Max Brym:
Sehr geehrter Herr Osmani, Sie sind ein aktiver
Gewerkschafter in der Schweiz. Welche Funktion bekleiden
Sie in der Gewerkschaft UNIA. Was sind die
Arbeitsschwerpunkte für einen albanischen
Gewerkschafter aus Kosova in der Schweiz?
Osman Osmani: Mein
Funktion. Ich bin als politischer
Gewerkschaftssekretär in Bereich Migration, Abteilung
Vertrags- und Interessengruppenpolitik in das
Zentralsekretariat. In Bereich Migration der
Gewerkschaft Unia bin ich auf nationale Ebene
verantwortlich für die Arbeitnehmenden aus Westbalkan
(Südosteuropa)
Meine Aufgaben und
Verantwortlichkeiten sind wie folgend:
- Politische Mitarbeit
in Bereich Migration und allgemeinen in der
Migrations- und Integrationspolitik der Unia;
- Sicherstellung aller
verschiedensprachigen „Horizonte“- Ausgaben. Die
Zeitung „Horizonte“ berichtet über gewerkschaftliche
Aktivitäten und beinhaltet nützliche Informationen
über die Heimat der Migrantinnen und Migranten. Zudem
informiert Horizonte über die Migrationspolitik in der
Schweiz. Verantwortlicher Redaktor der
albanischsprachigen Ausgabe von der Zeitung
„Horizonte“;
- Politische Mitarbeit
in VIP (Vertrags- und Interessengruppenpolitik) in der
Unia;
- Politische Aktivitäten
mit MigrantInnen aus Westbalkan und deren
Herkunftsländern (z.B. bilaterale Abkommen, Schengen,
etc.)
- Verantwortlich für die
Durchführung der Unia- Kurse für albanisch sprechende
Aktivistinnen, auf nationaler, regionaler und
sektionaler Ebene;
- Koordination der
zentralen Aktivitäten mit der Unia- Funktionären aus
Westbalkan;
- Beratung der Gremien
der Unia bei spezifischen Fragen bezüglich Westbalkan;
- Vernetzung, Austausch
und Zusammenarbeit mit Gewerkschaften der
Herkunftsländer, usw.
Max Brym:
Es gibt in Kosova eine ziemlich große Aufregung
bezüglich der Kündigung des Sozialversicherungsabkommens
Schweiz - Kosova. Was ist da passiert? Wie reagiert die
kosovarische Regierung.
Osman Osmani: Am
24.09.2009 reichte die Fraktion der Schweizerischen
Volkspartei im Nationalrat eine Motion ein mit dem
Auftrag, die bestehenden Sozialversicherungsabkommen mit
den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens sowie
mit der Türkei aufzukündigen, respektive nicht neu
auszuhandeln. Als Begründung wurde die überproportional
hohe Invalidenquote der Menschen mit
Migrationshintergrund aus diesen Ländern im Vergleich zu
den Einheimischen genannt. Aus diesem Grund wird die
Nichtanwendung der zwischenstaatlichen
Sozialversicherungsabkommen in Bezug auf Kosova als eine
politisch motivierte Handlung empfunden.
Was dabei vergessen geht ist, dass die Staatsangehörigen
mit Migrationshintergrund aus den Westbalkanländern (vor
allem Einwanderer erster Generation) deutlich schlechter
ausgebildet sind und dementsprechend häufiger manuelle
und körperlich belastende Berufe ausüben. Sie arbeiten
vor allem in Branchen mit hohem Invalidenrisiko. Die
Lebenserwartung der Menschen in diesen Branchen ist
deutlich tiefer im Vergleich zu anderen Branchen und
somit auch der Zeitraum des Leistungsbezuges der
Sozialversicherungen.
Eine Studie des Genfer
Arbeitsinspektorates, die zwischen 1970 und 1992 über
5000 Männer untersuchte, hat ergeben dass 762 von ihnen
vor ihren 65. Geburtstag verstarben und 645 eine volle
IV-Rente erhielten. Dabei gab es erhebliche Unterschiede
zwischen den sozialen Schichten. Während nur zwei
Prozent der freien und akademischen Berufe zu einer
Invalidität führten, waren es bei den manuell Tätigen
20% bei den Qualifizierten 25% und bei den Ungelernten
31% bis 40% (Hilfsarbeiter 31%, Bauarbeiter 40%).
Dasselbe Bild ergab sich bei der Lebenserwartung, die
bei den Akademikern mit 70,6% Jahren um 4,4 Jahre höher
war, als bei den Ungelernten. Das heißt, dass dieser
soziale Unterschied noch größer ist als jener zwischen
den Geschlechtern (gesamtschweizerisch längere
Lebenserwartung der Frauen von 4,2 Jahren). Diese
Ungleichheit ist wenigstens im Bauhauptgewerbe
ausgeglichen worden. Nach langem Kampf der Bauarbeiter
mit der Gewerkschaft GBI konnte ab dem 01.07.2003 der
sogenannte FAR (Frühzeitige Altersrücktritt) erreicht
werden. Die Bauarbeiter können somit seit dem 01. Juli
2003 ab Vollendung des 60. Altersjahres bis zum
Erreichen des ordentlichen AHV- Alters eine
Überbrückungsrente erhalten. Solche Ungleichheiten
bleiben für viele andere Branchen mit hohem
Invalidenrisiko und dazugehöriger tieferer
Lebenserwartung jedoch ungerechtfertigt weiterhin
bestehen.
Die angekündigte
Botschaft:
Die schon lange angekündigte Botschaft wird am 29 Januar
2010 vom BSV bekannt gegeben. Das mit dem früheren
Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen
wird ab 1. April 2010 im Verhältnis zu den Kosova nicht
weiter angewendet. Die Rechtsstellung der
Staatsangehörigen aus den Kosova wird nun einzig nach
den schweizerischen Sozialversicherungsgesetzen
bestimmt.
Die vollen Leistungen der Sozialversicherungen werden
nur noch bei Wohnsitz und Aufenthalt in der Schweiz
erbracht.
Diese Gruppe umfasst die Bürger/innen von Staaten, mit
welchen die Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen
geschlossen hat. Dazu gehören etwa 10 Prozent der in der
Schweiz lebenden Ausländer, wie z.B. Tamilen und
Tamilinnen, Russen und Russinnen. Unverändert bleibt die
Möglichkeit für Staatsangehörige aus dem Kosova für die
Auszahlung der Freizügigkeitsleistung der beruflichen
Vorsorge, wenn Sie endgültig die Schweiz verlassen. Ab
dem 01.04.2010 erlischt der Anspruch auf Familienzulagen
für Kinder mit Aufenthalt ausserhalb der Schweiz.
