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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


Dokumentation zu Rostock
Quelle: http://www.rrz.uni-hamburg.de/JUKO/out/rostock.htm

Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!
Wenn Staat und Medien lügen oder die Wahrheit unterdrücken, müssen   Augenzeugen berichten.

JUKO-AMS war in Rostock und berichtet von der angeblichen
Autonomen-Demo:

Nach umfangreichen und schikanösen Vorkontrollen waren wir auf den
Treffpunkt am Steintor, gegenüber der Warnowbrücke, einem von zwei möglichen Zugängen nach  Dierkow, wo sich der  Treffpunkt und Kundgebungsort der NPD befand, gelangt. An dieser  Stelle warteten bereits mehr als 1000 DemonstrantInnen, etwa   ebensoviele kamen im weiteren noch hinzu. Deutlich weniger als  erwartet und nötig. Vor allem aber, weit weniger als die Faschisten  auf der anderen Warnow-Seite.
Trotzdem war es für uns klar, daß unser Protest sich möglichst weit
auf die NPD-Demonstration  zubewegen müsse, damit auch in Dierkow ein deutliches Zeichen gesetzt  wird, daß die Faschisten nicht ohne Widerspruch bleiben. Dies bedeutet   nicht, daß wir es darauf anlegten, uns mit Faschisten oder der Polizei zu  schlagen. Nicht einmal für erstere wären die Kräfteverhältnisse   ausreichend gewesen und die Polizei war die am besten ausgerüstete und   zahlenmäßig stärkste Gruppe vor Ort.

Nach längerem Warten auf unserer Auftaktkundgebung eroberte sich unsere Demonstration gegen den Widerstand der Polizei endlich die  Straße, was nun eimal die erste und unmittelbarste Voraussetzung für eine Demonstration überhaupt ist. Zuvor bereits hatte die Staatsmacht unmißverständlich deutlich gemacht, wie sie mit Menschen umzugehen gedachte, die sich dieser Straße zu sehr näherten. Der Demonstrationszug setzte sich dann in  Richtung Lichtenhagen in Bewegung. Nach ca. 300 m wurde allerdings der Versuch unternommen, durch die Große Wasserstraße am Rathaus vorbei in Richtung Dierkow umzuschwenken. Was auch beinahe gelang, weil die Polizei insgesamt langsamer war als die Spitze der Demonstration. Die in windeseile herbeigeführten Polizeikräfte versuchten die Demonstration durch einen rabiaten Schlagstockeinsatz aufzuhalten und auf die ursprüngliche Route zurückzudrängen. Dies gelang ihnen. Es gelang ihnen insbesondere, weil sich einige DemonstrationsteilnehmerInnen besonders autonom fühlen mußten und anstatt die Chance des Moments zu nutzen und durch die zu diesem Zeitpunkt schwachen und unkoordinierten Polizeikräfte hindurchzugehen aus dem Block zurückwichen, um von hinter der Demonstration mit Steinen und Flaschen auf die Polizeikräfte zu werfen.

Zum Werfen von Gegenständen auf die Polizei kann Mensch sicherlich
unterschiedlicher Meinung sein. In diesem Fall jedenfalls spielte es der Polizei in die Hände. Der  Durchbruch gelang nicht und die Staatsmacht hatte Grund für eine ausführliche Knüppelorgie mit den rasch herbeigeführten Polizeiherden und für einen mobilen Kessel, der die Demonstration von da an einschloß. Zudem landeten einige der Wurfgeschosse in den eigenen Reihen und richteten so mehr Schaden an, als sie je in der Lage waren auch nur zu erreichen. Denn selbst ein Stein springt von einem Polizeihelm einfach ab, wie ein Flummi. Die Polizei reagierte maßlos. Wahllos knüppelten sächsische Polizisten auf alle ein, die ihnen gerade vor ihre Schlaginstrumente gerieten. Polizisten schlugen noch auf längst wehrlos am  Boden liegende wie die Berserker ein. Offensichtlich sollten hierbei schwere Verletzungen erzielt werden. Ein hier abgestellter PKW wurde dabei von der Polizei, weil im Weg, mitbearbeitet und beschädigt. Der betroffene  Fahrzeughalter sollte sich an die Landesregierung Sachsens wenden. Von diesem Augenblick an wurde die Demonstration mit einem mobilen Kessel  umgeben, niemand durfte von diesem Zeitpunkt an die Demonstration  verlassen - außer jene, die von der Polizei herausgegriffen wurden. Immer  wieder stießen Polizeieinheiten in die Demonstration, um dort einzelne  herauszugreifen und zu 'bearbeiten'.

