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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


ID-SCHLESWIGHOLSTEIN@BIONIC.zerberus.de

(idsh)im rahmen der kampagne gegen das öffentliche gelöbnis am 18.8. wurden in kiel drei kriegsdenkmäler mit parolen versehen, sowie der versuch unternommen dem bismarck-denkmal im kieler hiroshima-park das schwert zu klauen. Folgender text ist die dokumentation der erklärung dazu:

wir dokumentieren:

Kein Frieden mit Imperialismus und Patriarchat!

Als Zeichen unseres Unmuts über das geplante öffentliche Bundeswehrgelöbnis am 18.8. in Kiel haben wir die Kriegsdenkmäler in Wik (Seesoldeten-Denkmal) und an der FußgängerInnen-Brücke zur Kiellinie (Langemarck-Denkmal) mit antimilitaristischen/antipatriarchalen Parolen versehen. Außerdem haben wir das Bismarck-Denkmal im Hiroshima-Park mehrmals aufgesucht, um Bismarck`s Schwert zu klauen. Leider ist diese Aktion gescheitert, weil das Ding einfach zu gut befestigt ist oder wir einfach zu schlecht vorbereitet waren (dabei sei angemerkt, daß konkrete Planung und eine gute Vorbereitung die besten Garanten für das Gelingen einer Aktion sind). Immerhin haben wir das Schwert aber soweit verbogen und die Schweißnähte eingerissen, daß es jetzt mehr nach einem Löffel aussieht und die nächsten Versuche, die hoffentlich bald unternommen werden, schon mal unter einem etwas besseren Stern stehen.

Bismarck, der alte Patriarch, gilt als Mythos, als Symbol für den soldatischen Mann, hart im Nehmen, noch härter im Geben. Seine Politik hieß Krieg, Krieg gegen alle, die die Monarchie beseitigen wollten, die Vorherrschaft Preußens in Frage stellten, Krieg gegen die sich formierende ArbeiterInnen-Bewegung (der Gesinnungsparagraph 129/129a basiert auf den von Bismarck durchgesetzten sog. Sozialistengesetzen), kolonialistischer Krieg gegen die Menschen in anderen Kontinenten. Bereits vor über 100 Jahren überfielen deutsche Soldaten Länder in vielen Teilen der Welt , um sie zu kolonisieren, auszuplündern, die BewohnerInnen auszubeuten und zu versklaven. Auch damals sprachen die Mörder und ihre Auftraggeber nicht von Krieg und Unterwerfung, sondern von "Schutzgebieten", "Protektoraten" und "Schutztruppen" und schufen sich ihre eigene Ideologie, die militärische Interventionen vor der Öffentlichkeit rechtfertigte, ja zu notwendigen Maßnahmen zivilisatorischen Denkens stilisierte. Offener Rassismus war das vorherrschende Element dieser Ideolgie. Menschen aus anderen Regionen wurden zum Teil mit Tieren gleichgesetzt, die - unfähig, ein zivilisiertes und gottesfürchtiges Leben zu führen und demzufolge zu ebensolchem - erzogen werden müßten.

Wie schon damals, so ist auch heute Rassismus das wesentliche Element, um Überfälle auf andere Länder vor der Öffentlichkeit zu legitimieren. Es werden Bilder der Menschen und der Gesellschaft in sogenannten Krisenregionen gemalt, die sich trotz ihrer vermeintlichen Unterschiedlichkeit wie Mosaiksteinchen zu einem rassistischen Gesamtbild zusammenfügen: Der angeblichen Unfähigkeit der Menschen, ihre Gesellschaft und ihr Leben selbst zu organisieren. Die BewohnerInnen werden reduziert auf einheitliche Massen ohne Individualität: hungernd, flüchtend, fanatisch, bestialisch mordend, massakrierend, beherrscht von tyrannischen Monstern, unfähig, Konflikte zu lösen. Dieser Darstellung schließt sich nahtlos die Berichterstattung über Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, an: wieder sind es einheitliche Massen, diesmal reduziert auf das Streben nach Asyl, auf Haut- oder Haarfarbe, auf "kriminelle Energie". Wer fragt sich schon, was der eine Migrant oder die andere Migrantin für ein Leben geführt haben, bevor sie nach Deutschland kamen? Dieses rassistische Bild wird nicht selten auch ohne Schönfärberei formuliert. So schreibt die FAZ: "Bundeswehrsoldaten, die im Rahmen der Vereinten Nationen helfen sollen, müssen sich verteidigen können gegen diejenigen, die sich oder anderen nicht helfen lassen wollen."