Die Entscheidung der Schweiz für Nichtweiteranwendung
des Sozialversicherungsabkommen mit dem früheren
Jugoslawien im Verhältnis zum Kosova ist zweifellos ein
eiliger Schritt mit schwerwiegenden Folgen für
Staatsangehörige aus dem Kosova.
Durch das Auslaufen des Abkommens werden vor allem die
Beziehungen zwischen den in der Schweiz wohnenden
Staatsangehörigen Kosovas und der Schweiz schwer
belastet.
Eine ungeschützte Bevölkerungsgruppe in der Schweiz,
ohne starke Lobby wurde als Beispiel angewendet damit in
den Sozialversicherungsabkommen mit den anderen
Westbalkanstaaten die Betrugsbekämpfungsklausel
integriert werden kann. Die Verhandlungen zum Abschluss
eines neuen Abkommens mit Serbien, Montenegro sowie
Bosnien und Herzegowina ist bereits abgeschlossen. In
alle Abkommen wurde wahrscheinlich eine
Betrugsbekämpfungsklausel integriert.
Die Gewerkschaft Unia hat den Entscheid des Bundesrates,
keine neuen IV-Renten in den Kosovo auszubezahlen
kritisiert. Mit der Aufkündigung des
Sozialversicherungsabkommens wurden auch keine
Altersrenten mehr in den Kosovo ausbezahlt. Die
Arbeitnehmenden, welche in der Schweiz zum Teil über
Jahre Beiträge bezahlt hatten, hätten bloss die von
ihnen eingebrachten Beiträge zurückerhalten. Zudem
wurden seit Beendigung des Abkommens auch keine
Familienzulagen für Kinder, welche im Kosovo leben, mehr
bezahlt.
Die Unia hat zusammen mit
weiteren Organisationen mehrere tausend Unterschriften
für eine entsprechende Petition an den Bundesrat
gesammelt, welche im Anfang Mai 2010 eingereicht wurde.
Ende Mai 2010 weilte eine durch die Unia geleitete
Delegation für lösungsorientierte Gespräche vor Ort und
engagiert sich aktiv und Lösungsorientiert zur Aufnahme
der Verhandlungen für ein neues Abkommen über Soziale
Sicherheit zwischen der Schweiz und Kosovo.
Die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden
beider Staaten hat sich in Vergangenheit als sehr
schwierig erwiesen. Die Schweiz hat mehrere Jahrzehnte
gebraucht, um ein funktionierendes
Sozialversicherungssystem durch Inkrafttreten der AHVG
1948 einzurichten. Kosova ist erst seit etwas über fünf
Jahren als eigenständiger Staat anerkannt. Diese kurze
Zeit zeichnete sich durch unklare Machtverhältnissen
aus. Die Schweiz hatte somit unangemessen hohe
Erwartungen in Bezug auf die Umsetzung des Abkommens
sowie in Bezug auf die Einrichtung eines
funktionierenden Sozialversicherungssystems in den
Kosova. Die Schweiz hat, als eines der ersten Länder,
Kosova als eigenständigen Staat anerkannt und sollte
dementsprechend auch mehr Respekt und Verständnis zeigen
gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern des Kosova.
Angesichts der Tatsache, dass die Verhandlungen auch mit
Serbien und Montenegro abgeschlossen sind, nimmt der
Bundesrat eine klar diskriminierende Haltung gegenüber
den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus den Kosova
ein. Dies, obwohl sich die Kosovarinnen und Kosovaren in
der schweizerischen Gesellschaft ebenso engagieren, wie
alle andere Bewohner/-innen der Schweiz.
Pure Diskriminierung: Die
Ungleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger aus dem
Kosova mit Wohnsitz in der Schweiz ist diskriminierend
und steht im Widerspruch zu den erklärten Zielen der
Schweiz durch das Bundesamt für Migration und der
Direktion für die Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)
im Kosova. Diese sprechen von einer Stärkung der
kosovarischen Migrationsbehörden, von sozialen Diensten
für diese Bevölkerungsgruppe, welche unter hohem
Migrationsdruck stehe, von der Wichtigkeit der
Diasporabeziehungen zwischen der Schweiz und dem Kosova
usw. Die einseitige und diskriminierende Sistierung der
zwischenstaatlichen SVA seitens des Bundesrats – auch
wenn aufgrund der Vernachlässigung durch die Behörden
der Republik Kosova - belasten zusätzlich die Soziale
Situation der Familien der von betroffenen
Arbeitsemigranaten in Kosova, die nicht dafür bestrafft
werden sollen.
Angesichts der erwähnten, diskriminierenden
Auswirkungen, die durch die Nichtweiteranwendung des
Abkommen für mehrere zehntausend Familien kosovarischen
Hintergrundes in der Schweiz entstehen, sind vernünftige
Stimmen der entsprechenden Ministerien für Arbeit und
Soziale Wohlfahrt der Regierung im Kosova und des
Bundesrates in der Schweiz dringend nötig. Durch eine
Entscheidung der Schweiz für die Weiteranwendung des
Sozialversicherungsabkommens mit dem früheren
Jugoslawien im Verhältnis zum Kosova mit der
gleichzeitigen Aufnahme der Verhandlungen für ein neues
Sozialversicherungsabkommens können schwerwiegende
Folgen vermieden werden. Dies ist ein wichtiger und
entscheidender Schritt in die richtige Richtung zur
Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens. Als
Zusatzklausel in der Weiteranwendung des alten
Sozialversicherungsabkommens sollte dessen Umsetzung
durch die Regierung des Kosovas garantiert werden. Auch
die Möglichkeit für zusätzliche Abklärungen und
Kontrollen vor Ort kann und muss in Zusatzklausel
bestimmt werden. Auf diese Weise kann die fünfte
IV-Revision der Schweiz, auch in Bezug auf den Kosova
vollständig und gerecht umgesetzt werden.
