Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Extreme Rechte mobilisiert gegen eventuelle Syrien-Intervention
In Treue fest zum befreundeten Folterregime

09-2013

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Nach dem Giftgaseinsatz in der Nähe von Syriens Hauptstadt Damaskus, in der Region Al-Ghouta, werden die USA möglicherweise begrenzte militärische Eingriffe in Syrien durchführen. Ob dies der Fall sein wird, wird sich allerdings erst nach einer Debatte im US-Kongress am 09. September entscheiden. Und falls die USA sich zum Eingreifen einschließen, wird Frankreich aller Voraussicht nach mittun. Dabei steht allerdings von vornherein fest, dass die Intervention erklärtermaßen nicht zum Ziel haben soll, die Diktatur der Baath-Partei (seit 1963) und des mafiösen Familienclans Al-Assad (seit 1970) zu zerschlagen, sondern lediglich, ihr anhand festgelegter „roter Linien“ einige Grenzen zu setzen. Die eventuelle Intervention wird also eher jener im Iraq 1991 – als es darum ging, das dortige Baath-Regime aus dem besetzten Kuwait zu vertreiben, ohne seine Herrschaft im Inneren anzutasten – als jener im Iraq von 2003 ähneln.

Anhand dieser Situation sind mehrere Positionen möglich. Man kann mit fliegenden Fahnen geistig mit in den Krieg ziehen, und sich von der äußeren Intervention eine radikale Besserung der Zustände innerhalb Syriens erhoffen – diese, höflich ausgedrückt, optimistische Position wird derzeit nur von sehr Wenigen eingenommen. Man kann, umgekehrt, jede Kritik am in Syrien herrschenden Folterregime hintanstellen und eine Position nach dem Motto „Hauptsache, gegen die USA“ beziehen. Eine solche Position wird derzeit nicht allein, aber auch von einem (hirntoten) Teil der Linken eingenommen, für die das Wort „Krieg“ offensichtlich nur dann Anwendung findet, wenn die bösen USA mitmischen – nicht jedoch, wenn sie nicht dabei sind. Einige besonders schlaue Schlaumeier im nordfranzösischen Lille hielten es etwa klug, zu einer „Demonstration gegen diesen Angriff auf die Völker“ für den „Tag X des Kriegsausbruchs“ aufzurufen. Dass in Syrien seit zweieinhalb Jahren Krieg herrscht, mehrere Großstädte zerbombt wurden und mindestens 110.000 Menschen (so die Zahl der einzeln registrierten Toten) bislang ihr Leben verloren, ganz ohne Intervention – das hat ihnen anscheinend noch niemand gesteckt. Und drittens kann man auch versuchen, eine Position einzunehmen, die vorrangig von den Interessen der syrischen Opposition oder ihres progressiven Teils auszugehen versucht. Also in dem Sinne, das Alles, was den Sturz des Regimes begünstigt, theoretisch von Nutzen sein kann – was für eine Intervention, die erklärtermaßen nicht auf dessen Sturz zielt, sondern auf seine Domestizierung (und einen Deal zwischen den USA und Russland), bestimmt nicht gilt.

Und wie reagiert die extreme Rechte, in Frankreich und anderswo, auf diese Situation? Welche Position nimmt sie, zwischen den unterschiedlichen zur Auswahl stehenden, dabei ein?

Die Antwort ist sonnenklar: In ihrer überwiegenden Mehrheit steht sie in Treue fest zum syrischen Folter-, Panzer- und Giftgasregime. Die Kontakte zu Vertretern und zu Teilen dieses Regimes sind alt. Ein wichtiger Syrien-Lobbyist in Frankreich seit mindestens fünfzehn Jahren ist etwa Frédéric Chatillon, ehemaliges führendes Mitglied der gewalttätigen rechtsextremen Studentengruppe GUD (Groupe Union Défense), heute Betreiber einer eigenen Security-Firma, die oft Aufträge für den Front National übernimmt. Der Mann ist auch ein informeller Berater und persönlicher Freund von Parteichefin Marine Le Pen. Letztere befand sich in seiner (Chatillons) Wohnung, als sie im Februar 2003 in angetrunkenem Zustand in Streit mit Polizisten, die wegen Lärms bei einer Fete herbeigerufen worden war, geriet – worüber die französische Presse damals breit berichtete. Frédéric Chatillons langjähriger Gewährsmann im syrischen Regime war bis vor kurzem Ex-Verteidigungsminister Mustapha Tlass. Dessen Sohn, Manaf Tlass, desertierte allerdings aus der Armee des Regimes und lebt derzeit im Pariser Exil, wo er sich 2012 vorübergehend als „Mann für die Zukunft des Landes“ ins Gespräch zu bringen versuchte. Seitdem dürfte der Stern des Vaters ein wenig gesunken sein.

Die Wählerschaft des rechtsextremen Front National ist derzeit jene in Frankreich, die mit Abstand am stärksten gegen eine eventuelle internationale Intervention in Syrien interveniert. Dies ist mit einer rechten, nationalistischen Spielart des Nationalismus zu erklärten, welche Breitenwirkung hat und auf der Vorstellung beruht, man dürfte kein wertvolles französisches Blut „für fremde Interessen“ vergießen – die Idee einer Demokratisierung Syriens sei ohnehin weltfremd, und mit Arabern sei nun einmal nur Diktatur zu machen.