Klare Worte auch vom Bundeswehrpamphlet "Truppenpraxis" bei der Frage, mit welchem "Menschenschlag" es die Eingreiftruppen zu tun haben werden: "( .. ) mit Banditen, die keine Loyalität kennen, aus Gewohnheit Gewalt anwenden und an Recht und Ordnung kein Interesse haben. (...) ein Mann, der im Frieden keine Zukunft sieht, beruflich schlecht ausgebildet ist, seinen Lebensunterhalt nicht auf ehrliche Weise verdient und für Frauen als Lebenspartner keine soziale Attraktivität besitzt. Mit der Waffe in der Hand und nationalistische Phrasen dreschend ermordet er die, die ihn einmal gedemütigt haben, vergewaltigt Frauen, die ihn früher gemieden haben, und raubt, was er sonst nie besessen hätte.(...)Bundeswehrsoldaten haben keine Vorstellung von der Grausamkeit, zu der diese Art Krieger fähig ist. (...)Es wäre jedoch unklug, sie nicht für die brutalen kleinen Kriege gegen die kleinen bösen Männer auszubilden (...)".

Die militärische Durchsetzung imperialistischer Interessen erfordert eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, die durch die Militarisierung der Gesellschaft und des öffentlichen Raumes erlangt werden soll. Unter Militarisierung verstehen wir die Gesamtheit der sozialen und gesellschaftlichen Prozesse hin zur Nation als kriegführender Partei. Im Kern zielen diese Prozesse auf eine Verschärfung innerer Widersprüche und hierarchischer Strukturierung ab.

Rassismus und Sexismus bilden die ideologische Grundlage dieser gesellschaftlichen Neuformierung, sie sind die Waffen im Kampf um den eigenen Platz in der sozialen Hierarchie. In diesem Zusammenhang stehen sowohl die Angriffe auf Flüchtlinge, Nicht-deutsche und Nicht-Weiße als auch die patriarchale Offensive seit Mitte der 80er Jahre gegen Frauen und feministische Positionen. Das männlich- patriarchale Ziel der totalen Verfügungsgewalt über den Körper der Frau und die von ihr geleistete Reproduktionsarbeit wird im Hinblick auf den Prozeß der Militarisierung offener, brutaler und widerspuchsloser durchzusetzen versucht. Die Aufwertung der Armee, des größten, gewalttätigsten und am meisten akzeptierten aller Männerbünde, dem Männerbund, der das Monopol auf Waffen besitzt, zieht eine Kette von Prozessen mit sich, die das gesellschaftliche und persönliche Kräfteverhältnis der Geschlechter drastisch zu Gunsten der Männer verschieben soll. In der Armee wird die Verfügungsgewalt total, die Loslösung aus dem direkten sozialen Verhältnis zu Frauen, einhergehend mit organisierten Bordellen und Massenvergewaltigungen, ist das Fundament, auf dem das Geschlechterverhältnis neu definiert werden soll. "Die Bedingungen des Krieges ermöglichen die unmittelbare Durchsetzung der angestrebten Pläne. Sie organisieren ein patriarchales Lernprogramm (in der Schule der Nation) zur Durchsetzung neuer Umgangsformen. Krieg ist bloße Übergangszeit zur Nachkriegszeit, zur reformierten Gesellschaft." (Ruth Seilert Militarsoziologin) Krieg gegen andere Länder ist immer auch Krieg gegen Frauen. Kolonisierung anderer Länder geht immer einher mit der verschärften Kolonisierung von Frauen. Auch in diesem Zusammenhang ist das Zitat aus bereits oben erwähnter Bundeswehrzeitung zu verstehen: "(...) Das 21.Jahrhundert wird die Ära eines neuen Kolonialismus sein (...) Die Kolonien der Zukunft werden vor allem Ressourcenlieferanten und Absatzmärkte für die Kolonialmächte sein (...)"