Den ehemaligen AHV Beitragszahlenden mit jetzigem
Wohnsitz im Kosova ist anzuraten, mit der Rückvergütung
der AHV Beiträge abzuwarten, es sei denn der
Versicherungsfall sei eingetreten oder trete demnächst
ein. Denn mit der Rückvergütung der AHV Beiträge
verzichten die Staatsangehörigen des Kosovas auf alle
anderen möglichen Leistungen der AHV/IV. Durch einen
hoffentlich baldigen Abschluss des
Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und
Kosova können wieder exportierbare Renten möglich
werden.
Bundesverwaltungsgericht
entscheidet in allen (dutzenden)
Fällen zu Gunsten kosovarischer Staatsangehöriger:
Laut den Gerichtsentscheiden ist das
entsprechende Sozialversicherungsabkommen auch weiterhin
in Kraft und Gesuche für eine IV-Rente müssen von der
IV-Stelle für ausländische Versicherte (IVSTA) geprüft
werden. Dies gilt insbesondere für neue Gesuche,
Rentenrevisionen, Revisionsgesuche und nach einer
Rückweisung durch das Bundesverwaltungsgericht wieder
aufzunehmende Verfahren.
Regierungen beider Länder sind aufgefordert, die
Situation zu überdenken: Der
Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts verlangt von der
Schweizer Regierung, sich zur Aufnahme von Verhandlungen
mit der kosovarischen Seite über ein neues Abkommen
bereit zu zeigen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
muss neue Kreisschreiben erlassen, an die sich die
Sozialversicherungen in ihrer Arbeit bis zum Entscheid
über die Weiterführung des Abkommens halten können.
Die kosovarische Seite muss die vom Kosovarischen
Parlament am 16. 09. 2010 gutgeheissenen Empfehlungen
erfüllen, um auf diese Weise die notwendigen
Voraussetzungen für den Beginn von Verhandlungen zu
schaffen, und sie muss von der Schweizer Seite die
Aufnahme von Verhandlungen für ein neues
Sozialversicherungsabkommen verlangen.
Das Bundesamtsamt für Sozialversicherung akzeptierte das
nicht. Das Amt zog den Fall ans Bundesgericht weiter -
und blitzte ab. Die Bundesrichter sahen in September
2011 keinen Anlass, sich mit dem Fall überhaupt zu
befassen. Demzufolge ist das Bundesverwaltungsgericht
auch in duzenden von Urteilsfällen der Ansicht, sein
Urteil sei rechtskräftig und weist nun in einem
neuerlichen Entscheid das Bundesamt kurz und knapp an,
den Leitentscheid von Jahr 2011 umzusetzen. Der
Bundesamt für Sozialversicherungen wartete lange auf
eine „idealen“ Fall, den sich Schlussendlich vor das
Bundesgericht brachten.
Das Bundesgericht zementiert die Diskriminierung:
Das Bundesgericht hat im Juli 2013
veröffentlichten Urteil vom 19. Juni 2013 (9C_662/2012)
die Anwendbarkeit des zwischen der Schweiz und dem
ehemaligen Jugoslawien abgeschlossenen
Sozialversicherungsabkommens auf kosovarische
Staatsangehörige ab 1. April 2010 verneint. Damit
zementiert das oberste Gericht einen Missstand, unter
dem Tausende von Arbeitnehmenden, die aus der Schweiz in
den Kosova zurückgewandert sind, leiden: Seit März 2010
erhalten sie keine AHV- oder IV-Renten mehr, auch wenn
sie in der Schweiz jahrzehntelang Beiträge gezahlt
haben. Auch Kinderzulagen für Kinder die in Kosova
leben, werden nicht mehr bezahlt.
Die Rückkehrenden kosovarische Bürger haben damit
gerechnet, dass wenn sie ihre Rentenalter erreichen,
werden sie ihre mit viel Arbeit und Fleiss wohlverdiente
Altersrente auch bekommen, ansonsten hätten sie sich
anderes überlegt und hätten sie den Wohnsitz in der
Schweiz behalten. Diese wird ihnen nun verwehrt. . Noch
stossender ist der Fall von Witwen, die im Kosovo leben
und beim Tod ihres Ehemanns keine Rente bekommen und
somit auch kein Einkommen mehr haben! Sie werden doppelt
bestrafft, da sie viele Jahre ohne Ehemänner leben
müssten und jetzt auch ohne Rente…Schlussendlich haben
die Migrationsbehörden, andere Institutionen und viele
Politiker der Schweiz die Rückkehr stark propagiert und
gefördert.
Berufend auf den aktuellen Entscheid haben die Medien in
der Schweiz die Möglichkeit für die betroffene
kosovarische Bürger, die in ihre Heimat zurückgekehrt
sind, ihre AHV/IV-Beiträge ausbezahlen zu lasen sehr
stark betont. In einem solchen Fall verlieren die
betroffenen kosovarische Bürger jedes Recht auf eine
Rente und dazugehörende Leistungen für immer.
Dies erweckt unausweichlich den Eindruck, dass die
zuständigen Behörden die betroffene kosovarische
Beitragzahler für immer loswerden wollen.
Die zuständigen Institutionen beider Staaten habe die
Aufgabe die betroffene Beitragzahler aus und in Kosova
richtig und kompetent über die Folgen aufgrund den neu
entstehenden Situation zu informieren.
Es wird erwartet, dass ein neues
Sozialversicherungsabkommen zwischen Schweiz und Kosova
geben kann, daher gibt es kein Grund und kein Motivation
die AHV/IV-Beitrage ausbezahlen zu lasen. Nicht zu letzt
auch den Spekulanten und Betrüger die mit alle Mitteln
versuchen von den betroffenen Beitragzahler für diese
„Dienstleistung“ zwischen 5-20 % der ausbezahlten
AHV/IV-Beiträgen abzuzocken.
Die Indifferenz und Unverantwortlichkeit der
kosovarische Behörden: Die
kosovarische Behörden tragen grosse Schuld weil sie von
Anfang an – ausser einigen formellen Schritten aufgrund
unseren (Gewerkschaften) Intervention - untätig
geblieben sind.
Die Unia mit Ihren Partnern
(u .a. mit CH-Parlamentarier Ueli Leuenberger,
Gewerkschaft SIT, etc.) arbeitete darum (in
Zusammenarbeit mit Parlamentariern, Gewerkschaften und
NGO’s in Kosova) intensiv darauf hin, dass im Kosova die
Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass bald ein
Vertragsabschluss mit der Schweiz möglich wird. Diese
Aktivitäten der Unia und ihrer Partner vor Ort haben im
Kosova bereits viel in Bewegung gebracht. Ihnen und der
entsprechenden öffentlichen Aufmerksamkeit ist es zu
verdanken, dass das kosovarische Parlament am 16.
