Nach dem
Giftgaseinsatz in der Nähe von Syriens Hauptstadt
Damaskus, in der Region Al-Ghouta, werden die USA
möglicherweise begrenzte militärische Eingriffe in
Syrien durchführen. Ob dies der Fall sein wird, wird
sich allerdings erst nach einer Debatte im US-Kongress
am 09. September entscheiden. Und falls die USA sich zum
Eingreifen einschließen, wird Frankreich aller
Voraussicht nach mittun. Dabei steht allerdings von
vornherein fest, dass die Intervention erklärtermaßen
nicht zum Ziel haben soll, die Diktatur der Baath-Partei
(seit 1963) und des mafiösen Familienclans Al-Assad
(seit 1970) zu zerschlagen, sondern lediglich, ihr
anhand festgelegter „roter Linien“ einige Grenzen zu
setzen. Die eventuelle Intervention wird also eher jener
im Iraq 1991 – als es darum ging, das dortige
Baath-Regime aus dem besetzten Kuwait zu vertreiben,
ohne seine Herrschaft im Inneren anzutasten – als jener
im Iraq von 2003 ähneln.
Anhand
dieser Situation sind mehrere Positionen möglich. Man
kann mit fliegenden Fahnen geistig mit in den Krieg
ziehen, und sich von der äußeren Intervention eine
radikale Besserung der Zustände innerhalb Syriens
erhoffen – diese, höflich ausgedrückt, optimistische
Position wird derzeit nur von sehr Wenigen eingenommen.
Man kann, umgekehrt, jede Kritik am in Syrien
herrschenden Folterregime hintanstellen und eine
Position nach dem Motto „Hauptsache, gegen die USA“
beziehen. Eine solche Position wird derzeit nicht
allein, aber auch von einem (hirntoten) Teil der Linken
eingenommen, für die das Wort „Krieg“ offensichtlich nur
dann Anwendung findet, wenn die bösen USA mitmischen –
nicht jedoch, wenn sie nicht dabei sind. Einige
besonders schlaue Schlaumeier im nordfranzösischen Lille
hielten es etwa klug, zu einer „Demonstration gegen
diesen Angriff auf die Völker“ für den „Tag X des
Kriegsausbruchs“ aufzurufen. Dass in Syrien seit
zweieinhalb Jahren Krieg herrscht, mehrere Großstädte
zerbombt wurden und mindestens 110.000 Menschen (so die
Zahl der einzeln registrierten Toten) bislang ihr Leben
verloren, ganz ohne Intervention – das hat ihnen
anscheinend noch niemand gesteckt. Und drittens kann man
auch versuchen, eine Position einzunehmen, die vorrangig
von den Interessen der syrischen Opposition oder ihres
progressiven Teils auszugehen versucht. Also in dem
Sinne, das Alles, was den Sturz des Regimes begünstigt,
theoretisch von Nutzen sein kann – was für eine
Intervention, die erklärtermaßen nicht auf dessen Sturz
zielt, sondern auf seine Domestizierung (und einen Deal
zwischen den USA und Russland), bestimmt nicht gilt.
Und wie
reagiert die extreme Rechte, in Frankreich und anderswo,
auf diese Situation? Welche Position nimmt sie, zwischen
den unterschiedlichen zur Auswahl stehenden, dabei ein?
Die
Antwort ist sonnenklar: In ihrer überwiegenden Mehrheit
steht sie in Treue fest zum syrischen Folter-, Panzer-
und Giftgasregime. Die Kontakte zu Vertretern und zu
Teilen dieses Regimes sind alt. Ein wichtiger
Syrien-Lobbyist in Frankreich seit mindestens fünfzehn
Jahren ist etwa Frédéric Chatillon, ehemaliges führendes
Mitglied der gewalttätigen rechtsextremen
Studentengruppe GUD (Groupe Union Défense), heute
Betreiber einer eigenen Security-Firma, die oft Aufträge
für den Front National übernimmt. Der Mann ist auch ein
informeller Berater und persönlicher Freund von
Parteichefin Marine Le Pen. Letztere befand sich in
seiner (Chatillons) Wohnung, als sie im Februar 2003 in
angetrunkenem Zustand in Streit mit Polizisten, die
wegen Lärms bei einer Fete herbeigerufen worden war,
geriet – worüber die französische Presse damals breit
berichtete. Frédéric Chatillons langjähriger Gewährsmann
im syrischen Regime war bis vor kurzem
Ex-Verteidigungsminister Mustapha Tlass. Dessen Sohn,
Manaf Tlass, desertierte allerdings aus der Armee des
Regimes und lebt derzeit im Pariser Exil, wo er sich
2012 vorübergehend als „Mann für die Zukunft des Landes“
ins Gespräch zu bringen versuchte. Seitdem dürfte der
Stern des Vaters ein wenig gesunken sein.
Die
Wählerschaft des rechtsextremen Front National ist
derzeit jene in Frankreich, die mit Abstand am stärksten
gegen eine eventuelle internationale Intervention in
Syrien interveniert. Dies ist mit einer rechten,
nationalistischen Spielart des Nationalismus zu
erklärten, welche Breitenwirkung hat und auf der
Vorstellung beruht, man dürfte kein wertvolles
französisches Blut „für fremde Interessen“ vergießen –
die Idee einer Demokratisierung Syriens sei ohnehin
weltfremd, und mit Arabern sei nun einmal nur Diktatur
zu machen.
