pariser Stadtzentrum ab, zu der rund
600 Menschen (laut ihren eigenen Angaben jedoch 1000
kamen). Dafür hatten sie keinerlei Genehmigung
beantragt, und rundherum wurden stattliche Polizeikräfte
zusammengezogen. – Die Bewegung bleibt in circa 200
französischen Städten präsent und kündigte an, auch
weiterhin und über das Ende der Urlaubssaison hinaus
ihre öffentlichen Nachtwachen abzuhalten. Allerdings ist
fraglich, wie ihre Bilanz des Unternehmens „Marsch durch
Frankreich“ ausfallen wird, und ob das quantitative
Niveau der Aktionen auch nach dieser Auswertung
aufrechterhalten bleibt.
Rechtsextreme Bürgermeisterin: Angekündigter
Gesetzesbruch
Zuletzt
wurde am 26. August bekannt, dass eine Bürgermeisterin
ankündigte, sich dem neuen Gesetz offen zu widersetzen,
und den Eheschluss zwischen zwei Frauen in „ihrem“
Rathaus standhaft zu verweigern. Es handelt sich um
Marie-Claude Bompard, Rathauschefin im südfranzösischen
Bollène, wo sie bei der letzten Kommunalwahl im März
2008 auf einer vermeintlich unpolitisch-konservativen
Einheitsliste gewählt wurde. Ihre politische Zuordnung
fällt jedoch nicht schwer, nämlich jene zur extremen
Rechten. Ihr Ehemann Jacques Bompard ist seit 1995
Bürgermeister in der Nachbarstat Orange und gehörte von
Anfang der 1970er Jahre bis im Herbst 2005 dem Front
National an; danach machte er mehrere rechte
Kleinparteien durch und steht heute der (zusammen mit
den „Identitären“ betriebenen) rechtsextremen
Regionalpartei Ligue du Sud vor.
Am 29.
August knickte Madame Bompard jedoch ein, nachdem
Strafverfahren infolge ihres offenen Gesetzesbruchs in
Aussicht gestellt worden waren. Nunmehr wird eine
Beisitzerin von ihr den Eheschluss zelebrieren. Selbst
der FN-Vizepräsident Florian Philippot – in Fragen der
Homo-Ehe vertritt er den vergleichsweise moderaten
Flügel innerhalb seiner Partei – hatte ihr Verhalten
kritisierte. Er postulierte, wenn das Gesetz nun einmal
beschlossen sei, müsse man sich als Stadtoberhaupt auch
daran halten.
Editorische Hinweise
Wir
erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.
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