September 2010 Premierminister H. Thaçi einstimmig dazu
aufforderte, alles Nötige zu unternehmen, um
Neuverhandlungen für das Sozialversicherungsabkommen
zwischen Kosova und der Schweiz einzuleiten.
Wegweisender Entscheid des kosovarische Parlaments:
Konkret musste die Regierung Kosovas nun:
- Eine interministeriale
Gruppe bilden, die sich mit Abkommensfrage befasst;
- dem Parlament mit
höchster Priorität die nötigen Gesetzesvorlagen
unterbreiten, die für ein Sozialversicherungsabkommen
zwischen Kosova und der Schweiz Voraussetzung sind
(Gesetze über Renten-, Invaliden-, und
Krankenversicherung, resp. Ihre Harmonisierung);
- alle nötigen
Regelungen schaffen, welche den Export der
Sozialversicherungsleistungen erlauben;
- den schweizerischen
Behörden die nötigen Garantien und volle Transparenz
in Bezug auf im Kosova wohnhafte Leistungsbezüger
zusichern (Bereitstellung der Zivilregister,
Kontrollmechanismen, die eine Renten-Missbrauch
verhindern);
- ein Regierungstreffen
zwecks Aufnahme von Verhandlungen und Vereinbarung
einer praktikablen Zwischenlösung anstreben.
Anstatt, dass die zuständige
Behörden Kosovas sich darum bemühen die nötigen
Voraussetzungen zu schaffen und auch um die Rechte Ihrer
Bürger kümmern, haben bei jedem Gelegenheitstreffen mit
Schweizerbehörden das Thema fast nicht angesprochen,
sondern immer wieder zurückschreckend und schamlos sich
bei den Schweizerkollegen bedankt.
Nach dem letzten Bundesgerichtentscheid behauptete der
zuständige kosovarische Wohlstandsminister Nenad Rasic,
dass das Problem betr. Sozialversicherungsabkommen mit
der Schweiz im Jahr 2014 endgültig gelöst wird. Für
diese fast 4 Jahren, haben die Behörden Kosovas nichts
gemacht und ist grossen Teils ihre Schuld dass das
Sozialversicherungsabkommen in Bezug auf Kosova kein
Anwendung fand und jetzt von einmal ohne einen
offiziellen Treffen diesbezüglich zu haben, wollen sie
von einmal das Problem losen?! Die Verhandlungen für
neue Sozialversicherungsabkommen mit anderen
Nachfolgerstaaten ehemaligen Jugoslawien dauerten
mindestens 2-3 Jahren. Anstatt lehre Versprechungen
konfusen Erklärungen, sollten die kosovarische Behörden
handeln und mindestens ihre Bürger Ordnungsgemäss und
kompetent über die neuentstehende Situation mitten zu
Verfügung stehende Medien informieren.
Viele Kosova-Albaner erster
Generation, haben seit einem Halbjahrhundert mit ihrer
harten Arbeit nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag an
die Schweizer Wirtschaft, sondern auch an die Schweizer
Sozialwerke geleistet! Sie haben gleichzeitig auch ihre
Familienmitglieder und Verwandte in Heimat unterstützt,
und nicht nur diese, sondern auch alle andere Menschen,
resp. auch den Herkunftsgesellschaft und -land
vielseitig unterstützt.
Die staatsangehörige Kosovas, die einmal in der Schweiz
gearbeitet haben und wieder im Kosovo leben, oder leben
wollen, können seither keine Renten mehr im
Herkunftsland Kosova beziehen.
Viel von ihnen sehen sich
aus diesem Grund gezwungen, ihren Lebensabend in der
Schweiz zu verbringt, obwohl sie gern das Rentenalter in
dem Herkunftsland verbracht hätten. Die Rückkehr ins
Herkunftsland hätte aber nicht nur die Kassen der
Sozialhilfe und der Ergänzungsleistungen entlastet,
sondern auch das Schweizer Gesundheitssystem.
Dazu kommt noch ein zusätzliches Problem der mit der
Verschärfungspolitik der Migrations- und
Ausländergesetzgebung. Die ständige Drohung, denen
Drittstaatsangehörige (vor allem Kosova-Albaner)
ausgesetzt sind, die Schweiz verlassen zu müssen, macht
sie zudem wirtschaftlich ausbeutbar. Wer Angst hat, dass
die Aufenthaltsbewilligung nicht erneuert wird, weil
er/sie Teilinvalide ist, oder - aus welchen Grund auch
immer - keine Arbeit hat, wird bereit sein, jede Arbeit
zu jedem Lohn anzunehmen. Das führt unter anderen zu
noch mehr Lohndumping und zu einer Präkarisierung der
Arbeit. Wenn sie die Schweiz verlasen müssen oder
aufgrund zwischenstaatlichen Rückkehrabkommen
ausgeschafft werden, womit endgültig auch das Wohnsitz
in der Schweiz verlieren, dann können sie – mangelndes
Sozialversicherungsabkommen - die Pensionsgelder in
Kosova nicht exportieren und verlieren sie für immer
ihren Rentenansprüchen.
Diese Situation und
Entwicklung ist ungerecht und nicht akzeptabel. In der
Schweiz zahlen alle Arbeitnehmenden
Sozialversicherungsbeiträge. Umgekehrt muss auch das
Recht auf soziale Sicherheit für alle gleichermassen
Gültigkeit haben. Die Unia fordert darum den Bundesrat
auf, nun endlich eine faire Lösung dieses Problems an
die Hand zu nehmen und mit der Republik Kosovo
unverzüglich ein neues Sozialversicherungsabkommen
auszuhandeln.
Die Behörden Kosovas freuen
sich über die vielseitigen und Jahrzehntlangen
Hilfeleistungen kosovarischer Diaspora, aber wenn es
darum geht die Interessen der Landsleute in verschiedene
Länder wahrzunehmen und zu vertreten, dann wollen sie
davon nicht wissen.
