Der wohlklingendste Name könnte nicht
darüber hinwegtäuschen: Es ist ein reaktionärer Militärputsch, der
das Rad der Geschichte zurückdrehen und die Kräfte des Alten wieder
in ihre Machtpositionen und Privilegien einsetzen soll, welcher
soeben im westafrikanischen Staat Burkina Faso stattfindet. Auch die
offizielle Bezeichnung als „Nationaler Rat der Demokratie“ macht also
aus dem neuen Regime, das am Donnerstag die Macht in der Hauptstadt
Ouagadougou an sich riss, nachdem am Vorabend die bislang amtierende
Übergangsregierung gefangengenommen und festgesetzt worden war,
nichts anders als eine brutal vorgehende Militärjunta.
Am Donnerstag Nachmittag waren laut
Meldungen in den sozialen Netzwerken von vor Ort bereits mindestens
zehn Tote zu verzeichnen. Bei Redaktionsschluss feuerte eine
Eliteeinheit der Armee von Burkina Faso, das „Regiment für die
präsidiale Sicherheit“ (RSP), Schüsse auf das Tonstudio des für sein
politisches und bürgerrechtliches Engagement bekannten Rappers
Smockey ab. Zur selben Zeit war sein Musikerkollege „Sams’k Le Jah“,
mit dem zusammen er die unabhängige Basisbewegung Le balai citoyen –
„Der Bürgerrechtsbesen“ – betrieb, bereits durch die Männer dieser
mit reichhaltigen Privilegien ausgestatteten Präsidentengarde
inhaftiert worden. In seinem letzten in Freiheit gegebenen Interview,
das an diesem Donnerstag auf der Webseite Burkina24.com publiziert
wurde, hatte „Sams’k Le Jah“ vor allem die Jugend des Landes
aufgefordert, „mobilisiert zu bleiben“. Er unterrichtete die
LeserInnen aber auch darüber, dass die Präsidentengarde „das Feuer
eröffnet, wenn wir uns irgendwo zu versammeln versuchen“.
Kleine Gruppen von Protestierenden
versuchten unterdessen den gesamten Donnerstag über, sich an
unterschiedlichen Orten in Ouagadougou zu sammeln. Am selben Tag rief
die Gewerkschaftszentrale CGT-B die Lohnabhängigen des Landes zum
„unbefristeten Generalstreik“ auf.
In der Nacht vom Mittwoch zum
Donnerstag hat das RSP, das bereits Anfang Juli dieses Jahres die
Übergangsregierung bedroht und massiv unter Druck gesetzt hatte, die
Macht in Ouagadougou übernommen. Interimspräsident Michel Kafando und
Übergangspremierminister Isaac Zida wurden von ihm gefangen gesetzt.
Damit endet die seit einem knapp Jahr eröffnete Übergangsperiode,
drei Wochen vor dem am 11. Oktober vorgesehenen Präsidentschafts- und
Parlamentswahlen, auf brutale Weise.
Als Transition (Übergang)
bezeichnete man bis dahin die Periode, die seit dem 31. Oktober 2014
eröffnet worden war. Also an jenem Tag im vergangenen Herbst, an dem
der autokratisch sowie dank Korruption, Klientelwirtschaft und
mitunter manipulierter Wahlen regierende Präsident Blaise Compaoré
nach 27jähriger Herrschaft durch „die Straße“
gestürzt wurde. „Der schöne Blaise“, wie sein Spitzname in
diplomatischen Kreisen lebte, war ein enger geopolitischer
Verbündeter der früheren Kolonialmacht in der Region – das COS
(Kommando für Spezialaufträge), eine Eliteeinheit der französischen
Armee, war bei ihm stationiert -, in mehrere Bürgerkriege in
Westafrika als Hintermann und Waffenlieferant verwickelt und hatte
mit einigen Gefolgsleuten im Oktober 1987 seinen emanzipatorischen
Ideen verpflichteten Vorgänger Thomas Sankara ermordet. Sankara hatte
sich für Frauenbefreiung, Korruptionsbekämpfung, Unabhängigkeit von
den Großmächten sowie Importsubstitution eingesetzt und
Schuldenstreichung gefordert. Damit war er etwa für Frankreichs
damaligen Präsidenten François Mitterrand ein Störenfried. Mitterrand
hatte erklärt, Sankara bringe ihn „um den Schlaf“, und Thomas Sankara
seinerseits prophezeite bei seinem Auftritt am Gipfel der OUA –
Vorläuferin der Afrikanischen Union – Ende Juli 1987, beim nächsten
Zusammentreffen sei er vielleicht nicht mehr da.
Die putschenden Militärs des RSP, die
von Blaise Compaoré in seiner Amtszeit verhätschelt worden waren,
setzten seinen damaligen Generalstabschef Gilbert Diendéré bis auf
Weiteres als neuen, provisorischen Staatschef ein. Diendéré erklärte
dazu, er habe sein Land vor „Vorwahl-Unruhen und Destabilisierung
schützen“ müssen. Damit bleibt am politischen Charakter ihres
Umsturzes kein Zweifel. Unterdessen verurteilten alle Großmächte
formal den Putsch. Auch der französische Staatspräsident François
Hollande verlangt die sofortige Freilassung der durch die Militärs
ihrer Freiheit beraubten Politiker. Welches Spiel allerdings gerade
Frankreich tatsächlich spielt, wird sich in Wirklichkeit in nächster
Zukunft erst noch erweisen müssen.
Editorische Hinweise
Wir erhielten den
Bericht vom Autor für diese Ausgabe.
Eine Kurzfassung dieses
Artikels erschien am folgenden in der Tageszeitung ,Neues
Deutschland’ (ND), Ausgabe vom 18.09.15 – Weitere Artikel zum
Fortgang der laufenden Ereignisse werden folgen.
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