Betrieb &  Gewerkschaft
Baking mad
Unbezahlt beim Bahnhofsbäcker


von FAU-Berlin

09/2020

trend
onlinezeitung

Wer mit der Bahn unterwegs ist, kennt sie: Die kleinen Buden der Kaffee- und Snack-Ketten auf den Bahnsteigen. Eine von ihnen backte beim Lohn eher k(l)eine Brötchen – bis ein FAU-Mitglied sie etwas nachdrücklicher darauf hinwies.

Obwohl es ein offenes Geheimnis ist, dass Arbeitsbedingungen für Lohnarbeitende in der Regel nicht allzu rosig aussehen, könnte man annehmen, dass es einige rote Linien gibt, hinter die nicht mehr zurückgefallen wird. Schön wärs.

Diese Annahme erweist sich als falsch, schneller, als man “Aufbackbrötchen” sagen kann: Manche Unternehmen zahlen zum Beispiel einfach keinen Lohn – so geschehen bei der Bahnhofsbäckerei- und Snack-Kette CUCCIS.

Wie konnte es dazu kommen? Wurde darauf gehofft, dass den Angestellten die Lücke auf dem Konto nicht auffallen würde? Wurden die Löhne im stressigen Managements-Alltag einfach vergessen? Wer weiß. Einer der Angestellten (mittlerweile FAU-Mitglied) verfasste zur Sicherheit zahlreiche Erinnerungen in verschiedensten Ausformungen – verbal, per Brief, per Mail, per Sprachnachricht – ohne spürbaren Effekt. Die Bezahlung wurde aus nicht ersichtlichen Gründen wieder und wieder aufgeschoben – und dabei sprechen wir nicht von einigen Tagen, sondern von Wochen.
Bevor er Mitglied der FAU wurde, wandte sich unser Mitglied in der Sache an das BEMA, das Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit, das eine Klage vor dem Arbeitsgericht empfahl und auch das entsprechende Formular zur Verfügung stellte. Zwei Wochen später sollte der Gerichtstermin stattfinden.

Unser Mitglied bereitete sich nun vor – genauer gesagt darauf, sich vor Gericht selbst zu vertreten - eine eher zähe Freizeitbeschäftigung, vor allem, wenn man ihr alleine nachgehen muss. Glücklicherweise blieb das nicht lange so: Ein Freund gab die Kontaktdaten der FAU weiter. Per Online-Meeting konnte der Termin schließlich gemeinsam vorbereitet werden.

Kurz vor knapp kam schließlich neue Bewegung in die Sache, als CUCCIS sich wenige Tage vor der Gerichtsverhandlung darauf besann, dass die Angestellten ja tatsächlich bezahlt werden müssen. Das Unternehmen beantragte die Rücknahme des Falls und zahlte seine Lohnschulden – nicht nur unserem Mitglied, sondern auch zahlreichen anderen Arbeiter*innen.

“Es ist kein Pappenstiel, so einen Prozess zu gewinnen; es ist aber auch nicht unmöglich”, so der Kommentar unseres Mitglieds, “ wenn du von deinem Chef Recht bekommen willst, musst du gut vorbereitet sein. Sammle alle wichtigen Dokumente zusammen, ordne sie und nimm sie als Beweise mit. Das gibt dir die nötige Souveränität, um so einen Fall zu gewinnen.” Sicherlich ist es unfair, dass Arbeiter*innen schlichtweg (unbezahlte) Extra-Arbeit machen müssen, um schlussendlich das zu bekommen, was ihnen ohnehin zusteht. Doch völlig umsonst ist es auch nicht: Einmal zusammengetragen, kann dieses Wissen sehr nützlich sein – nicht nur für den eigenen Job, sondern auch für die Kolleginnen. Aktuell beraten wir einen Arbeiter bei CUCCIS Tochterfirma scoom in einem ähnlichen Fall. Bleibt zu hoffen, dass CUCCIS und Co in Zukunft eher daran denken werden, ihre Arbeiter*innen zu bezahlen.

Quelle: https://berlin.fau.org/news/baking-mad-unbezahlt-beim-bahnhofsbaecker / 25.8.2020