Deutsche Waffenexporte

von
Sahra Wagenknecht

09/2016

trend
onlinezeitung

Politische und wirtschaftliche Interessen hinter dem Geschäft mit dem Tod

»Es ist eine Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren gehört«, erklärte Wirtschaftsminister Gabriel im Januar 2014 und versprach, dies ändern zu wollen. Seine roten Linien formulierte er so: »Keine Waffen an Länder, in denen Bürgerkrieg herrscht. Auch Unrechtsregimen sollte man keine Waffen verkaufen.« Trotz dieser hehren Worte ist das Geschäft mit dem Tod in den letzten Jahren erst richtig aufgeblüht. Deutsche Rüstungskonzerne profitieren von der Zunahme von Kriegen und Bürgerkriegen. Sie exportieren mehr Waffen als je zuvor – und immer mehr Waffen gehen in Staaten außerhalb von EU und NATO. Mit deutschen Waffen lassen Diktatoren am Golf oder in der Türkei auf Oppositionelle schießen, deutsche Waffen wurden im Libyen-Krieg eingesetzt und sind in Syrien und dem Irak sogar in die Hände islamistischer Terroristen gelangt. Damit ist auch die Bundesregierung mitschuldig daran, dass Menschen aus ihrer Heimat vor Krieg und Gewalt fliehen müssen.

Nach den offiziellen Zahlen des Rüstungsexportberichts wurden im letzten Jahr Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von 7,86 Mrd. € erteilt, hinzu kamen Sammelgenehmigungen mit einem Gesamtwert von knapp 5 Mrd. €. Damit hat sich der Wert der genehmigten Waffenexporte 2015 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt! Und der Rekord dürfte 2016 ein weiteres Mal gebrochen werden, denn die Einzelgenehmigungen für das erste Halbjahr 2016 liegen mit über vier Milliarden Euro bereits deutlich über dem Rekordwert von 2015 in Höhe von 3,45 Milliarden Euro.

Gabriel zufolge liegt es an einzelnen Großaufträgen wie Tankflugzeugen für Großbritannien, einem U-Boot für Israel sowie dem bereits von der schwarz-gelben Regierung eingefädelten Panzer-Deal mit Katar, dass die Zahlen 2015 so stark gestiegen sind. Doch zum einen gibt es in fast jedem Jahr Milliardendeals über teure Fregatten, U-Boote oder Panzer, welche die Zahlen nach oben treiben. Zum anderen hätte Gabriel als zuständiger Minister die Genehmigung der Panzerlieferungen sehr wohl verweigern können. Er hätte sie nach geltendem Recht sogar verweigern müssen, da Staaten wie Katar, Saudi Arabien oder Kuwait seit 2015 Krieg im Jemen führen und Exporte nach § 6 des Kriegswaffenkontrollgesetzes nicht genehmigt werden dürfen, wenn die Gefahr besteht, dass die gelieferten Waffen bei einer friedensstörenden Handlung verwendet werden. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung gegen ihre eigenen politischen Grundsätze verstößt, nach denen eine Exportgenehmigung »grundsätzlich nicht erteilt [wird], wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression … oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden.« [1] Wie also lässt sich erklären, dass Anspruch und Wirklichkeit hier immer weiter auseinanderklaffen?

