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Revolutionsbräuhof (RBH)
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Was spricht für Jörg Haider?

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3.10. Parlamentswahlen in Österreich

Haider waehlen, weil er »nicht alles anders, aber vieles besser macht«? Weil Sie genug haben von den Politikern, die immer nur in die eigene Tasche wirtschaften, von den Skandalen, den hohen Mieten und dem Strompreis? Und natuerlich: Von den »Auslaendern«? Weil die »uns« alles wegnehmen? Die Wohnungen, die Weiber und die Sitzplaetze in der Strassenbahn?

Und ueberhaupt! Sie haben nie viel gehabt vom Leben? Eigentlich war immer alles grau in grau? Viel Arbeit? Nur Schinderei? Wenig Lohn? Einmal im Jahr Urlaub? Ein Chef, der schikaniert und keift? Dann wieder arbeitslos? Fuer Sie wird dann alles besser, weil Sie einer von den »Fleissigen und Tuechtigen« sind? Papperlapapp. Und wenn Er das anders sieht? Sie ein »Volksschaedling« sind?

Haider will - wie alle Politiker - Ihre Stimme. Wenn er die hat, haben Sie nicht mehr viel zu sagen. Er ist an der Macht, und Sie duerfen wieder arbeiten und arbeitslos sein; oder auch nicht, weil es dann vielleicht Zwangsarbeit fuer Arbeitslose geben wird.

Wenn Sie nicht zu den wenigen gehoeren, die oben sind in dieser Gesellschaft, haben Sie unter einer FPOe-Regierung nichts zu lachen. Die wird naemlich eine unternehmerfreundliche Politik betreiben. Einen beispiellosen Sozialabbau durchpeitschen. Den Reichen die Steuern senken (»Flat tax«), die Arbeitsschutzgesetze aushoehlen.

Sie werden dann mehr arbeiten, weniger verdienen, weniger freie Tage haben. Die Wohnungen werden auch nicht billiger werden. Aber ein Versprechen wird er wenigstens halten und die »Auslaender« rausschmeissen? Und was haben Sie davon? Wollen Sie deren Dreckjobs wirklich machen? In ihren feuchten Substandardwohnungen leben? Nein, die »Auslaenderfrage« ist der groesste Volksbetrug von allen. Weil Ihr kleines, erbaermliches Leben dadurch, dass es denen dreckiger geht, keinen Deut besser wird. Sitzplaetze in der Strassenbahn gibt¹s in Wirklichkeit zur Genuege. »Ein gesunder Geist in einem gesunden Koerper«, so laesst Haider sich in Kaernten plakatieren. Was passiert unter solch einem Politiker mit psychisch Kranken? Mit Behinderten? Alten und Schwachen?

Nein, Haider ist nicht ganz einfach ein Politiker wie alle anderen. Und: eine Regierungsbeteiligung der FPOe kein normaler Regierungswechsel. Sondern bedeutet moeglicherweise die Gefahr eines autoritaeren Regimes. Was das heisst? Dass es Grundrechte, die heute selbstverstaendlich sind, nicht mehr gibt. Dass die skandaloese Polizeiwillkuer, die Brutalitaeten, die Uebergriffe, die heute vor allem »auslaendischen« Menschen passieren, drastisch ausgeweitet werden. Auf Sie vielleicht, wenn Sie ein bisschen zu viel reden.

Fazit: Nichts spricht fuer Haider! Und Sie sollten sich sehr genau ueberlegen, ob Sie ihn wirklich wollen. Und wenn Sie ihn nicht wollen, duerfen Sie ihn auch nicht waehlen. Sollten vielleicht besser gegen ihn waehlen. Diejenigen Parteien, die eine Koalition mit der FPOe ausdruecklich ausschliessen. Ohne irgendwelche Illusionen in diese Parteien, denn die werden nichts fuer Sie tun. Das koennen nur Sie selber, wenn Sie sich engagieren und fuer die eigenen Interessen den Mund aufmachen. Sich auf die Fuesse stellen.

Aber verhindern koennen Sie am 3. Oktober etwas: Joerg Haider und die rechts- rechte, autoritaere Politik der FPOe! »Jetzt erst recht«:

Keine Stimme fuer Haider!