Anscheinend haben die Behörden und der Regierung Kosovas
vergessen, dass die kosova-albanische Arbeitsemigranten
auch die Hauptverantwortung hätten für: Hausbau für
Brüder (nebst eigenem Hausbau); Hochzeit und Hausrat für
unverheiratete Geschwistern; gemeinsame Anschaffungen
für die Landwirtschaft (Traktor, Maschinen, Land), oder
ein kleines Geschäft; Finanzierung einer teuren
Operation im Ausland, usw. Nicht selten finanzierten sie
auch den Bau einer Dorfstrasse, eines Schulhauses, einer
Wasserleitung und einer Kanalisation, usw. mit. Wichtig
zu erwähnen ist, dass sie auch die eigenen – durch
serbische Apartheid-Regimes erzwungene -
Parallelstrukturen der Kosova-AlbanerInnen während fast
zehn Jahren grosszügig mitfinanzierten, und
anschliessend auch den weltweit bekannten Verteidigungs-
und Befreiungskampf der Jahre 1998/99 in Kosova, nicht
nur finanziell, sondern auch personell zu unterstützten.
Um so schlecht sie
unterschreiben die Behörden und der Regierung Kosovas
jene Abkommen – wie die über polizeiliche Zusammenarbeit
und das Rückkehrabkommen - mit der Schweiz und andere
EU-Länder ohne die Interessen der Landsleute zu
berücksichtigen.
Max Brym:
Wie sehen Sie die momentane ökonomische
Entwicklung in Kosova?
Osman Osmani: Die
wirtschaftliche Lage ist leider nach wie vor sehr
schwierig. Über die ökonomische Situation in Kosova ist
die Redaktion von Kosova-Aktuell bestens ins Bilde, da
sie auch regelmässig darüber kritisch und konstruktiv
berichtet. Die Redaktion von Kosova-Aktuell spricht
meiner Meinung nach Klartext zur aktuellen Lage in
Kosova, die in deutschen und andere westeuropäische
Leitmedien verschwiegen wird.
Stagnierende ökonomische Entwicklung in Kosova:
Aber kommen wir zurück zu Ihre Frage: Die
wirtschaftliche Situation in Kosovo hat sich auch in
letztem Jahr verschlechtert. Mehr als die Hälfte der
Bevölkerung ist arbeitslos. So ist das
Wirtschaftswachstum im Jahr von 5% auf 3.8%
zurückgegangen. Die Arbeitslosigkeit und die Armut als
nachlaufende Indikatoren werden steigen. Laut
Statistikamt Kosovas leben rund 12% der Bevölkerung nur
mit einem Euro pro Tag.
Berat Rukiqi von der kosovarischen Wirtschaftskammer
sagte letztes Jahr für Radio Freies Europa, das
Wirtschaftswachstum in Höhe von 3.8% ist für Kosova
unzureichend. Kosova braucht mindestens das Doppelte,
damit Arbeitslosigkeit und Armut sinken. Diese
Indikatoren beschreiben sehr gut die Lage der
kosovarischen Wirtschaft, sagt Rukiqi. “Ein
Wirtschaftswachstum von 3.8% kann die Arbeitslosigkeit
in Kosova nicht senken. Zudem erschweren der Rückgang
der direkten Geldleistungen und der ausländischen
Investitionen die ohnehin schon schlechte
Wirtschaftslage”.
Auch die kosovarische Zentralbank melde letztes Jahr
einen Rückgang der Exporte um 24.4%, der direkten
Geldüberweisungen um 4.8%, sowie der direkten
ausländischen Investitionen um 27.6%.
Laut Angaben der Weltbank in letzten Jahr lag die Armut
in Kosova bei 39%. Rund ein Drittel leben an der
absoluten Armutsgrenze mit nur 1.55 Euro pro Tag, 12%
leben sogar mit 1.02 Euro pro Tag unter der
Armutsgrenze.
Die Arbeitslosigkeit liegt gemäss kosovarischen
Statistikamt bei 48%. In Kosova leben 1.8 Millionen
Menschen, 75% davon sind im Alter von unter 35.
Sozialfremdes Regierung Kosovas:
Die Situation allgemein ist alarmierend. Der Regierung
verfügt über kein Konzept die Armut zu bekämpfen und die
Sozialhilfe wird von der Regierung als Barmherzigkeit
behandelt und nicht als kollektive Verantwortung
wahrgenommen.
Die Gesetzgebung spiegelt nicht die Bedürfnisse der
Gesellschaft, sondern ist weitgehend andere Staaten
kopiert / übersetzt. In land fehlen weiterhin die
Systeme der sozialen Sicherheit (SV)/ Gesundheit (KKV)/
Arbeitslosigkeit (ALV), usw.
Die Finanzpolitik ist unsozial, da 90% des Budgets den
ärmeren und mittleren Schichten der Gesellschaft
belastet wird.
Auch die einseitige und diskriminierende Sistierung der
zwischenstaatlichen SVA seitens des Bundesrats aufgrund
auch der Vernachlässigung durch die Behörden der
Republik Kosova belasten zusätzlich die Soziale
Situation in Kosova.
Politiker werden übereilt Millionäre – die Armut
steigt rasant: Während
politische Machthaber grösstenteils zu Millionären
werden, leidet zirka 30 Prozent der Bevölkerung unter
starker Armut. Die Arbeitslosigkeit wird weit über 40
Prozent geschätzt. Besorgniserregend ist vor allem die
Zahl der jungen und gut ausgebildeten Arbeitslosen.
Verantwortlich für diese aussichtslose und enttäuschende
politische, ökonomische und soziale Lage sind nicht zu
letzt auch der EU und allgemein die internationale
Überwachungsmacht und in Kosova operierende
internationale staatliche und tausende nichtstaatliche
(„einheimische“) Organisationen.
Es werden durch Machthaber der EU und „internationalen
Gemeinschaft“ Standards und Kriterien gegenüber
einheimischen Vorgehensweisen und Funktionalität
angewendet die in eigene und in den EU Länder nicht
gelten: Die Handlugen der EU Mission werden sehr oft mit
negativen Vorurteilen gegenüber das Land und den dort
lebenden Menschen begleitet..
Das Sicherheitsproblem in Region und die geopolitische
und geostrategische Interessen der Machthaber werden in
den Vordergrund gestellt, dagegen soll mit der
politischen Transformation des Landes sowie der
Demokratieförderung gewartet werden. Die EU-Machthaber
und viele wichtige politische Parteien in EU und in
Westen allgemein blenden aus und verschwiegen die
Realität in Kosova und Region.
Obwohl Kosova qualifizierte Akademiker vorzuweisen hat,
bleiben ihnen die durch Vetternwirtschaft und
Klientelismus besetzten wichtigen öffentlichen
Positionen vorenthalten.
