Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Von Kuba bis Hartz IV
Infoladen Linker Projekte vor dem Aus

Ein Hilferuf aus Wiesbaden

09-2014

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Nach 26 Jahren muss der „Infoladen Linker Projekte“ zum Jahresende seine Türen in der Werderstraße 8 schliessen, da ein neuer Eigentümer den Mietvertrag zum 31.Dezember 2014 beendete. Seit der Bekanntgabe der Beendigung des Mietverhältnisses ist der Trägerkreis des Infoladens auf der Suche nach neuen Räumen.

Wir bitten um Hinweise und Anregungen zu brauchbaren Mietobjekten, die die Fortsetzung unserer Arbeit ermöglichen könnten.

Bis 1988 beherbergte die Werderstraße 8 im Parterre heruntergekommene Lagerräume der Wiesbadener Gerichtsvollzieher, die in 2 Innenhöfen turnusmäßig Pfandgegenstände versteigerten. Den Pfändungsbeamten folgten politische Gruppen, die mit vielfältigen Gestaltungsschritten wie z.B. Fenster- und Toiletteneinbau oder Elektroinstallationen und anderem eine Nutzbarkeit ansprechenderer Form auf weiterhin einfachem Niveau herstellten. Der Geist der Vollstreckung wurde zugleich durch einen neuen Wind vertrieben.

Dieser war von Anfang an internationalistisch. Zu den frühen größeren Veranstaltungen gehörte ein Vortrag von Michael Löwy zu Che Guevara und seiner Vermarktung. Der französische Gast war von Jugend an Genosse und später zugleich Professor in Paris. Zahlreiche Veranstaltungen mit Kubanern und Kubanerinnen folgten im Laufe der Jahre. Das Duo „Ad Libitum“ aus Havanna begeisterte mit einem konzertanten Vortrag „Was wären wir ohne Zuversicht“. Zu Mittelamerika bildete sich in jüngerer Vergangenheit ein besonderer Faden darüber, dass einer unserer Aktiven als internationaler Beobachter in Guatemala und Mexiko einige der dortigen indigenen sozialen Bewegungen über mehrere Monate solidarisch begleitete. Jüngst hat die „Rote Kneipe“ das Thema des kurdischen Befreiungskampfes aufgenommen.

Insgesamt ist der Infoladen einerseits Sitz kleinerer linker Organisationen und andererseits ein Rahmen für übergreifendere Themen und Kampagnen des linken Spektrums. Entsprechend werden etwa die linke Tageszeitung „Junge Welt“ und etliche weitere Zeitschriften aus politischen Arbeitszusammenhängen zum Lesen angeboten.

Die Angliederung sozialer wie auch kultureller Projekte und Vorhaben begann schon früh. Seit langem tagt wöchentlich der sich im regionalem Ligabetrieb befindende Schachclub „Stiller Zug“. Zwei Jahre lang fand ein „Literarisches Sonntagsfrühstück“ statt. Aus der Containering-Szene heraus bildete sich vor 3 Jahren eine „Küche für Alle“. Eine Akustische Konzertreihe bietet regelmäig politischen und lokalen Liedermacherinnen ein Forum. Selbstorganisierte Jugendprojekte kamen und gingen auch wieder wie beispielsweise „Sabines Wursthaus“, dessen Protagonisten nach der Räumung im Infoladen Unterschlupf fanden. Und auch die Kreativfabrik wurde vom Infoladen aus „erobert“. Über einige Jahre führten Familien aus der Nachbarschaft Kindergeburtstage durch. Neuerdings trifft sich hier eine „Solidargemeinschaft zur Selbstverteidigung gegen Hartz IV“, die eine Mischung aus politischer und sozialer Selbsthilfe-Dimension anzeigt.

Nach eigener Aussage des neuen Eigentümers der bisher genutzten Räume ist eine Grundsanierung der Gewerberäume im Parterre vorgesehen und jeweils nach Auszug von Wohnungsmietern die Modernisierung der betreffenden Wohnungen auf ein hochpreisiges Niveau. Damit wird ein Milieuwechsel eintreten, der weniger zahlungskräftige Bevölkerungsteile verdrängt und es entstehen neue Ansprüche an die Wohnumgebung durch feinere Kreise. Die Kombinationen, die ein Viertel und seine Lebendigkeit ausmachen, werden aufgelöst.

Dieser von Verwertungs- und Kapitalinteressen gelenkte Strukturwandel greift bereits an anderen Stellen des Westends. Einige Wohnhäuser wurden in Eigentumswohnungen zerlegt. Aus der ehemaligen Gaststätte „Rumpelkammer“ an der Ecke Göben-/Scharnhorststrasse wurde eine aufwändig gestaltete Designer-Wohnung, die auch den vormaligen Biergarten der allgemeinen Nutzung entzog und als „Betreten-Verboten“-Areal einzäunte. Andere Beispiele wären zu nennen. In diesem Prozess droht möglicherweise auch manchen kleinen Künstlerateliers im Westend das Aus vor dem jetzt der Infoladen Linker Projekte steht.

Kontakt: infoladen-wi@gmx.de

Spendenkonto:

Jugendbüro und Werkhof e.V.
Wiesbadener Volksbank
IBAN: DE 45 5109 0000 0009 3144 07
BIC: WIBADE5WXXX

Quelle: http://www.infoladen-wiesbaden.de/