Gib Gummi! - Staatsstreich in Metaphern

Wolfgang Schuessel hat eine Koalition mit der FPOe sowieso nie prinzipiell ausgeschlossen; neuerdings meint auch Heinrich Neisser, der 2. Nationalratspraesident der OeVP, dass sich die grosse Koalition ueberlebt hat. Der steirische Landesrat Hirschmann kann sich Herbert Scheibner schon immer als »guten Vizekanzler« vorstellen, und OeVP-Landwirtschaftsminster Molterer sagt: »Was nach dem 3. Oktober passiert, ist voellig offen«. Wer glaubt, nach den EU-Wahlen waere die FPOe zumindest kurzfristig eingebremst, der irrt. Schwarz-Blau ist auf dem Weg.

Wenn Haiders Generalsekretaer Peter Westenthaler (vulgo Hojac) naemlich von der »freiheitlichen Waehlerrueckholaktion« spricht, die am naechsten Tag nach den verlorenen EU-Wahlen beginnen soll, und die Nationalratswahlen mit dem »Grand Prix von Oesterreich« vergleicht, bei dem die FPOe als Erste durchs Ziel gehen wird, so ist das kein Scherz, sondern zeigt recht eindrucksvoll den politischen Horizont der Moechtegernmachthaber in Spe auf.* Brumm, brumm; toeff, toeff. Wer bremst, verliert.

Es ist kein Scherz: Nein, die sind so! Und wollen die Macht.

Eine Regierung anders als die anderen

Eine Regierungsbeteiligung der FPOe ist kein normaler Regierungswechsel. Es ist keine Panikmache, wenn behauptet wird, eine Regierung unter Haider sei eine Katastrophe. Vielmehr ist das Ignorieren dieser Entwicklung - weiter verbreitet als man denkt - ein weiterer Schritt, Haider den Weg zu ebnen. Es waere ein fataler Irrtum, anzunehmen, dass ein Regierungswechsel zu Haider das gleiche waere wie ein Wechsel zwischen SPOe und OeVP. Und es ist eine sehr vage Hoffnung, dass »die Suppe nicht so heiss gegessen wird, wie man sie kocht«. Und andererseits ist es voelliger Unfug, eine potentielle Regierung Haider mit historischen Vergleichen desavouieren zu wollen. Dieser Versuch, von der SPOe jahrelang halbherzig betrieben, ist gescheitert. Dass Haider kein Hitler ist, ist zu offensichtlich, als dass auf eine solche Propaganda irgendwer reinfallen wuerde. Vielmehr faellt eine solche Behauptung auf deren Protagonisten zurueck - einem, der so »luegt«, glaubt man dann auch den Rest nicht.

Dass eine Regierung Haider fuer viele Personen gefaehrlich werden kann, soll nicht unter den Tisch gekehrt werden. Nur ist nicht jedes Regime, das Teile seiner Bevoelkerung an Leib und Leben bedroht, gleich Faschismus. Eine solche Gleichsetzung verstellt den Blick auf das Eigentliche. Eine Regierung Haider ist nur zu verhindern, wenn man weiss, was sie ueberhaupt sein wird. Ohne der Zunft der Kaffeesatzleserei zu verfallen, lassen sich - vor allem aus Haiders Aussagen ueber die Jahre hinweg - Grundzuege einer solchen Gesellschaft zeichnen. Es zeichnet sich ab, dass ein konsolidiertes Regime Haider die Gesellschaft voellig umgestalten wird. Institutionen und Rechte, die als selbstverstaendlich angesehen werden, koennten abgeschafft beziehungsweise in ihrer Zielsetzung verdreht werden.

Vorab vielleicht noch dies: Wir sind weit davon entfernt, die heutige Gesellschaft schoenfaerben zu wollen. Oesterreich ist jetzt schon verabscheuungswuerdig genug. Das Leben hier ist fuer viele, sehr viele, nichts als Plackerei und Muehsal. Ignoranz und Zynismus praegen den Umgang mit dem allgegenwaertigen Rassismus, Arbeitslose werden als Rangiermasse zur Verschoenerung offizieller Statistiken traktiert, Politik ist nichts als kaum kaschierte hinterwaeldlerische Postenschacherei und Kultur eine einzige Rueckschau auf Sisi im Dreivierteltakt. Haider wird auf fruchtbaren Boden stossen!