Die Geschäfte der Rüstungskonzerne …

Da wäre zum einen auf die Interessen der deutschen Rüstungskonzerne zu verweisen. Unternehmen wie Rheinmetall, Thyssen Krupp, Krauss-Maffei Wegmann (KMW) oder die Werft Lürssen haben in den letzten Jahren neue Märkte im Nahen Osten und Asien erschlossen und wollen in ihrer Expansion nicht durch Gesetze oder politische Entscheidungen gebremst werden. Wie Report München berichtet hat, liefert Rheinmetall, Deutschlands größtes Rüstungsunternehmen, über eine italienische Tochterfirma Bomben an Saudi-Arabien, die im Krieg im Jemen auch gegen Zivilisten eingesetzt werden. In den letzten Jahren lieferte Rheinmetall außerdem Panzer an Indonesien, auch am Bau einer Transportpanzerfabrik in Algerien sowie am Aufbau einer neuen Munitionsfabrik in Saudi Arabien ist die Rüstungsschmiede mit Sitz in Düsseldorf beteiligt. Zur Produktion von Waffen in der Türkei will Rheinmetall außerdem ein Joint Venture mit dem großen türkischen Rüstungskonzern MKEK eingehen. Dagegen hat sich die ThyssenKrupp Marine Systems GmbH [2] auf die Produktion von U-Booten spezialisiert. Allein in den letzten 10 Jahren wurden 20 U-Boote exportiert: jeweils 6 an die Türkei und Südkorea, insgesamt 4 an Israel sowie je 2 an Italien und Kolumbien. Derzeit werden 4 U-Boote für Ägypten gebaut, Wirtschaftsminister Gabriel will außerdem Australien für ein U-Boot-Geschäft in Milliardenhöhe gewinnen. Die Rüstungsschmiede KMW gilt bei der Produktion von militärischen Rad- und Kettenfahrzeugen als Marktführer in Europa. Zwar scheiterte im Jahr 2013 ein Megadeal über die Lieferung von 270 Leopard-2-Panzern an Saudi Arabien. Trotzdem konnte KMW sein Geschäft auf der arabischen Halbinsel ausbauen: Für 1,8 Mrd. Euro gingen Kampfpanzer und Haubitzen nach Katar und nun will man 70 Leopard-Panzer an das Sultanat Oman verkaufen – geschätztes Auftragsvolumen 2 Milliarden Euro. [3] Darüber hinaus profitierte KMW von der Ukraine-Krise, die die Nachfrage nach Panzern in den Ländern Osteuropas und Skandinaviens gesteigert hat. [4] Sowohl die Ukraine-Krise als auch der geplatzte Panzer-Deal mit Saudi-Arabien dürfte zur Fusion von KMW mit dem französischen Rüstungskonzern Nexter beigetragen haben. Dieser Zusammenschluss soll die europäische Rüstungsindustrie konsolidieren und deren Wettbewerbsfähigkeit verbessern. [5] Und da jede Form der Handelsbeschränkung in der EU als schädlicher Eingriff in den freien Wettbewerb gilt, können über derartige Fusionen auch die im EU-Vergleich noch relativ strengen deutschen Rüstungsexportrichtlinien ausgehebelt werden. Oder wie es Wolfgang Schäuble Anfang Juli auf den Punkt brachte: »Mit unserem Rüstungsexportkontrollregime sind wir nicht europatauglich.« [6]

laufen wie geschmiert

Das Geschäft mit dem Tod läuft also wie geschmiert – und das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, denn in keiner anderen Branche sind Schmiergelder derart wichtig. So sollen beim Verkauf von U-Booten an Südkorea Schmiergelder geflossen sein, wegen Korruptionszahlungen für U-Boot-Geschäfte mit Griechenland wurden zwei Manager von ThyssenKrupp bereits verurteilt. Wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen beim Verkauf von Leopard 2 Panzern nach Griechenland wurde 2014 die Zentrale von Krauss-Maffei-Wegmann durchsucht. Rheinmetall steht wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen in Indien auf einer schwarzen Liste. Und erst im Juni hat die Staatsanwaltschaft Bremen die Zentrale von ThyssenKrupp in Essen durchsucht, da das Bremer Rüstungsunternehmen Atlas Elektronik – ein Gemeinschaftsunternehmen von ThyssenKrupp und Airbus – im Verdacht steht, zwischen 1998 und 2014 türkische Militärs bestochen zu haben. Und bei all diesen Fällen dürfte es sich nur um die Spitze des Eisbergs handeln.

