Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Der Front National zu Neonazi-Gewalt in den USA und zu anderen Streitthemen

9/2017

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Dass er mit mehreren Stimmen spricht, unter anderem um unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zu erreichen, ist man mittlerweile vom französischen Front National (FN) gewöhnt. So auch nach den jüngsten Terrorvorfällen, für welche die nordamerikanische neonazistische Rechte verantwortlich zeichnet.

Im Zusammenhang mit dem Mord in Charlottesville vom 12. August 17 erklärte der 35 Jahre junge Vivevorsitzende der französischen neofaschistischen Partei, Florian Phlippot, man verurteile „die Anhänger weißer Vorherrschaft (white supremacists) und jegliche Gewalt“. Nun wolle man aber auch den Vorwurf nicht mehr höre, man selbst zähle zur extremen Rechten: „Rechtsextrem, das sind die Irren, die man in den USA gesehen hat.“ Dagegen erklärte der 67jährige frühere Vizechef der Partei und Europaparlamentarier Bruno Gollnisch: „Die Initiative (zur Gewalt) ging von den antifaschistischen Gegendemonstranten aus.“ Ansonsten wolle er nicht „die ethnisch-politischen Konflikte der USA nach Frankreich importieren.“

Auch zu anderen Themen bleibt die Partei, die sich nur mühsam und im Streit von der – in ihren Augen unerwartet deutlichen – Wahlniederlage bei der Präsidentschaftswahl vom 07. Mai dieses Jahres erholt, gespalten.

Am 21. und 22. Juli 17 veranstalteten die Führungsspitzen des FN ein „Strategieseminar“ – bereits das zweite in Folge, nach einer vorausgegangenen ähnlichen Veranstaltung, die im Februar 2016 stattfand.

In beiden Fällen konnte man sich nur auf Formelkompromisse einigen. Es ging jeweils darum, weshalb es der FN trotz hoher Wahlergebnisse in den vergangenen Jahren (sei es bei den Regionalparlamentswahlen 2015 oder den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017) nie schafft, diese auch in institutionellen Einfluss umzuwandeln. Mit acht Sitzen in der Nationalversammlung und ohne Fraktionsstärke hat der FN es seit der Parlamentswahl im Juni nicht fertiggebracht, als parlamentarische Opposition im Zentrum zu stehen. Aufmerksamkeit in den Medien durch ihren Widerspruch zum Regierungslager unter Emmanuel Macron erregen in diesen Wochen vielmehr die beiden Linksfraktionen, jene von Jean-Luc Mélenchon und die der französischen KP.

Streit gab es bei dem Strategie-Seminar-auch um das Thema, das von vielen innerparteilichen Stimmen beim Front National inzwischen für die Stagnation verantwortlich gemacht wird: den Euro-Austritt. Letztendlich einigte man sich dazu auf einen neuerlichen Formelkompromiss: Ein Austritt aus der europäischen Währung wird vom FN nach wie vor angestrebt, jedoch im Falle einer Machtbeteiligung „nicht zum Beginn, sondern erst als Zielmarke für das Ende der Legislaturperiode“. Damit können vorläufig beide Seiten, Befürworter/innen und Kritiker/innen der Parteiführung und dieser Forderung, irgendwie leben.

Beim FN eskalieren jedoch besonders seit Ende Juni d.J. die innerparteilichen Konflikte. Die FN-Chefin Marine Le Pen hat Anfang Juli 17 angekündigt,  dass beim nächsten Parteitag – er ist nun für „Februar oder März 2018“ geplant – eine „Neugründung“ anstehe. Diese dürfte sich vor allem in einer geplanten Namensänderung für die Partei niederschlagen, die Marine Le Pen noch wenige Wochen zuvor ablehnte, nun jedoch erklärtermaßen befürwortet. Wohl auch, um andere Änderungen inhaltlicher Art abzubügeln.

Sophie Montel, die Philippot nahe stehende Vorsitzende der FN-Fraktion im Regionalparlament Bourgogne-Franche Comté in Ostfrankreich – dort, wo die Partei bei den Regionalwahlen 2015 ihren höchsten Stimmenanteil erhielt – schlug ihrerseits nach dem Scheitern bei der Parlamentswahl vor, die Selbstdarstellung der Partei beim Thema Einwanderung zu überdenken. Ma möge sich für eine „weniger Angst erweckende Kommukation“ entscheiden. Ihre Beweggründe dafür dürften eher strategischer als moralischer Natur sein, denn noch 1996 verteidigte die damalige Jungpolitikerin Montel vehement die heiß umstrittene Äußerung des seinerzeitigen Parteichefs Jean-Marie Le Pen: „Ja, ich glaube an die Ungleichheit der Rassen.“ Dass sie nunmehr scheinbar an ideologischen Grundfesten der Partei bei ihrem Zentralthema „Immigration und Identität“ zu rütteln beabsichtigte, wurde der 47jährigen zum Verhängnis. Am 30. Juni dieses Jahres wurde sie durch Marine Le Pen kalt abserviert und verlor ihren Fraktionsvorsitz, da alle bisherigen Parlamentskollegen ihrer Partei flugs in eine neue Fraktion wechselten.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.