Wessen Freiheit ist die Freiheit?

Haider will Macht. Alles, was seine Macht beschraenken koennte, ist ihm ein Greuel. Widerspruch duldet er nicht. So, wie er in seiner Partei mit Opposition umgeht, laesst ahnen, was er von Gegnern haelt, die eine voellig andere politische Richtung vertreten. Es soll nicht psychologisiert werden, warum Haider jegliche Widerrede verabscheut; sicher ist, dass er jegliche Form von Kritik mundtot zu machen trachtet. Denn waehren er selbst wie eine verbale Wildsau durch das Unterholz seiner politischen Gegner stobt, reagiert er auf den kleinsten Anflug von Kritik und Angriff auf seine Person wie eine beleidigte Leberwurst. Er ueberzieht seine Gegner mit gerichtlichen Klagen, auch um sie finanziell mundtot zu machen. So werden die Grundlagen einer liberalen Gesellschaft untergraben. Mit den Machtmittel eines Staates ausgestattet wird Haiders Aversion gegen Kritik eine reale Gefahr fuer alle, die sich nicht einschuechtern lassen wollen. Und schon jetzt versucht die FPOe ueberall, wo sie Einfluss hat, Initiativen, Veranstaltungen etc. zu verhindern, die in ihren Augen Hort von Kritik und Abweichung sind. Viele Kulturinitiativen und Veranstaltungsvereine, die von oeffentlicher Subventionierung abhaengig sind, werden durch FPOe-Sudelkampagnen in den finanziellen Ruin getrieben. Pressefoerderung soll es in Kaernten nur noch fuer jene Zeitungen geben, die »wahrheitsgemaess« ueber IHN berichten. Die jetzigen Machtmittel des Staates reichen voellig aus, Opposition zu verunmoeglichen, wenn sie zu diesem Zwecke benuetzt werden (Gros- ser Lauschangriff, Sicherheitspolizeigesetz, Militaerbefugnisgesetz etc.). Und da Haider ein fanatischer Verfechter von »Law and Order« genannter repressiver Politik ist, die sich in seiner bedingungslosen Unterstuetzung fuer die »Sicherheits«-Kraefte spiegelt, wird er deren »Befugnisse« erweitern, d. h. die Moeglichkeiten zu Uebergriffen erleichtern und Gegenmassnahmen erschweren. Was das heisst, weiss man, wenn man bedenkt, dass Oesterreich jetzt schon einer der Staaten mit den meisten Polizeiuebergriffen ist. In dieser Disziplin wird Oesterreich im allgemeinen nur von dezidierten Diktaturen »geschlagen«. Und auch wenn Haider ueber keine offensichtlich-einheitliche Ideologie verfuegt, so kristallisiert sich der Hass als tragendes Element seiner Politik heraus. Dieser Hass, ausgestattet mit Macht, wird marodieren - auf rechtsstaatliche Bedenken wird da wohl kaum eingegangen werden, denn der Hass fuehlt sich immer im Recht.

»Flat tax« - die Genese der FPOe

Die Macht ist sich nicht selbst der beste Grund. Jenseits aller Gier und dem Hunger nach der Moeglichkeit zu herrschen, hat sie ihren ganz realen Inhalt, ihre Zwecksetzung. Diese heisst - ein alter Kalauer kommt hier zu ganz neuen Ehren: Sozialabbau. Und verharmlost gleichzeitig, worum es tatsaechlich geht. Naemlich um den tiefgreifendsten Umbau des Sozialsystems seit 1945. Angelpunkt ist ein Konzept, das Haider von seinen »Studienaufenthalten« in Harvard mitgebracht haben will: Die »Flat tax«. Verkuerzt besteht dieses Modell darin, dass jeder die gleiche Einkommensteuer bezahlt: Vom Millionaer bis zum Bettler. Nach dem FPOe-Modell einheitlich 23 Prozent. Das klingt beim ersten Augenschein gerecht: Ja, jeder bezahlt die gleiche Steuer.