Der Wissens- und Erfahrungstransfer der Diaspora wird
kaum gefördert: Kosova ist
weiterhin auf die Hilfe von Aussen und der im Ausland
lebenden Kosova-Albaner angewiesen. Kosova bleibt
politisch und wirtschaftlich weiterhin abhängig und ohne
faktischen Fortschritt.
Kosova, das über gute Rohstoff-Reserven verfügt, könnte
seine Industrie wiederbeleben, zum Beispiel die Bergmine
Trepça und anderen Minen Kosovas wieder in Betrieb
nehmen und neue Arbeitsplätze schaffen. Doch über das
Schicksal des Bergbaus wird schon seit der
Nachkriegszeit heftig spekuliert. Obwohl Kosova starkes
Potenzial in der Landwirtschaft aufweist, werden
Lebensmittel vorwiegend aus dem Region und Ausland
importiert. Zudem bleiben auch seriöse ausländische
Investoren dem Land fern. Einerseits stellt die
politische Lage – insbesondere die instabile Situation
im Norden – eine Unsicherheit dar. Andererseits machen
Korruption, das Fehlen eines Rechtsstaats sowie die
verwirrten Entwicklungen im Land die Investoren
unsicher.
Die Mehrheit der im Ausland ausgebildeten Kräfte und
Fachleuten verschiedener Bereichen sind zu politischen
Aussenseitern geworden. Ihre an ausländischen
Institutionen, Universitäten, Organisationen und
Unternehmungen erworbenen Kenntnisse können sie
grösstenteils nicht zum Nutzen des eigenen Landes
einbringen und weitergeben. Sie könnten einen
unvergleichbaren Beitrag zu Rechtsstaatlichkeit,
Verwaltungs-, Bildungs- und Gesundheitsreformen und
Investitionsmöglichkeiten. Dadurch könnte die
Arbeitslosigkeit verringern werden und insbesondere den
jungen Menschen in Kosova eine Zukunftsperspektive
bieten. Kosova wie auch Albanien hat bekanntlich eine
der jüngsten Bevölkerung in Europa. Sie stellen ein
grosses Potenzials dar uns sind für die Mehrsprachigkeit
und ihrer Offenheit für Neues bekannt.
Weder die zuständige Institutionen der Länder wo die
kosovarische Diaspora ansässig ist (Schweiz,
Deutschland, usw.) noch die von der Heimatlandes tragen
diesem wichtigem Aspekt sorge. In Gegenteil, sie werden
weiterhin ganz ignoriert, was die
Entwicklungszusammenarbeit zu einem Schwindel macht.
In Bezug auf die Entwicklung der Gesellschaft ist die
Einbeziehung professioneller Fachkräfte von materieller
Bedeutung. Ohne deren Einbindung kann Kosova dauerhaft
keine politisch-wirtschaftliche Fortschritte erzielen
oder Reformen zustande bringen. Auch aussenpolitisch
stellt die Diaspora wahre Potentiale und Ressourcen dar.
Sie kann die Vertreterrolle des Heimatlandes mit
bedeutender Professionalität wahrnehmen und neue Impulse
wahrmachen.
Max Brym: Welche
Aufgaben und welche objektiven und subjektive Probleme
hat die Gewerkschaftsbewegung in Kosova? Osman Osmani:
Kosova verfügt leider über geerbte
Gewerkschaftsstrukturen und -Organe, die den neuen
Situationen und der aktuellen Aufgaben, faktisch nicht
gewachsen ist.
Die geerbten Gewerkschaften galten bis Anfangs 90’er
Jahren, in dem sogenannten sozialistischen System, als
Bestandsteile (Zweige) des Parteiapparate s. Sie wurden
weder reformiert noch den neune veränderten systemischen
Gegebenheiten angepasst. Sie verstanden sich und leider
auch heutzutage verstehen sich von eigenen
Funktionsträgern als Behörde und nicht als
Arbeitnehmerorganisation die für dessen
Interessenvertretung stehen und kämpfen soll.
Osman Osmani: Die
Gewerkschaften Kosovas befinden sich in eine ernsthafte
Krise: abnehmende Mitgliederzahlen, schlechte
Verankerung vor allem im privaten Bereich, schlechte
Verankerung in den Regionen, gewerkschaftliche
Zersplitterung, Abhängigkeit von politischen Parteien,
Einbindung in den Privatisierungsprozess.
Nötig wäre, wie auch der Gewerkschaftshistoriker und
-reformer aus der Schweiz, Hans Schäppi empfehlt; ein
ausformuliertes gewerkschaftliches Projekt mit klaren
Zielen auszuarbeiten: Überwindung der gewerkschaftlichen
Zersplitterung, interprofessioneller und
überbetrieblicher Aufbau, Verankerung in den Regionen,
Organisierung von Gewerkschaftswüsten, Erhöhung der
Mobilisierungsfähigkeit, politische Unabhängigkeit,
verstärkte Zusammenarbeit mit Gewerkschaften
Südosteuropas und Europas.
Ausgangspunkt zur Verwirklichung wäre wohl eine
Kooperation fortschrittlicher, reformwilliger
Einzelgewerkschaften. Eine Gesamtreform „von oben“, d.h.
über den Dachverband und alle angeschlossenen
Gewerkschaften war, auch in der Schweiz, eine Illusion.
Max Brym & Hans Schäppi:
Aktuelle Situation und mögliche Perspektiven?
Osman Osmani: In meiner
Funktion als Gewerkschaftssekretär sehe ich das
Engagement, Vernetzung und Zusammenarbeit mit
Gewerkschaften des Herkunftslandes und -Gesellschaft
verstehe als eine meiner wichtigen Aufgaben. In diese
Zusammenhang setzen wir (ich zusammen mit anderen
schweizerischen und albanischen Gewerkschaftskollegen
wie, Hilmi Gashi, Hans Schäppi und Ruzhdi Ibrahimi) uns
ein allgemein für die soziale Gerechtigkeit in Kosova
und speziell für die Stärkung der Gewerkschaften und der
Arbeiterbewegung in Kosova. Die folgenden Ausführungen
sind aus unseren Diskussionen über den möglichen Beitrag
in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern vor Ort.