Kurz darauf erreichte die Demonstration die Nachricht, daß einer der
zentralen Infostände am  Zirkuszelt Fantasia von einer größeren Anzahl Faschisten angegriffen  wurde. Der Demonstrationszug  befand sich zu diesem Zeitpunkt nur wenige hundert Meter vom Zelt  entfernt. Die Polizei verhinderte  durch massiven Einsatz, daß die Demonstration dem angegriffenen  Infostand zur Hilfe eilt. Wie wir   später erfuhren, waren, obwohl die Polizei an jeder Ecke stand und  jegliche Bewegung in der Stadt  kontrollierte, 60 Faschisten bis dahin vorgedrungen, warfen Steine und  verletzten etliche. Die Krönung dieses Angriff schließlich bestand darin, das einer der Angreifer mit einem Auto eine umstehende Person überfuhr.
Derweil die Polizei selbst nicht eingriff, verhinderte sie, daß  TeilnehmerInnen der Demonstration dies taten. Die Polizei trägt so aus unserer Sicht eindeutig Schuld an diesem Vorfall, den sie selbst als einen bedauerlichen 'Verkehrsunfall' am Rande ohne politischen Hintergrund darstellt. Vielmehr nutzte sie diese Gelegenheit für eine medienwirksame Inszenierung. Der herbeigerufene Rettungswagen, für dessen Durchfahrt die Demonstration trotz Knüppelei der Polizei Platz machte, wurde von Polizisten für die Kameras zum angeblichen Schutz vor den 'autonomen  Gewalttätern' umstellt und schließlich umgeleitet. Hier zeigte sich  deutlich, wessen Geistes Kind der Polizeieinsatz war. Deutsche Polizisten  schützten die Faschisten, ohne diesem Mordpack auch nur irgendwie das  Handwerk zu legen.

Die Demonstration bewegte sich schließlich weiter, immer noch vom
ständig verstärkten Kessel  begleitet und regelmäßigen Polizeiangriffen ausgesetzt. Als besondere  Sadisten erwiesen sich die Beamten der freiesten Stadt der Welt. Der  Berliner Polizeizug 113 war sich nicht zu schade, in aller Öffentlichkeit   einen Demonstrationsteilnehmer zu quälen. Dieser war zuvor aus der   Demonstration herausgegriffen worden. Derweil 4 Beamte ihn in die Höhe   hielten nahm ein fünfter dessen Fuß und verdrehte diesen - so ähnlich, wie   vor einigen Jahren Hamburger Beamte mit dem Journalisten Oliver Neß. Falls der Betroffene diese Zeilen liest, werden wir gerne den Vorfall bezeugen.

Zur Tragik der Demonstration gehörte, daß es keine richtige
Demonstrationsleitung gab und die provisorische Leitung im Lautsprecherwagen heillos überfordert war. Die Demonstration war zu keiner  Zeit in der Lage, sich wirklich gegen die vollständige Übermacht und  Gewaltbereitschaft der Polizei zu   wehren bzw. diese zu verhindern. Ein schweres Versäumnis war auch, daß nicht versucht wurde, die beiden Gegendemonstrationen zusammenzuführen und  hierdurch diese unerträgliche Situation zu beenden. Ein großes Dankeschön  also an die Rostocker InitiatorInnen, deren Sicherheitspartnerschaft mit  der Polizei, mit zur Trennung in gute und böse DemonstrantInnen führte.

Der Demonstrationszug wurde schließlich doch zum Zirkuszelt Fantasia
gelassen, wo die Demonstration offiziell aufgelöst wurde. Die Abfahrt der
TeilnehmerInnen wurde allerdings durch die  Polizei bis spät in den Abend verhindert und durfte nur unter  Begleitung starker Polizeikräfte im Konvoi bis fast an die   Landesgrenze von Mc Pomm (bis kurz vorWismar) erfolgen.

Fazit: wir haben mit 127 Festnahmen und 7 Haftbefehlen teuer bezahlen müssen, daß es einen politischen Willen der Polizeiführung gab, die Naziprovokation zu einem Erfolg der NPD werden zu lassen. Besorgniserregend ist auch die relativ geringe Zahl der GegendemonstrantInnen auf den beiden Demos. Es scheint, als hätte sich Deutschland bereits damit abgefunden, endgültig ins vierte Reich zu marschieren. Unsererseits werden wir jedoch nicht ablassen, dies mit aller Macht (wenngleich diese leider noch sehr gering ist) zu verhindern.
Es bleibt dabei:  Keinen Fußbreit den Faschisten. Eine Staatsmacht, die diese schützt,  zeigt nur, wem sie  gehört und wohin sie deshalb selbst gehört: ins Museum der Altertümer,  neben das Spinnrad und die bronzene Axt. Ohne Revolution läuft gar nichts.

Ein Nachsatz zur Berichterstattung: In den Medien wurde öffentlichkeitswirksam über den Angriff  einiger Autonomer auf eine Straßenbahn nach Dierkow berichtet. Wie die  Süddeutsche in ihrer Ausgabe vom 21.09. berichtete, gehörten zu den  Fahrgästen dieser Bahn nicht nur etliche Kahlgeschorene, sondern auch der bekannte Nazi und NPD-Kandidat Manfred Roeder (wir erinnern, die   Führungsakademie der Bundeswehr ..).

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Nr.9/1998