Bei einer Umfrage des französischen Instituts IFOP vom 26. bis 28. August d.J. erklärten sich auf die Frage nach einer Intervention „der UN“ in Syrien – welche mutmaßlich durch Russland im Sicherheitsrat blockiert würde – 55 Prozent der Befragten einverstanden, 45 Prozent dagegen. Dabei ist nur die Wählerschaft der etablierten Linken mehrheitlich dafür (zu 70 %). Jene der konservativen UMP ist in schwächerem Ausmaß dafür (zu 55 Prozent); bei einer anderen Umfrage des Instituts CSA vom 27. und 28. August ist dieselbe ziemlich exakt in zwei Hälften gespalten (43 % dafür und 46 % dagegen). Am stärksten dagegen ist in beiden Fällen jene des Front National, die respektive zu 59 % bzw. zu 68 % gegen ein internationales Eingreifen unter Anführung der UN votiert.

In jüngsten Umfragen nach einer eventuellen französischen Intervention in Syrien (ohne UN-Mandat) befragt, reagiert die französische Bevölkerung insgesamt mehrheitlich dagegen; in zwei Umfragen von Ende August mit 59 % oder 64 Prozent Gegnerschaft. In jedem Falle fällt die Ablehnung in der Wählerschaft des FN, bspw. mit 81 Prozent Ablehnung bei der oben zitierten IFOP-Umfrage, am stärksten aus.

Vielfach bemüht werden von der extremen Rechten dabei zwei Argumente. Zum Einen wird die gesamte Opposition als islamistisch oder gar jihadistisch hingestellt – was eine glatte Lüge ist (die Jihadisten sind eindeutig eine Minderheitsfraktion, deren Einfluss jedoch mit der internationalen Passivität gegenüber den Massakern des Regimes seit März 2011 allmählich wuchs), jedoch auch von anderer Seite wie etwa vom linksnationalistischen Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevènement behauptet wird. Zum Zweiten wird das syrische Regime, entsprechend seiner eigenen Binnenpropaganda, als Schutzmacht insbesondere auch der syrischen und orientalischen Christen dargestellt. Entsprechend machen auch islamfeindliche rassistische Medien, wie etwa ,L’Observatoire de la Christianophobie‘ („Beobachtungsstelle Christenphobie“), für den Erhalt des syrischen Regimes mobil. Entsprechende Argumente trug die extreme Rechte bereits 2003 für den Machterhalt der damaligen iraqischen Diktatur vor.

Der Vordenker und „Papst“ der intellektuellen Neuen Rechten (Nouvelle Droite) seit den 1970er Jahren, Alain de Benoist, trat Ende August 2013 in der französischsprachigen Version des Staatsfernsehens der iranischen Diktatur – IRIB – auf. Vergessen wir nicht, dass das Regime der Islamischen Republik Iran derzeit der wohl engste Verbündete des Assad-Regimes ist, was die „anti-islamistischen“ Propagandaargumente für Letzeres umso lächerlicher werden lässt. Alain de Benoist kritisiert, dass die US-Administration sich (jedenfalls vordergründig) über den Giftgaseinsatz in Syrien aufrege, mit dem Argument, internationale Politik dürfe nicht auf „Moral“, sondern müsse auf „Interessen“ gegründet sein. Um unmittelbar darauf zu kritisieren, die USA setzten ihre Interessen skrupellos durch. Merke: Natürlich tun dies nur die USA. Das syrische Regime, Russland oder europäische Mächte haben keine eigennützigen Interessen, nicht doch, wo kämen wir denn da hin…

Französische Rechte sind nicht die einzigen, die das syrische Regime auf die eine oder andere Weise offensiv verteidigen. Elf Faschisten der ungarischen Nazipartei „Jobbik“, die auf Seiten des Assad-Regimes kämpften, sollen jüngst in Syrien gefallen sein. Dies berichtete die Webseite Index.hu. Und der bei Rechten diverser Couleur und Verschwörungstheorie-Spinnern beliebte US-„Liberatäre“ und gescheiterte Präsidentschaftskandidat Ron Paul behauptete, bei dem Giftgaseinsatz vom 21. August 13 handele es sich um eine ,fals flag operation‘, die dem Regime nur in die Schuhe geschoben wird. (Ähnlich, wie diverse Verschwörungsspinner immer wieder behaupten, die Attentate vom 11. September 01 seien eine ,fals flag operation‘ der Herrschenden in den USA. Und Al-Qaida gebe es überhaupt nicht. Pikant nur, dass – oftmals – dieselben jetzt ständig „Al-Qaida, Al-Qaida“ schreien, um vorgeblich die syrische Opposition zu charakterisieren und, oft kenntnisfrei, vor ihr zu warnen…) Ron Pauls Geschwafel wurde, unter anderem, auf der deutschsprachigen christlich-fundamentalistischen Webseite „Christliches Forum“ beim verschwörungstheoretischen Medium „Kopp aktuell“ übernommen. 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.