Deutsche Großmachtpolitik braucht Rüstungsproduktion und Waffenexporte

Trotzdem wäre es zu kurz gegriffen, würde man allein Korruption oder die Lobbymacht der Rüstungskonzerne für den Anstieg der Waffenexporte verantwortlich machen. Denn im Vergleich etwa zu den USA ist die Bedeutung des militärisch-industriellen Komplexes in Deutschland gering: Der Beitrag der Rüstungsindustrie zur gesamten Wertschöpfung liegt – großzügig berechnet – bei rund einem Prozent, der Anteil der Beschäftigung in der Rüstungsindustrie an der Gesamtbeschäftigung bei maximal 0,24 Prozent. [7]

Doch nicht nur die Rüstungskonzerne, auch die deutsche Regierung hat ein massives Interesse am Export von Waffen. Denn wer machtpolitisch in der ersten Reihe mitspielen und auf Augenhöhe mit anderen Großmächten wie den USA und China agieren will, braucht dafür eine eigenständige Rüstungsindustrie. »Die Erhaltung der Bündnisfähigkeit und der dazu notwendigen rüstungstechnologischen Kernkompetenzen sind ein zentrales außen- und sicherheitspolitisches Interesse der Bundesrepublik Deutschland«, so Wirtschaftsminister Gabriel in einer Grundsatzrede zur Außen- und Sicherheitspolitik. Allerdings ist der deutsche Markt für Rüstungsgüter zu klein, um damit eine eigenständige Rüstungsindustrie zu erhalten, d.h. die deutsche Rüstungsindustrie ist auf Exporte angewiesen. Hinzu kommt, dass Deutschland erklärtermaßen mehr militärische »Verantwortung« übernehmen, d.h. in der Lage sein möchte, seine Interessen notfalls auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Steigende Rüstungsausgaben und Rüstungsexporte sind damit eine zwingende Begleiterscheinung deutscher Großmachtambitionen. [8]

Mehr Geld für mehr Waffen, Soldaten und neue Militäreinsätze – diese Logik durchzieht auch das neue Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Vergessen scheint zu sein, dass deutsches Großmachtstreben und eine imperialistische Kanonenbootpolitik unseren Kontinent bereits zweimal ins Verderben gestürzt haben. Dabei müsste Deutschland keine Kriege führen oder Waffen exportieren, um als bedeutende Macht anerkannt und respektiert zu werden. Im Gegenteil: Es wäre sogar in unserem wirtschaftlichen Interesse, wenn unsere Regierung auf Abrüstung, Konfliktprävention und eine Entspannungspolitik gegenüber Russland drängen würde statt sich im Schlepptau der USA und NATO in eine neue Aufrüstungsspirale zu begeben. Der sogenannte Krieg gegen den Terror ist gescheitert, denn Waffengewalt und Waffenexporte schaffen keinen Frieden. Der Kreislauf aus Bomben, Zerstörung und Terrorismus muss endlich durchbrochen werden. Deutschland kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten indem die Aufrüstung der größten Terror-Sponsoren am Golf und in der Türkei endlich gestoppt wird, Auslandseinsätze der Bundeswehr beendet und Waffenexporte verboten werden.

Anmerkungen

[1] Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (2000), URL: www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/A/aussenwirtschaftsrecht-grundsaetze S. 1.

[2] Die ThyssenKrupp Marine Systems GmbH entstand im Januar 2013 durch die Verschmelzung der ehemaligen Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (HDW) und Blohm+Voss Naval GmbH.

[3] Deutsche Firma will Panzer nach Oman liefern, Der Spiegel vom 12.11.2015.

[4] Ukraine-Krise hilft Panzerbauer, Handelsblatt vom 28.10.2014.

[5] Deutsch-französische Panzerschmiede startet in Amsterdam, FAZ vom 15.12.2015.

[6] So Schäuble am 03.07.2016 im »Bericht aus Berlin«.

[7] Vgl. Schubert/Knippel 2012: Quantifizierung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für den deutschen Wirtschaftsstandort. Berlin.

[8] Vgl. dazu auch Jürgen Wagner (2015): Alle Rüstungsexporte stoppen! Ausdruck Nr. 3/2016.

Quelle: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform in der Partei DIE LINKE vom August 2016