Die untenstehende Problemsaufzählung und mögliche
Handlungsansätze sind grossenteils ein Beitrag von
Kollege Hilmi Gashi, der in meinen jetzigen Funktion in
der Unia von 2005 bis 2010 ausgeübt hat und aktuell als
CO- Leiter der Unia Berner Oberland tätig ist:
1. Unabhängigkeit der Gewerkschaften Kosovas
Die Gewerkschaften im ehemaligen Jugoslawien und
insbesondere in Kosova haben keinen einfachen Stand,
weil sie einerseits die Interessen der Mitglieder
vertreten sollten, ohne den sozialen Frieden zu stören.
Mann will Frieden, um die Investoren nicht abzuschrecken
oder wichtige Gesellschaftliche Interessen wie die
Integration in der EU oder in der Nato voran zu
hintertreiben. Diese Situation kann verändert werden nur
wenn die Gewerkschaften verkünden, dass sie nicht mehr
alleine aus patriotischen Gründen auf ihre elementarsten
Rechte verzichten wollen. Hierfür wäre im ersten Schritt
eine totale Abkehr von der Politik der Geduld hin zu
einer aktiven Politik der sozialen Gerechtigkeit.
2. Privatisierung und die Glaubwürdigkeit der
Gewerkschaften
Die Gewerkschaften in Kosova sind im
Privatisierungsprozess durch den Präsidenten des
Dachverbandes (BSPK) eingebunden. Sie spielen dort eine
eher marginale Rolle. Konzessionen die sie erzielen
können sind eher klein. Beispielsweise die 20 Prozent
der Verkaufsumme sollten an ehemalige Mitarbeiter/innen
fliessen. Das geschieht selten und es dauert unter
Umständen Jahre. Oder die Verpflichtung einen Teil der
Belegschaft zu übernehmen und ihnen anständige Löhne zu
bezahlen. Leider auch ein Alibi. Wenn ein Betrieb
privatisiert wird und alle Mitarbeiter die Kündigung
bekommen, dann spricht das nicht unbedingt für die
Stärke der Gewerkschaften. Vorwürfe, dass sie sich haben
kaufen lassen verbreiten sich schnell und damit
schwindet das Vertrauen.
Mögliche Handlungsansatz: Die Gewerkschaften verlassen
unter Protest die Privatisierungsagentur und kündigen
Widerstand gegen weitere Privatisierungen an und fordern
die Regierung auf, die längst bestehenden Ansprüche der
ehemaligen Mitarbeiter der privatisierten Betriebe,
durchzusetzen. Leider bisschen spät, aber es wäre noch
möglich zu machen. Dafür braucht es aber einen Wechsel
an der Spitze des Dachverbandes, weil der alte Präsident
seit 2006 in der Privatisierungsagentur sitzt und
mitverantwortlich gemacht wird für den Ausverkauf.
3. Mitgliederstruktur und Privatisierung
Die Mitgliedschaft der Gewerkschaften in den Kosova
bestehen zum grössten Teil aus Angestellten ehemaliger
Staatsbetriebe (mit oder ohne Arbeit). Gesundheitswesen,
Schulen, Verwaltung, Öffentlichrechtlichen
Institutionen, usw. Unter anderem auch von grösseren
Minen-, Bau- und Holzunternehmen. Nun, je nach Region
sind diese Unternehmen entweder in Schnelltempo
privatisiert worden oder unter einer provisorischen
Verwaltung gekommen, die dann die Privatisierung
eingeleitet hat. Man hat hier auch die möglichen
Aufträge verpasst, weil das Unternehmen nicht in den
„alten sozialistischen Strukturen“ weiter geführt werden
durfte. In Kosova und z. T. in Bosnien sind die ehemals
Staatsbetriebe und Fabrikhallen als Unterkunft für die
internationalen Militäreinheiten benutzt worden, oder
bereits von einer Privatisierungsagentur (Kosova Trust
Agency) übernommen. Ein Teil der zahlenden Mitglieder in
den Gewerkschaften Kosovas arbeiten in der öffentlichen
Verwaltung oder in den staatlichen Betrieben wie Post
und Telekommunikation PTK, Stromproduzenten KEK,
Schulen, Gesundheitsinstitutionen. Diese bezahlen ihre
Mitgliederbeiträge (noch).
Im privaten Sektor sind sie fast nicht präsent. Zum
Beispiel auf dem Bau und Gewerbe: Obwohl es im
ehemaligen Jugoslawien Privatunternehmen gegeben hat,
sind diese nie eine „Interessante“ Gruppe für die
Gewerkschaften gewesen, weil die maximale Zahl der
Angestellten in ein Privatunternehmen nicht mehr als 6 +
Inhaber betragen durfte. In den Fabriken hatten sie
Mitglieder zu hunderten und tausenden. Auch heute hat
sich in der Mentalität der Gewerkschaften nichts
geändert. Das wird sich als ein Fehler erweisen, weil
die vielen Baufirmen, die nach den Kriegen entstanden
auch viele Angestellte haben. Aber, sie arbeiten
Schwarz, haben keinen Schutz und auch keine
Versicherungen. Wer Krank ist, der wird nicht bezahlt
wenn er nicht zur Arbeit erscheint. Wer protestiert wird
entlassen, denn „arbeitswillige gibt es genug“.
Möglicher Handlungsansatz: Die Gewerkschaften bilden
junge Aktivistinnen und Aktivisten aus und verstärken
ihre Präsenz auf dem Terrain. Ein günstiger Zeitpunkt
ist jetzt gegeben: Die Bechtel-Enka baut im Auftrag der
öffentlichen Hand die Autobahn. Ein riesiges
Prestigevorhaben der Regierung Thaqi. Die Gewerkschaft
Bau könnte diesen Umstand nutzen, um sich als die Kraft,
die sich für die Anliegen der Bauarbeiter einsetzt,
etablieren. Hier könnte sie auf viel Sympathie aus der
Bevölkerung zählen und damit auch die Regierung unter
Druck setzen. Hier könnte sich die Gewerkschaft dafür
einsetzen für Arbeitssicherheit, gute Löhne, Gesunde
Ernährung, Bessere Mitwirkung etc. Hier könnte auch die
Gewinnung neuer Mitglieder als VL und als zahlende
Mitglieder ansetzen.
