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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


Stimmen zu den Bundestagswahlen aus dem links&radikalen Spektrum

From: J.BOHLKE@PDSLL.zerberus.de   (Jens-Torsten Bohlke)
Newsgroups: cl.gruppen.pds
Organization: Mailbox der PDS im Bundestag

Wahlkampfdebakel der PDS

Hallo Brettgemeinde, liebe Mitstreiter,

uns fehlen hier in Aachen/NRW PDS-Plakate und PDS-Aufkleber!!! Laut Wahlbüro Brie in Berlin im KL-Haus ist bis auf die letzte Nachbestellung  "alles raus". "Alles raus" heißt laut unserem Landesbüro NRW, daß zum Thema ANTIFASCHISMUS Ende Juni 100 Plakate aus Berlin "Nazis raus: aus den Köpfen" für den Wahlkampf der PDS in NRW eintrafen. Und das soll es zu diesem (für mich und andere) wichtigen Thema gewesen sein!? Die PDS- Zentrale in Berlin hat da jedenfalls nichts mehr, der Fonds für Plakate sei voll ausgeschöpft usw., so daß wir hier 1994 vor der Bundestagswahl in und um Aachen insgesamt ca. 750 Plakate (darunter 300 Antifa-Plakate) anbringen konnten und jetzt 1998 nur auf ca. 120 Plakate (darunter keine Antifa-Plakate) kommen, - eben weil nichts lieferbar ist! (Daß ich dies bescheuert und sabotierend finde, muß ich nicht deutlicher ausführen.)

Am 13.8.98 trat Gregor Gysi vor 500 Menschen (Zahl stammt aus der Lokalpresse Aachens) in Aachen auf. 14 Tage vor der Veranstaltung hingen  unsere Wahlkämpfer 120 vorhandene Gysi-Plakate. Diese (zugegebenermaßen nicht mehr aktuellen) Plakate lassen wir jetzt hängen, damit überhaupt etwas hängt. Diverse Stadtviertel und Wohngebiete, wo wir 1994 mit Plakaten präsent waren, können wir nicht ansprechen, weil wir keine Plakate mehr haben. Unser Ziel, die 1,5 Prozent von 1994 zu verdoppeln, werden wir in der Stadt Aachen so kaum erreichen können. Für den Landkreis haben wir nahezu nichts an Plakatierungen, dafür aber immerhin einen zweiten dort tätigen Infotisch.

Die jetzt hängenden Plakate fanden nur wenig Zuspruch. "Linksdruck gegen   Rechtsruck" ist zwar eine ansprechende Parole für Antifaschismus light, kann aber "Nazis raus: aus den Köpfen" nicht ersetzen, zumal Angela Marquardt in der Lauer-Pose schlecht rüberkommt, was hätte vermieden werden müssen. Das Protestplakat "Zeichen setzen" mit Stinkefinger usw. outet unsere PDS als ordinäre Truppe und hat mit linkem Inhalt nichts mehr zu tun, sondern manifestiert nur Allgemein-Protest. "Geil" und "cool" finden wir PDS-Plakatierer uns und und die PDS nicht gerade, - bringen aber jene Plakate dennoch an, die wohl für 10 Jahre alte Grundschüler gedacht sind, falls die irgendwo irgendwann mal wählen dürfen. Einzig unsere NRW-Spitzenkandidatin Ulla Jelpke versieht sich auf dem Plakat ansprechend mit linkem Inhalt, und für deren Mandat kämpfen wir hier engagiert.

Gysis Rede hier war gut und kam gut an. Zwei Kollegen von mir waren auch aus reiner Neugier dabei und wollen nun PDS wählen. Im Interview in der Lokalzeitung geniert sich unser bester Frontmann jedoch nicht, die Marginalität der Kommunisten innerhalb der PDS zu bejubeln. Immerhin knüpft er nicht an Andre Brie an, der darüber hinaus noch die ganze West-PDS als politikunfähig im "Spiegel" abstempelt.