Der zweite Blick, die Realitaet: Ein Geschenk an die Geldsaecke. Heute gibt es eine Steuerprogression: Je mehr jemand verdient, desto mehr Steuer bezahlt er. Und zwar nicht nur absolut, sondern auch im Verhaeltnis zum Einkommen. Der Hoechststeuersatz betraegt an die 50 Prozent. Ersparnis bei einem Einkommen von 480.000 Schilling im Jahr durch die »Flat tax«: Bis zu 86.377 Schilling. Im Jahr.

Umgekehrt gibt es heute auch eine sogenannte negative Progression: Bezieher niedriger Einkommen bekommen Geld zurueck. Nicht viel zwar, aber immerhin. Verlust durch die »Flat tax«, das FPOe-Modell sieht Steuerfreiheit - aber keine Steuerrueckverguetung - bis 150.000 Schilling vor: Ein paar Tausender im Jahr. Was da nun das Weltbewegende sein soll? Den sozial Schwachen die paar Netsch abzuknoepfen, da hat die grosse Koalition zu ihrer Zeit schon groesseres geleistet? Der Teufel liegt im Detail: Wenn sich alle ausser den Mindestlohnempfaengern und Mindestrentnern Steuern ersparen, woher nimmt der Staat dann das Geld, das er von seinen Leistungstraegern nicht mehr kriegt?

Damit wir uns an der Stelle nicht missverstehen: Den Anarchisten kann es wurscht sein, ob der Staat bankrott geht, wir sorgen uns nicht allzu sehr um seinen prallgefuellten Saeckel. Bloss Joerg Haider will wahrscheinlich nicht als der Kanzler in die Geschichte eingehen, unter dessen Regierungszeit das gerade von rechten Denkern so liebevoll an die Wand gemalte Budgetdesaster tatsaechlich Wirklichkeit geworden ist.

Er hat also akkurat zwei Moeglichkeiten: Er kann auf die Einfuehrung »Flat tax« verzichten, weil sie ihre Schuldigkeit zum Wahlkampfschaumschlagen getan hat - und im uebrigen darauf hoffen, dass seiner Klientel nicht auffaellt, dass unter einem Kanzler Haider eigentlich alles beim alten geblieben ist, ausser dass der Kanzler eben Haider heisst. Oder er kann den Fehlbetrag irgendwie anders abdecken. Die Notenpresse in Gang setzen? Geht nicht, von wegen Euro, Stabilitaetspakt und Maastricht. Als Vernichter der kleinen Sparguthaben will sich der Weltoekonom Haider wahrscheinlich auch nicht empfehlen.

Es bleibt also nur eins, sowieso ein Lieblingsvokabel der Gralshueter der Marktwirtschaft: Das ausgabenseitige Sparen. Runter mit den Ausgaben. Wo geht. Wo geht?

Bei Polizei und Militaer? Wohl kaum. Es geht schliesslich um »unsere« Sicherheit. Sonst ueberschwemmen noch mehr Illegale »unser« Land. Bei der Justiz? Fehlanzeige. Mit dem Kampf gegen die Kriminalitaet hat man schon Wahlen gewonnen. Also wo dann? Bei den Politikergehaeltern? Wenn man selber eins bezieht? Ausserdem bringt das nicht viel. Beamte abbauen? Polizisten und Heeresbedienstete sind auch Beamte! Und Waehler. Die Lehrerschaft halbieren? Schliesslich koennen auch Analphabeten Haider waehlen? Der »Wirtschaftsstandort Oesterreich« wird sich bedanken. In der inneren Verwaltung? »Schlanker Staat« und so? Auch da ist der Spielraum nicht allzu gross, weil ihn verblichene Regierungen schon weidlich genutzt haben: Ausgegliedert, was das Zeug gehalten hat, fast nur noch Vertragsbedienstete neu aufgenommen. Bei der Post ueberhaupt nur noch Aushilfskraefte.

Bleibt ein Bereich - und der wird es wohl werden: Alles, was Sozialabgaben sind. Verkuerzt gesagt: Die »Flat tax« waere der Hebel, der die Abschaffung nahezu saemtlicher Sozialabgaben erzwingt. Sie allein sind gross genug, den Fehlbetrag zu decken. Dagegen waeren saemtliche Sparpakete, die die grosse Koalition in ihren zehn Jahren geschnuert hat, Kleinhaeuslertum. Peanuts.