4. Finanzen
Viele der Gewerkschaften hausen in Baracken und haben
nur eine minimale Infrastruktur. Einerseits weil
Besitzverhältnisse, der von Gewerkschaften verwalteten
Liegenschaften, jetzt nicht mehr klar sind und die
Regierungen die Gebäude als Staatseigentum betrachtet
und anderseits auch mit knappen Finanzen. Auch wenn die
Mitgliederbeiträge eher bescheiden und ev. durchaus
bezahlbar wären, fehlt es an Möglichkeiten diese Gelder
einzutreiben. Früher wurden die Mitgliederbeiträge
monatlich vom Lohn abgezogen und heute geht das nicht
mehr. Nicht einmal die Behörde würde die Beiträge von
Gewerkschaftsmitgliedern vom Lohn abziehen und sie der
Gewerkschaft überweisen. Zudem gibt es Schwierigkeiten
mit dem Zahlungsverkehr. Bezahlung per Rechnung würde
die Kosten der Einnahmen übersteigen. Deshalb braucht es
auch hier viel Phantasie, um dieses Problem zu lösen.
Möglicher Handlungsansatz: Erwerb von Marken und damit
auch des Zugangs zu den Dienstleistungen.
5. Nachwuchsförderung
Obwohl die Gewerkschaftsfunktionäre z.T. einen guten
Lohn beziehen, ist die Arbeit bei einer Gewerkschaft
keine sehr attraktive Tätigkeit. Zu einem, weil sie
einen eher schlechten Ruf haben, schon aus der Zeit des
Sozialismus, und zum anderen, weil sie nichts oder zu
wenig tun, um den potentiellen Nachwuchs zu fördern. Sie
sind dieses Problems bewusst, ohne sich zu bewegen. In
der BSPK gab es die Arbeitsgruppe Jugend und Frauen.
Beide Bereiche funktionierten nur dank den Freiwilligen
und hatten wenig Unterstützung vom bezahlten Apparat.
BSPK hatte beispielsweise keine Projekte für die
Förderung, Bildung und Unterstützung der jungen
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter eingegeben. Unter
dem neuen Präsidenten nahmen sie nicht einmal an
internationalen Tagungen der jungen Gewerkschafterinnen
und Gewerkschafter teil.
Möglicher Handlungsansatz: Die Jugend und Frauen
bekommen innerhalb des Dachverbandes mehr Gewicht. Sie
werden ausgebildet und in Entscheidungen miteinbezogen.
6. Gewerkschaften und die Gesamtarbeitsverträge
In einigen Ländern wurden die alten Arbeitsgesetze in
die neue Struktur übernommen, um überhaupt ein Gesetz zu
haben. Diese Arbeitsgesetze entsprechen aber nicht der
neuen politischen und wirtschaftlichen Realität. Einige
Gewerkschaften in der Region haben versucht
Gesamtarbeitsverträge mit den Sozialpartnern zu
erarbeiten. Diese wurden dann mit den Wirtschaftskammern
(Vertreter der Arbeitgeber) und der Regierung erarbeitet
und unterzeichnet. Diese GAV sind nicht für alle
Firmeninhaber verbindlich, weil sie nicht Mitglied der
Wirtschaftskammer sind. Die Regierung ihrerseits
schreibt vor, dass alle Angestellten versichert sein
müssen, um Schwarzarbeit zu verhindern, tut jedoch
nichts um die GAV und die Gesetze durchzusetzen.
Möglicher Handlungsansatz: Gewerkschaften schaffen die
Möglichkeit der Firmen GAV oder betrieblichen
Vereinbarungen, auch für Unternehmen die nicht Mitglied
in der Wirtschaftskammer sind. Zudem können sie das
Instrument der AVE lancieren.
Abschliessend noch der persönliche Meinung von Kollege
Hilmi Gashi: Die Vorgaben seitens der Weltbank und der
Geldgeber (hier v. a der Westen) waren klar. Alles was
nach Sozialismus aussehen könnte wird ausgemerzt.
Nötigenfalls werden sie Zweckentfremdet. Betriebe müssen
privatisiert werden (z. T. auch die der
Grundversorgung). Angestellte müssen in der neuen
Realität einem Wettbewerb ausgesetzt werden, ohne aber
das sie unterstützt werden. Der Markt bzw. der
Firmeninhaber bestimmt den Lohn. Auf der politischen
Ebene wird alles den höheren Interessen untergeordnet.
Hier dürften die Gewerkschaften keine Ausnahme sein.
„Investoren lieben die Stabilität, sonst kommen sie
nicht“, ist eine der viel zitierten Aussagen in der
Presse.
Die Gewerkschaften wirken eher wie hilflose Akteure, die
alles richtig machen müssen. Das schwächt ihr Image und
an dem müssen sie unter anderem auch arbeiten.
Fazit: Gewerkschaftsprojekt Kosova
Die Probleme der Gewerkschaften im Kosova sind
verschiedentlich analysiert worden (Zersplitterung,
mangelnde Verankerung insbesondere im privaten Bereich,
mangelnde Verankerung vor Ort und in den Betrieben,
Organisationsdefizit bei Frauen und Jugendlichen). In
einem Projekt zur Stärkung der Gewerkschaften könnten
Personen der Unia Schweiz in folgenden Bereichen etwas
beitragen.
1. Gewerkschaftsreform
Organizing, Mitgliederwerbung
Aufbau demokratischer Strukturen in der Gewerkschaft:
Vertrauensleute, Betriebsgruppen, Interessengruppen
(z.B. Frauen, Jugendliche), Delegiertenversammlungen,
Kongresse
Arbeitsgesetz und Gesamtarbeitsverträge: Aufbau von
GAV`s (Normative Bestimmungen, vertragsrechtliche
Bestimmungen wie Betriebskommissionen,
Solidaritätsbeiträge, Friedenspflicht). Aushandlung von
Gesamtarbeitsverträgen, Kampagnenführung. Durchsetzung
und Kontrolle der GAV-Bestimmungen. Arbeit der
Betriebskommissionen
Politische Rolle der Gewerkschaften, Unabhängigkeit,
Verhältnis zu Parteien und Regierung. Rolle der
Gewerkschaften bei Privatisierungen
Gewerkschaftliche Kooperationen, Zusammenschlüsse,
Fusionen
Internationale Vernetzung
2. Schulung von Gewerkschaftsfunktionären
Aufbau eines Schulungskurses für
GewerkschaftssekretärInnen
Erarbeitung von Schulungsunterlagen:
Gesamtarbeitsvertrag und Arbeitsgesetz, Streikrecht und
Streiks, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz,
Arbeit der Betriebskommissionen, Sozialversicherungen
Erarbeitung eines Handbuchs für
GewerkschaftsfunktionärInnen
Fortsetzung
folgt....
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