Mich enttäuscht solcherlei Gebaren sehr. Der hochbezahlte Parteifunktionär  Brie versagt aus meiner Sicht als zentraler Wahlkampfleiter 1998, wenn er Teile der eigenen Partei im Wahlkampf niedermacht und uns hier materiell arg sabotiert (zuwenig Plakate, inhaltlich viel schlechtere Plakatmotive als 1994...).

Ich unterstütze daher die kürzlich massiver gewordene Forderung, daß Andre   Brie seinen Hut nehmen sollte. Und ich setze da noch hinzu, daß es für Genossen wie den Parteivorsitzenden, Fraktions- bzw. Bundestagsgruppenvorsitzenden, Bundesschatzmeister und "Chefideologen" durchaus Konsequenzen haben müßte, wenn solche exponierten Funktionsträger aus ihrer Rolle als Integrationsfiguren der PDS herausfallen und sich durch unsachliches Heruntermachen der KPF bei Antikommunisten anbiedern  wollen. Eine zweite SPD brauchen wir in der BRD nicht, - auch den jetzt sichtbarer denn je gewordenen Ruck von einer linken zu einer allgemeinen bürgerlich-demokratischen Wahlpartei brauchen wir nicht für die PDS. Angeblich ruft die PDS-Basis nach Ministersesseln in Mecklenburg- Vorpommern und anderswo, - ich habe da noch nie jemanden rufen hören. Veränderung beginnt mit Opposition und nicht mit Mitmachen! Sachsen-Anhalts Entwicklung zeigt deutlich, daß Tolerierungsmodelle wenig Sinn machen, wenn sich unsere PDS in die Gestaltung der Misere der derzeitigen Kapitalherrschaft einbinden läßt, - denn verändern konnte die PDS in Sachsen-Anhalt für die Bevölkerung dort wohl spürbar gar nichts, und sie konnte nicht mal die faschistische Gefahr eindämmen!

Wozu haben wir hier in Aachen-Stadt und Aachen-Landkreis im westlichsten Zipfel der BRD PDS-Direktkandidaten aufgestellt, wenn unsere eigenen führenden Funktionäre in Berlin uns als politikunfähig in die Medien bringen? Was haben wir einem Andre Brie da angetan?
Ich möchte dieses Datennetz dazu nutzen, insbesondere die Mitlesenden aus dem Osten mal anzuregen darüber nachzudenken, ob das "unerschütterliche Vertrauen in die führenden Genossen unserer Partei...führung" wirklich noch zeitgemäß ist. Ich halte sehr bald den Moment für gekommen, unsere Obrigkeiten in der PDS mal kritisch zu betrachten und auf den Prüfstand zu führen. Die linksplurale PDS ist mehr als ein rechtssozialistisches Küchenkabinett von Kaspern und Politikastern dieser korrupten "politischen Klasse" der Moderne!

Übrigens: Eben kam ich nach Mitternacht von meiner Arbeit und fuhr noch nach Stolberg, was von 1952 bis heute Zentrum der militanten faschistischen Wiking-Jugend ist. Wie schön war es doch, daß die vielen bei Tageslicht dort im Industriegebiet massiv angebrachten DVU-Plakate bereits verschwunden waren und ich zufrieden hier an die Box gehen kann.

Aus dem Osten hörte ich, daß dort vielerorts die Neonazis die Straßen beherrschen, unsere PDS-Verteiler und -Plakatierer angreifen, so daß etliche PDS-Gruppen in Ortschaften bis zu 3000 DM sammeln, um die PDS- Wahlzeitung per Post in die Briefkästen zu befördern... .

Liebe Ost-PDS, BITTE SCHICKT UNS EURE PLAKATE HER an Jens Bohlke, Trierer Str. 150, 52078 Aachen! Wir brauchen sie und lassen uns nicht abschrecken zu plakatieren. Wir sind allesamt im besten Alter und raten keinem Neonazi uns anzurühren, denn hart arbeitende Proleten wie wir können hart zurückschlagen.

Rote Grüße aus Aachen!

Jens Bohlke, der sich nicht nur ueber Reaktionen freut.

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!

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Nr.9/1998