Das ist, wo Haider-Politik sehr wohl ihren Inhalt hat. Politik fuer eine bestimmte Schicht in der Gesellschaft ist. Jene schrillen, solariumgebraeunten Yuppies mit den blauen Hemden und gelbgemusterten Krawatten: Sie allein koennten es sich leisten, ihre Kinder auf eine Universitaet zu schicken, fuer die man bezahlen muss, ihnen die Schulbuecher zu kaufen, weil es keine Schulbuchaktion mehr gibt. Sie allein brauchen keine Kinderbeihilfe. Krankenversichern? Tut man sich privat. Kann man sich ja leisten. Arbeitslos? Werden Freundinnen und Freunde des Leistungsideals niemals. Und die Pension? Eigenvorsorge. Betriebspensionskassen. Mietzinsbeihilfe? Brauchen Eigenheimbesitzer nicht. Es ist sicher nicht so, dass es nicht andere Parteien in der oesterreichischen politischen Landschaft gaebe, die aehnliche Visionen hegen. Aber in Sachen Radikalitaet koennen sie niemals mithalten. Einen solchen Kraftakt gegen eine ueberkommene Rechtsordnung, gegen alle »wohlerworbenen Rechte«, gegen eine Vielzahl wechselseitig verschraenkter Interessensgruppen schafft ein parlamentarisches Regime niemals. Nur ein autoritaeres Regime leistet so etwas.  

Wie wird das Leben in Haider-Land sein?

Ob er die »Flat tax« nun einfuehrt oder nicht, weiss wohl nicht einmal Haider selbst. Aber eine neoliberale Politik vollkommen neuen Zuschnitts, die wird er machen. Alles fuer die Reichen tun. Fuer Unternehmer. Und sonst? Ein politisch-kulturell vielfaeltiges Leben waere unmoeglich. Ausser stereotypen Plattheiten von wegen »den fleissigen und braven Oesterreichern« - vermischt mit deutsch-katholisch-baeuerlichen Stilelementen - gibt es in Haiders Gesellschaftsvorstellungen nichts, was wert waere. Vielmehr findet alles Ablehnung, das sich der stereotypen Betrachtung entzieht - sei es nun positiv oder negativ.

Haiders Versprechen, mit allem »aufzuraeumen«, was nicht dem »gesunden Menschenverstand der schweigenden Mehrheit« entspricht, ist ernst zu nehmen. Man kann ahnen, was mit Auslaendern passieren wird, besonders wenn sie dunkle Hautfarbe haben. Aber damit wird wohl nicht Schluss sein: Der schon fast pathologische Ordnungs- und Reinlichkeitswahn, der hinter diesen Stereotypen steht, richtet sich gegen eben alles andere. Die Macht, das andere zu definieren, oblaege Haider. Eine unheimliche Macht, den »gerechten« Volkszorn beliebig gegen alles moegliche zu richten.

Und auch wenn eine Regierung keine Pogrome veranstaltet, keine Todesschwadrone entsendet, bleibt die permanente Drohung, dass sie dies tun koennte. Auch wenn eine Regierung Haider keine Polizeidiktatur sein wird, wird jeder wissen, dass die einzelnen Kibera einen weitaus groesseren Spielraum haben werden, jenseits eh¹ schon aufgeweichter Gesetze agieren zu koennen. Angst wird der staendige Begleiter im Leben vieler sein. Derjenigen, die sich aktiv gegen Haider stellen sowieso, aber auch solcher, die einfach nicht angepasst sein wollen. Und auch der »ganz normalen« Leute, wenn es darum geht, mit den vorher Genannten irgendetwas zu tun zu haben.

Ein Beispiel? Welcher Wirt wird dann fuer eine etwas ausgeflippte Schwulenparty einen Raum vermieten? Welcher Ausstellungsort, von Subventionen abhaengig, wird Kotschmierern und anderen »Schweinderln« eine Plattform bieten?

Kein Zurueck!