Die Männer, die als Speerspitze in diesem Krieg agieren sollen, werden nicht erst in der Armee zu Soldaten und Mördern gemacht. Der Mann, der gehorsam alle Befehle ausführt, unhinterfragt, mordend auf Befehl, ohne zu zucken, cool und überlegen, der Mann, dessen Herz und Hirn in ein Schwert verwandelt wurden, ist das Produkt verschiedener Prozesse in einer Kette von patriarchalen Zurichtungsstätten, die er im Laufe seines Lebens durchläuft. Stätten, in denen Kinder zu Mädchen und Jungen, und Mädchen und Jungen zu Frauen und Männern gemacht werden. Die geschlechtsspezifische Zurichtung fängt an beim kleinen Jungen, der Angst hat, zu weinen und schwach zu sein, dessen Panzer mit jedem Tag seines Lebens härter und undurchdringlicher wird, der schnell lernt, seine Ohnmacht durch Macht über andere, vor allem Mädchen, zu kompensieren. Auf der anderen Seite der Spaltungslinie steht das kleine Mädchen, das nicht widersprechen und sich nicht wehren darf, das Tag für Tag ihre Wut wie einen großen Stein verschluckt, und schnell lernt, ihre Ohnmacht als naturgegebene Bedingung ihres Mädchenseins zu akzeptieren.

Das Geschlecht ist ein Konstrukt der patriarchalen Gesellschaft, das Fundament der Ideologie von Heterosexualität und Sexismus. Es ist das Hauptzuweisungskriterium für die Platzvergabe in der patriarchalischen Hierarchie, nach der Männer über Frauen, Erwachsene über Kindern stehen. Welche jeweiligen Eigenschaften den beiden Geschlechtern zugeschrieben werden, ist nicht bis zum Ende der Geschichte festgesehrieben. Es gibt und gab durchaus partielle Veränderungen darin, was es heißt, ein Mann oder eine Frau zu sein (wobei "weiblich" meist nur als die der "männlichen" entgegengesetzen Eigenschaft definiert wird). Waren es in den 70ern die Hippies, die als alternatives Männermodell in Frage kamen, so waren es in den 80ern die Softies und in den 90ern dann der "Wilde Mann". Diese Männerbilder waren jedoch allesamt gesellschaftliche Randerscheinungen. Die traditionelle Männerrolle behielt stets ihre Vormachtstellung. Der soldatische Mann ist nach wie vor ein gesellschaftliches Leitbild: der Mann, der nur in Konkurrenz zu anderen Männern existieren kam, der Gewinnertyp, der keine Schmerzen kennt und seine Gefühle beherrscht, der Macht über andere (vor allem Frauen) hat und sich höheren Prinzipien unterordnet, der Einzelkämpfer, der rudimentäre Bedürfnisse nach Zärtlichkeit, Wärme, Zuneigung und Geborgenheit nur noch in einer kaputten, sexualisierten Mischung aus Gewalt und Macht Frauen gegenüber zu befriedigen versucht, der Mann, der sich seinen Platz auf der Leiter des männlichen Konkurrenzkampfes erobert, um von dort nach unten zu treten und nach oben zu kriechen.

Die offensive antiimperialistische Parole 'Krieg dem Krieg' leuchtet in Betrachtung der geschilderten Zusammenhänge in einem volleren Licht. Es geht uns darum, Krieg als mehr zu begreifen als die direkte militärische Intervention und Unterwerfung anderer Länder, wie, sie im Kosovo unter Beteiligung deutscher Soldaten vermutlich kurz bevor steht. Die Militarisierung und patriarchal-rassistische Hierarchisierung der Gesellschaft, der Köpfe und Herzen der Menschen, sind Teil des Krieges. Die imperialistische Ordnung der Welt ist zugleich eine rassistische und sexistische. Krieg dem Krieg heißt jeden Teil dieser Kriegsmaschinerie anzugreifen, ihr Barrikaden in den Weg zu stellen, den Prozeß der gesellschaftlichen Formierung zu sabotieren, die patriarchalen Männerbünde zu entwaffnen und sich der eigenen Zurichtung zum soldatischen Mann zu verweigern, keinen Frieden mit dem Patriarchat und seinen Privilegien zu schließen, sondern um die Befreiung der eigenen Herzen und Köpfe zu kämpfen.

Gelöbnisse verhindern!

Krieg dem Krieg!

Der Kampf um Befreiung ist international, antipatriarchal und antirassistisch!

Kiel, 17.08.98

 

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Nr.9/1998