Linksalternative Programmatik
Stichworte zu einem Diskussionsrahmen

von Richard Albrecht

09/2018

trend
onlinezeitung

In diesem Kurzbeitrag geht es um keinen weiteren "Versuch, aus einer miserablen Situation eine etwas bessere zu machen."[1] Diese Politik des kleineren Übels zur Verhinderung von noch Schlimmerem sei Linksliberalen, Sozialdemokraten und sonstigen (bestenfalls reformistischen) Strömungen mit ihrer Hauptausrichtung auf gouvernamentales und Regierungshandeln zur historischen "Ummünzung der Revolution in Sozialpolitik" (Alfred Sohn-Rethel) überlassen. Und weil hier & heute im bürgerlichen Deutschland alle Voraussetzungen für "Revolution" fehlen, soll es um systematisch gruppierte Stichworte einer politischen Programmatik aus linksalternativer Sicht und nicht um eine marxistische Analyse gehen.

Aufstehen

Der Anfang September 2018 unter dem Titel Gemeinsam für ein gerechtes und friedliches Land[2] veröffentlichte Gründungsauruf der Netzinitiative Aufstehen stellt auch im Selbstverständnis kein politisches Programm dar. Sondern ist im Kern eine Reihung – wirklich oder vermeintlich populärer – aktueller Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und politischer Teilhabe im gegenwärtigen gesellschaftspolitischem System der Bundesrepublik Deutschland.

Zur gesellschaftlichen Lage in der Neuen Einen Welt

Allgemein geht es um den seit Anfang der 1970er Jahre ausgebildeten finanzökonomisch bestimmten Imperialismus und dessen Anfang der 1990er Jahre sichtbaren und seit Mitte der 1990er Jahre dominant wirksamen weltmarktbezogenen Globalismus auf verschiedenen Ebenen und in vielfachen Formen. (Dieser nachhaltige Strukturwandel wurde hierzulande zunächst durch den Rauchschleier der deutsch-deutschen Staatsvereinigung politisch verdeckt.) Auf Grundlage der doppelten Verdrängung sowohl des herkömmlichen tayloristischen als auch des neueren fordistischen Akkumulationstyps durch ein ausgeprägt neoliberales Akkumulationsregime gab es die beschleunigte und dynamische Durchsetzung imperialer, US-amerikanisch bestimmter, finanzmarkt-zirkulärer, parasitär-spekulativer, algorithmisiert-entstofflichter Globalökonomie im Weltmaßstab als legalisierte Schwindelökonomie (LESCHWÖK). Entsprechend geht es in dieser Neuen Einen Welt vorrangig darum, dieses neue Weltsystem aktuell zu bändigen und seine zunehmenden auch atomaren Kriegsgefahren, beschleunigten Umweltzerstörungen und weltweiten Armutswanderungen durch nachhaltige Rüstungskürzungen, neuartige und radikale Klimapolitik/en und wirksame Entwicklungprogramme in Armen Welten (derzeit vor allem Afrikas) perspektivisch zu überwinden.

Methodisches

Auch im gegenwärtigen Gesamtdeutschland gibt es unterhalb des großmedial-völkischen Gedröhnes WIR ALLE wesentliche Interessensschwerpunkte, die überlebenswichtige Gemeinsam-keiten der mittleren und unteren gesellschaftlichen Großgruppen ausdrücken. Sie können als wichtiger politischer Forderungskatalog systematisch gebündelt werden und erweisen sich als im gegenwärtigen wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, medialen und ideologischen System nicht verwirklichbar. Sie drücken mögliche Zukünfte, Perspektiven und ihre Entwicklung in einem ande-ren gesellschaftlichen Zuammenhang oder alternativem sozialen System aus.
 

Kernpunkte linksalternativer Programmatik

Im Innern der im Weltmaßstab immer noch hochentwickelten und wirtschaftlich stark exportgerichteten ganzdeutschen Gegenwartsgesellschaft mit ihren zahlreichen inneren Spannungen & Spaltungen, Zerstörungen & Zukunftsblockaden geht es im Besonderen um die Herausbildung, Profilierung und Stärkung von aktiven Friedensströmungen in wirkmächtigen Bewegungen; um existenzsichernde, sozial und ökologisch vertretbare Erwerbsarbeitsplätze zur Bekämpfung, Ein-dämmung und Überwindung von in verschiedenen Formen auftretender metropolischer Armut (vor allem als "relative Deprivation"[3]); um menschenwürdige Perspektiven und Handlungsfelder zur Überwindung nihilistischer Stimmungen, menschenfeindlicher Weltbilder und rechtsextremer Tendenzen als Rahmenbedingungen für Zukunftsängste verschiedener Generationen durch vorwärtsgerichtete Bildungs- und Kulturarbeit; und nicht zuletzt geht es aktuell um gegenwarts- und zukunftsbezogene politische Maßnahmen[4] zu Erhalt, Schaffung und Erweiterung bezahlbaren Wohnraums (nicht als profitable Kapitalanlage von Spekulanten, sondern) als alltägliche Lebens-grundlage von Menschen; um berufsbezogene Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen und um aktive, auch regional wirksame, Infrastrukturpolitik für nicht nur technisch-apparative, sondern vor allem soziale, ökologische, bürgerbezogene und zukunftsgerichtete Mobilitäts- und Medienent-wicklungen in Stadt und Land, in Höhe und Fläche, zu Wasser und zu Lande.

[200918]

Anmerkungen

[1] so Dr. Albrecht Müller (Nachdenkseiten 4. 9. 2018).

[2] https://www.aufstehen.de/gruendungsaufruf/

[3] https://soziologieheutebasiswissen.wordpress.com/2015/02/26/deprivation/

[4] Nach meinen jahrzehntelangen Erfahrungen sind Medizinsystem und allgemeines Schulwesen in diesem Ganzdeutschland überhaupt nicht reformierbar.

Editorische Hinweise

Wir erhielten diesen Artikel vom Autor für diese Ausgabe.

Dr. Richard Albrecht, PhD., Sozialwissenschaftler & Wissenschaftsjournalist, Leitkonzept The Utopian Paradigm (1991), Kolumnist des Linzer Fachmagazins soziologie heute.