Eine solche Umwandlung ist fuer lange Zeit irreversibel. Es gibt dann kein Zurueck. Wie sehr Haider auch ueber den »Proporz der Altparteien« schimpft; er treibt ein viel schlimmeres Spiel. Die wenige Zeit, die er in Kaernten als Landeshauptmann taetig ist, hat er gut genutzt. Alle Posten, die er zu besetzen hat, bedient er mit seinen Leuten. Solange er in Opposition war, verlangte er »objektive« Kriterien. Jetzt weiss man, was das heisst: Objektiv ist, wer nicht gegen ihn ist.

Posten und Poestchen zu vergeben wird er viele haben. Denn einerseits greift er direkt ein, indem er alle unliebsamen Personen schassen und andererseits durch Terror viele vertreiben wird. Und dann hat er etwas zu verschenken. Viele, die der FPOe gleichgueltig gegenuebergestanden sind, werden mit der Aussicht auf voellige Umgestaltung der besetzbaren Stellen schnell mit fliegenden Fahnen die Seite wechseln. Aber sie werden, eingedenk der Art und Weise, wie sie den Posten bekommen haben, sich in Vorsicht wiegen - denn der Weg zurueck nach unten ist kurz.

Es wird eine Dynamik in Gang gesetzt werden, die quasi von alleine, auf Grund der »Erfolge« der Regierung Haider, ihm die Massen in die Arme treiben wird. Er wird nicht nur die »Kronen Zeitung« hinter sich haben, sondern den verhassten ORF schon auf Linie kriegen.

Als Meister der Propaganda wird er sich fuer seine »Weisheit der Fuehrung« loben lassen und jegliche Misserfolge seinen »Feinden« in die Schuhe schieben: seien dies nun »Altlasten der Altparteien«, auslaendische Maechte oder der Antichrist. Er wird ubiquitaer sein - Bringer des Lichtes und Raecher der Gefallenen. Viele werden es glauben, noch mehr werden es glauben muessen. Dieses Konglomerat aus legalisierter Gewalt, Angst und Augenauswischerei wird nicht mehr wieder so leicht zum Loswerden sein. Gewaltapparate neigen dazu, »Rechte«, die sie einmal zugesprochen bekommen haben, nicht mehr herzugeben. Wie schon heute die Verleihung geheimdienstlicher Rechte an die Exekutive de facto irreversibel ist, wird es auch mit einem wesentlich erweiterten Spielraum sein. Die Angst frisst sich in das kollektive Bewusstsein der Bevoelkerung, wuchert wie ein Krebsgeschwuer durch die Gedanken und erstickt. Ausflucht findet das Bewusstsein nur in der verordneten Freude an der »weisen Fuehrung«.

Was nicht sein darf, darf auch bald nicht mehr gedacht werden. Wann ist in Oesterreich schon einmal ein Regime durch die Initiative des Volkes gestuerzt worden? Wie oft war die Intervention oder der Druck von aussen notwendig, um die groessten Schweinebanden zu vertreiben? Und von alleine verschwinden solche Regime so bald nicht. Wenn Haider an der Macht ist, wird er alles daransetzen, auch dort zu bleiben. Die Mittel, die er dafuer braucht, wird er sich schaffen. Und dann wird ihn niemand mehr aufhalten wollen.

Eine Regierung Haider ist ein autoritaeres Regime

Was koennte eine Regierung Haider wirklich sein? Wie und zu was wird Haider die Gesellschaft veraendern und hat das Kind dann einen Namen? Und letztendlich, wie kommt er ueberhaupt an die Macht?