Bei einer
Umfrage des französischen Instituts IFOP vom 26. bis 28.
August d.J. erklärten sich auf die Frage nach einer
Intervention „der UN“ in Syrien – welche mutmaßlich
durch Russland im Sicherheitsrat blockiert würde – 55
Prozent der Befragten einverstanden, 45 Prozent dagegen.
Dabei ist nur die Wählerschaft der etablierten Linken
mehrheitlich dafür (zu 70 %). Jene der konservativen UMP
ist in schwächerem Ausmaß dafür (zu 55 Prozent); bei
einer anderen Umfrage des Instituts CSA vom 27. und 28.
August ist dieselbe ziemlich exakt in zwei Hälften
gespalten (43 % dafür und 46 % dagegen). Am stärksten
dagegen ist in beiden Fällen jene des Front National,
die respektive zu 59 % bzw. zu 68 % gegen ein
internationales Eingreifen unter Anführung der UN
votiert.
In
jüngsten Umfragen nach einer eventuellen französischen
Intervention in Syrien (ohne UN-Mandat) befragt,
reagiert die französische Bevölkerung insgesamt
mehrheitlich dagegen; in zwei Umfragen von Ende August
mit 59 % oder 64 Prozent Gegnerschaft. In jedem Falle
fällt die Ablehnung in der Wählerschaft des FN, bspw.
mit 81 Prozent Ablehnung bei der oben zitierten
IFOP-Umfrage, am stärksten aus.
Vielfach
bemüht werden von der extremen Rechten dabei zwei
Argumente. Zum Einen wird die gesamte Opposition als
islamistisch oder gar jihadistisch hingestellt – was
eine glatte Lüge ist (die Jihadisten sind eindeutig eine
Minderheitsfraktion, deren Einfluss jedoch mit der
internationalen Passivität gegenüber den Massakern des
Regimes seit März 2011 allmählich wuchs), jedoch auch
von anderer Seite wie etwa vom linksnationalistischen
Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevènement behauptet wird.
Zum Zweiten wird das syrische Regime, entsprechend
seiner eigenen Binnenpropaganda, als Schutzmacht
insbesondere auch der syrischen und orientalischen
Christen dargestellt. Entsprechend machen auch
islamfeindliche rassistische Medien, wie etwa
,L’Observatoire de la Christianophobie‘
(„Beobachtungsstelle Christenphobie“), für den Erhalt
des syrischen Regimes mobil. Entsprechende Argumente
trug die extreme Rechte bereits 2003 für den Machterhalt
der damaligen iraqischen Diktatur vor.
Der
Vordenker und „Papst“ der intellektuellen Neuen Rechten
(Nouvelle Droite) seit den 1970er Jahren, Alain de
Benoist, trat Ende August 2013 in der
französischsprachigen Version des Staatsfernsehens der
iranischen Diktatur – IRIB – auf. Vergessen wir nicht,
dass das Regime der Islamischen Republik Iran derzeit
der wohl engste Verbündete des Assad-Regimes ist, was
die „anti-islamistischen“ Propagandaargumente für
Letzeres umso lächerlicher werden lässt. Alain de
Benoist kritisiert, dass die US-Administration sich
(jedenfalls vordergründig) über den Giftgaseinsatz in
Syrien aufrege, mit dem Argument, internationale Politik
dürfe nicht auf „Moral“, sondern müsse auf „Interessen“
gegründet sein. Um unmittelbar darauf zu kritisieren,
die USA setzten ihre Interessen skrupellos durch. Merke:
Natürlich tun dies nur die USA. Das syrische Regime,
Russland oder europäische Mächte haben keine
eigennützigen Interessen, nicht doch, wo kämen wir denn
da hin…
Französische Rechte sind nicht die einzigen, die das
syrische Regime auf die eine oder andere Weise offensiv
verteidigen. Elf Faschisten der ungarischen Nazipartei
„Jobbik“, die auf Seiten des Assad-Regimes kämpften,
sollen jüngst in Syrien gefallen sein. Dies berichtete
die Webseite Index.hu. Und der bei Rechten diverser
Couleur und Verschwörungstheorie-Spinnern beliebte
US-„Liberatäre“ und gescheiterte
Präsidentschaftskandidat Ron Paul behauptete, bei dem
Giftgaseinsatz vom 21. August 13 handele es sich um eine
,fals flag operation‘, die dem Regime nur
in die Schuhe geschoben wird. (Ähnlich, wie diverse
Verschwörungsspinner immer wieder behaupten, die
Attentate vom 11. September 01 seien eine ,fals
flag operation‘ der Herrschenden in den USA. Und
Al-Qaida gebe es überhaupt nicht. Pikant nur, dass –
oftmals – dieselben jetzt ständig „Al-Qaida, Al-Qaida“
schreien, um vorgeblich die syrische Opposition zu
charakterisieren und, oft kenntnisfrei, vor ihr zu
warnen…) Ron Pauls Geschwafel wurde, unter anderem, auf
der deutschsprachigen christlich-fundamentalistischen
Webseite „Christliches Forum“ beim
verschwörungstheoretischen Medium „Kopp aktuell“
übernommen.
Editorische Hinweise
Wir
erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.
|