Quelle: Wikipedia |
Einer der
schärften Denker unserer Zeit ist tot.
Immanuel Wallerstein verstarb 88jährig am
31. August 2019. Der Promedia Verlag
trauert um einen wegweisenden Autor, dessen
Publikationstätigkeit ihn Jahrzehnte lang
begleitet hat.
Wallerstein stammt aus einer
deutsch-jüdischen Familie, seine Eltern
wanderten ín den 1920er-Jahren von Berlin
in die USA aus, wo Immanuel am 28.
September 1930 zur Welt kam. Er studierte
u.a. Soziologie bei Paul Lazersfeld,
Geschichte, Politikwissenschaften und
Soziologie. |
Seinen Platz im
Kreise der großen Denker wird er als
Mitbegründer der Weltsystem-Theorie einnehmen.
Damit wurde Wallerstein im präzisen Sinn des
Wortes zum Welterklärer, indem er die
Herausbildung wirtschaftlicher Zentralräume und
von ihnen abhängigen Peripherien als notwendig
zusammenhängend sah. Oder anders ausgedrückt
gelang es ihm, die philosophische Erkenntnis
der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen auf
reale wirtschaftliche Verhältnisse im
Weltmaßstab umzumünzen. Damit erteilte er den
vorherrschenden neoklassischen und
marxistischen Modernisierungstheorien ebenso
eine Absage wie postmodernen Ansätzen.
Sein vierbändiges Opus magnum "Das moderne
Weltsystem" ist eine Geschichte des
Kapitalismus von seinen Anfängen im 16.
Jahrhundert bis zu den geistigen und
ideologischen Grundlagen der Globalisierung im
20. Jahrhundert.
Wallerstein war neben seiner wissenschaftlichen
Arbeit immer auch ein politisch engagierter
Mensch. Dies äußerte sich erstmals, als er
einen gut dotierten Dozentenposten an der
Columbia University im Jahre 1971 aufgeben und
als Soziologieprofessor nach Kanada gehen
musste, weil er mit den
Anti-Vietnamkriegsprotesten der Studierenden
sypathisiert hatte. Fünf Jahre später kehrte er
in die USA zurück und blieb bis zu seiner
Emeritierung an der Binghampton University im
US-Bundesstaat New York tätig. Jahrelang
leitete er zudem die "École des hautes Études
en Sciences Sociales" in der Nachfolge des
französischen Historikers Fernand Braudel in
Paris.
In den 1980er-Jahren tourte er zusammen mit
Andre Gunder Frank, Samir Amin, Sulviu Brucan
und anderen im Rahmen der UN-University durch
die Welt und brachte Generationen von
Studierenden ein Kapitalismus-kritisches
Handwerkszeug bei, indem er den Prozess der
Kapitalakkumulation als die entscheidende
Ursache von regionalen Disparitäten und
sozialen Ungleichheiten im Weltsystem benannte.
Immanuel Wallerstein wird uns fehlen. Seinen
wöchentlichen Blog, in dem er die jeweils
aktuellen Brennpunkte aus weltsystemischer
Sicht analysierte, hatte er bereits vor einigen
Monaten nach der tausendsten Ausgabe aus
Altersgründen eingestellt. Seine
grundsätzlichen Werke, die in vielen Sprachen
erschienen sind, behalten jedoch ihre
Erklärungskraft. Darauf aufzubauen, betrachten
wir vom Promedia Verlag als ehrenvolle Aufgabe.
Hannes Hofbauer für den Promedia Verlag
Wien, am 2. September 2019
Zusendung per
email am 2.9.19
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