Letzte Frage ist relativ einfach zu beantworten. Dass Haider in absehbarer Zeit ueber 50% der Abgeordneten im Nationalrat stellen koennte, scheint undenkbar zu sein. Aber auch schon andere haben mit knapp 30% der Waehlerstimmen die totale Macht im Staate uebernommen. Und auch Haider koennte den selben Packesel benuetzen, der schon »den groessten Vegetarier« aller Zeiten zur Macht gekarrt hat - die Konservativen, die in ihrer Selbstherrlichkeit meinen, Haider schon baendigen zu koennen. Der »kleine Wolfi« will auch endlich mal zu den Grossen gehoeren, und der »aktive Tommi« wird ihm schon behilflich sein, nur um endlich auch einmal bei einem grossen Spiel dabei sein zu koennen. In realiter ist die OeVP schon damit ueberfordert, sich nicht selbst voellig zu zerfleddern; ein Haider wird sie vor sich hertreiben und aufreiben. Als Steigbuegel zur Macht ist sie gut genug. Auch, wenn der »kleine Wolfi«, Kanzler wird, irgend ein arischer Hojac ihm zur Seite gestellt wird und Haider in Kaernten bleibt, wird Schuessel nichts als eine Marionette sein, die sich dem gehaessigen Gekeife aus Klagenfurt zu beugen hat. Der Canossagang zurueck zur SPOe wuerde dem Wolfi das Genick brechen und die OeVP restlos desavouieren. Sieger wuerde Haider sein, der, egal woher die Misserfolge kommen, der OeVP »Reformunfaehigkeit« vorwerfen wird.

Die FPOe wird Forderungen stellen, die die OeVP spalten werden. Sicherlich, solche Peanuts wie »Karenzgeld fuer alle« wird der Wolferl schon kriegen. Und auch Maderthaner wird mit der Streichung von Feiertagen, Krankengeld etc. zufriedengestellt werden. Der Rest ist Spaltpilz. Haider im Licht, Wolfi im Arsch - das ist eine OeVP-FPOe-Koalition.

Die Sache ist am Weg

Die Mittel der Veraenderung koennten in einem rein »legistischen« Rahmen erfolgen. Da Haider nun nicht in putschistischer Absicht einen »Marsch von Kaernten nach Wien« organisieren wird, sondern durch demokratische Wahlen an die Macht kommen kann - und da nur mit Hilfe der OeVP -, werden die Veraenderungen der Gesellschaft vorerst im »normalen Rahmen« vor sich gehen. Demokratische Regime sind weder der Hort von Sicherheit und Wohlstand, noch sonderlich resistent gegen eine Transformierung in eine autoritaere Gesellschaft. Ohne ein einziges Gesetz zu aendern ist es allein durch exzessive Auslegung und Veraenderung der Durchfuehrungsverordnungen moeglich, jegliche Menschenrechte einzuschraenken. Dabei muss nichts passieren, das »illegal« ist. Jeder x-beliebige Mensch ist durch staatliche Gewalt in den Ruin zu treiben, ohne dass es eine Ueberschreitung der Menschenrechte braucht. Dies ist auch massenhaft durchfuehrbar.

Welcher Arbeitgeber beschaeftigt jemanden, der oefters nicht zur Arbeit kommt, weil er gerade zur »Identitaetsfeststellung« den ganzen Tag am Polizeirevier verbringt? Welcher Hausherr vermietet an jemanden eine Wohnung, bei dem dreimal die Woche eine devastive Hausdurchsuchung stattfindet? Es laesst sich U- Haft verhaengen, Konten koennen gesperrt werden, Gefahr im Verzug, das Feld ist weit.

Eine massenhafte Verarmung der Bevoelkerung ist durchfuehrbar, der Hass auf »unliebsame« Bevoelkerungsgruppen umzuleiten. Aufkuendigung aller Kollektivvertraege - freier Markt -, gefolgt von massiven Gehaltseinbussen; Schuld sind die Gewerkschaften, die ueber Jahre die »internationale Wettbewerbsfaehigkeit« untergraben haben. Streichung des Mietrechts - Wohnen wird teurer - Schuld sind die »roten« Genossenschaften. Zerschlagung der Kranken- und Pensionsversicherungen - Gesundheit und Alter werden unleistbar -, Schuld sind die glaesernen ueberteuerten Sozialversicherungsburgen. Welche Zeitung arbeitet eigentlich profitabel und wie viele sind von der Pressefoerderung, dem verbilligten Postporto etc. abhaengig? Wie leicht ist es, diese Foerderungen zu streichen, wenn nicht »objektiv« ueber die Regierung berichtet wird. Das Medienrecht bietet genuegend Mittel zur »Zensur«, geschweige denn von banalen Moeglichkeiten, wie gewisse Zeitungen einfach von den Informationen »abzuschneiden«. Und den ORF kann man ganz einfach von einer Anstalt oeffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft umwandeln - welcher Mediengigant hat eigentlich das meiste Geld fluessig? Und was sich mit Auslaendern unter den heutigen Gesetzen alles machen laesst, wenn es keinen Widerspruch gegen eine totale Auslegung gibt, wollen wir uns eigentlich gar nicht so genau vorstellen.

