Rechtsputsch in Burkina Faso
Stand: 17. September 15 am Abend

von Bernard Schmid

09/2015

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Der wohlklingendste Name könnte nicht darüber hinwegtäuschen: Es ist ein reaktionärer Militärputsch, der das Rad der Geschichte zurückdrehen und die Kräfte des Alten wieder in ihre Machtpositionen und Privilegien einsetzen soll, welcher soeben im westafrikanischen Staat Burkina Faso stattfindet. Auch die offizielle Bezeichnung als „Nationaler Rat der Demokratie“ macht also aus dem neuen Regime, das am Donnerstag die Macht in der Hauptstadt Ouagadougou an sich riss, nachdem am Vorabend die bislang amtierende Übergangsregierung gefangengenommen und festgesetzt worden war, nichts anders als eine brutal vorgehende Militärjunta.

Am Donnerstag Nachmittag waren laut Meldungen in den sozialen Netzwerken von vor Ort bereits mindestens zehn Tote zu verzeichnen. Bei Redaktionsschluss feuerte eine Eliteeinheit der Armee von Burkina Faso, das „Regiment für die präsidiale Sicherheit“ (RSP), Schüsse auf das Tonstudio des für sein politisches und bürgerrechtliches Engagement bekannten Rappers Smockey ab. Zur selben Zeit war sein Musikerkollege „Sams’k Le Jah“, mit dem zusammen er die unabhängige Basisbewegung Le balai citoyen – „Der Bürgerrechtsbesen“ – betrieb, bereits durch die Männer dieser mit reichhaltigen Privilegien ausgestatteten Präsidentengarde inhaftiert worden. In seinem letzten in Freiheit gegebenen Interview, das an diesem Donnerstag auf der Webseite Burkina24.com publiziert wurde, hatte „Sams’k Le Jah“ vor allem die Jugend des Landes aufgefordert, „mobilisiert zu bleiben“. Er unterrichtete die LeserInnen aber auch darüber, dass die Präsidentengarde „das Feuer eröffnet, wenn wir uns irgendwo zu versammeln versuchen“.

Kleine Gruppen von Protestierenden versuchten unterdessen den gesamten Donnerstag über, sich an unterschiedlichen Orten in Ouagadougou zu sammeln. Am selben Tag rief die Gewerkschaftszentrale CGT-B die Lohnabhängigen des Landes zum „unbefristeten Generalstreik“ auf.

In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag hat das RSP, das bereits Anfang Juli dieses Jahres die Übergangsregierung bedroht und massiv unter Druck gesetzt hatte, die Macht in Ouagadougou übernommen. Interimspräsident Michel Kafando und Übergangspremierminister Isaac Zida wurden von ihm gefangen gesetzt. Damit endet die seit einem knapp Jahr eröffnete Übergangsperiode, drei Wochen vor dem am 11. Oktober vorgesehenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, auf brutale Weise.

Als Transition (Übergang) bezeichnete man bis dahin die Periode, die seit dem 31. Oktober 2014 eröffnet worden war. Also an jenem Tag im vergangenen Herbst, an dem der autokratisch sowie dank Korruption, Klientelwirtschaft und mitunter manipulierter Wahlen regierende Präsident Blaise Compaoré nach 27jähriger Herrschaft durch „die Straße“ gestürzt wurde. „Der schöne Blaise“, wie sein Spitzname in diplomatischen Kreisen lebte, war ein enger geopolitischer Verbündeter der früheren Kolonialmacht in der Region – das COS (Kommando für Spezialaufträge), eine Eliteeinheit der französischen Armee, war bei ihm stationiert -, in mehrere Bürgerkriege in Westafrika als Hintermann und Waffenlieferant verwickelt und hatte mit einigen Gefolgsleuten im Oktober 1987 seinen emanzipatorischen Ideen verpflichteten Vorgänger Thomas Sankara ermordet. Sankara hatte sich für Frauenbefreiung, Korruptionsbekämpfung, Unabhängigkeit von den Großmächten sowie Importsubstitution eingesetzt und Schuldenstreichung gefordert. Damit war er etwa für Frankreichs damaligen Präsidenten François Mitterrand ein Störenfried. Mitterrand hatte erklärt, Sankara bringe ihn „um den Schlaf“, und Thomas Sankara seinerseits prophezeite bei seinem Auftritt am Gipfel der OUA – Vorläuferin der Afrikanischen Union – Ende Juli 1987, beim nächsten Zusammentreffen sei er vielleicht nicht mehr da.

Die putschenden Militärs des RSP, die von Blaise Compaoré in seiner Amtszeit verhätschelt worden waren, setzten seinen damaligen Generalstabschef Gilbert Diendéré bis auf Weiteres als neuen, provisorischen Staatschef ein. Diendéré erklärte dazu, er habe sein Land vor „Vorwahl-Unruhen und Destabilisierung schützen“ müssen. Damit bleibt am politischen Charakter ihres Umsturzes kein Zweifel. Unterdessen verurteilten alle Großmächte formal den Putsch. Auch der französische Staatspräsident François Hollande verlangt die sofortige Freilassung der durch die Militärs ihrer Freiheit beraubten Politiker. Welches Spiel allerdings gerade Frankreich tatsächlich spielt, wird sich in Wirklichkeit in nächster Zukunft erst noch erweisen müssen.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Bericht vom Autor für diese Ausgabe.

Eine Kurzfassung dieses Artikels erschien am folgenden in der Tageszeitung ,Neues Deutschland’ (ND), Ausgabe vom 18.09.15 – Weitere Artikel zum Fortgang der laufenden Ereignisse werden folgen.