Nachtrag zu Rosa Luxemburgs Auseinandersetzung mit Marx‘ Reproduktionsschemata sowie zu Ralph Netzkers Berechnung eines Überschusses, den es nicht gibt

von Wilfried Jannack

09/2020

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In ‚Die Akkumulation des Kapitals‘ (1912) entwickelt Rosa Luxemburg ihre Imperialismustheorie. Sie interpretiert die Reproduktionsschemata aus dem 2. Band des Kapital (MEW 24) und stellt die These auf, dass sich nur durch Expansion in nicht-kapitalistische Bereiche die notwendige Nachfrage schaffen ließe, um den Mehrwert zu realisieren. Dadurch werden diese Bereiche allerdings vom Kapitalismus aufgesaugt – erst der eigene Agrarsektor, dann die überseeischen Gebiete. Kolonialismus und Imperialismus folgen der kapitalistischen Dynamik. Luxemburg wurde rundum kritisiert von Pannekoek, Kautsky, Otto Bauer, Rudolf Hilferding, Lenin, Bucharin und anderen.

Hilferding passte 1911 in ‚Das Finanzkapital‘ die Marxsche Theorie „zeitgemäß“ an die entstehenden Monopole, an die Unterbietung entstehender Industrien außerhalb der kapitalistischen Zentren, an Protektionismus und Kapitalexport an. Auch bei Hilferding kann die Arbeiterklasse bei der Kolonisierung nichts gewinnen. Mit fehlender Massenkaufkraft hatte zuvor die Zweite Internationale die Unterkonsumtionstheorie erklärt. Die Vorstellung eines ökonomischen Zusammenbruchs des Kapitalismus lehnt Hilferding  ab. In der demokratischen Republik könne die Arbeiterbewegung über Parlamente und Gewerkschaften als Gegenmacht agieren und so einen krisenfreien Kapitalismus schaffen.

Ralph Netzker weist 2001 einen permanenten Überschuss in der Reproduktion nach, der nicht abgesetzt werden kann. Damit bestätigt er Luxemburgs These. Seine Rechnung ist leider nicht richtig. Im Folgenden versuche ich Netzkers Ansatz nachzuzeichnen, um dann zu zeigen, wo er sich irrt.

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Editorische Hinweise

Wir erhielten den Beitrag vom Autor für diese Ausgabe.

Der TREND-Artikel Das Dilemma der erweiterten Reproduktion  von Ralph Netzker, auf den sich der Autor bezieht, erschien bereits 2001. Auch nach fast zwei Jahrzehnten hat das "Dilemma der erweiterten Reproduktion" zu diskutieren keineswegs an Aktualisität eingebüßt.