Und vieles davon, ohne auch nur ein einziges Gesetz geaendert zu haben. Auch wenn eine schwarz-blaue oder blau-schwarze Koalition keine verfassungsaendernde Mehrheit hat, reichen ihre Moeglichkeiten aus, die duenne Tuenche der Zivilisation und Liberalitaet abzuschlagen.

Opposition wird eingeschraenkt

Schon jetzt laesst Haider, egal von wem, Widerspruch und Kritik nicht zu, wenn dies irgendwie in seiner Macht liegt. Eine breite oeffentliche Oppositionsbewegung wird es unter seiner Regierung nicht geben, dafuer sorgt er. Gegen parlamentarische Opposition wird er vorerst wenig tun koennen, aber jegliche ausserparlamentarische Artikulation laesst sich relativ leicht verhindern. So was wie die »Kerzerltraeger« vom Lichtermeer, die er im Einklang mit der »Kronen Zeitung« mit Spott und Hohn ueberzieht, sind leicht mundtot zu machen. Die Versammlungsfreiheit ist in der Verfassung gesichert? Ja, aber schon heute werden Demonstrationen mit dem Hinweis, sie seien ein Verkehrshindernis, untersagt. In der Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer und der Kaufmannschaft wird sich schon was deichseln lassen, um umsatzschaedliche Demonstrationen in Einkaufsstrassen unterbinden zu koennen - immerhin geht es um »Arbeitsplaetze«. Und was hielt der Volksmund davon, dass der Erzfeind Serbe so einfach gegen den Jugoslawien-Krieg auf unseren Strassen demonstrieren kann? Sicherlich wird man weiterhin gegen die Untersagungsbescheide beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde einlegen koennen; Recht bekommen wird man am St. Nimmerleinstag.

Veranstaltungen und Versammlungen in geschlossenen Orten lassen sich noch viel leichter verunmoeglichen: Da kommen die Baupolizei, die Feuerwehr und verlangen Sicherheitsmassnahmen - es fehlt ein Behindertenklo, die Fluchtwege. Oeffentliche Raeume und solche, die im Einfluss der Hoheitsverwaltung sind, koennen die Vermietung ueberhaupt verweigern, kleine Vermieter kann man schon irgendwie unter Druck setzen. Bei unabhaengigen Jugend- und Kulturinitiativen, die nicht gerade ein Trachtenverein sind, findet man dann halt Drogen, und ausserdem ist es immer zu laut.

Und findet dennoch einmal irgendwo eine Protestveranstaltung statt, lassen sich sicherlich genug ehrliche und fleissige Buerger finden, die ihren Unmut dagegen aeussern. Von wem dann die »Provokationen« ausgehen ist klar, genauso wie das, was die Kibera dann machen werden, um diese zu unterbinden.

Wer - wenn nicht wir? (I)

Wer - wenn nicht wir, ist betroffen? Und ueber eines soll sich auch niemand taeuschen: Der Kreis der Betroffenen wird sich ausweiten. Wer aller Opfer eines Regimes Haiders werden wird, laesst sich erahnen. Haider wuetet schon seit eh und je gegen allerhand Bevoelkerungsgruppen. Was davon propagandistische Hetze ist und was »ernst« gemeint ist, wird sich noch herausstellen. Dass er es nicht so wild treiben kann, wie er herausbruellt, ist eine vage Hoffnung, die schon allein dadurch enttaeuscht werden kann, dass er es noch viel wilder treiben koennte, als er es jetzt zu sagen wagt.

Im »quasi-paranoiden« haiderischen Gedankensystem tummeln sich allerhand Personengruppen, die er entweder als Gefahr fuer sich empfindet oder fuer Abschaum haelt. Der in sein »sauberes Oesterreich« nicht hineinpasst.

  • Auslaendische Menschen
  • Arbeitslose, Notstandshilfebezieher, Obdachlose
  • Kulturschaffende
  • Linke und ganz allgemein Menschen, die in Opposition gegen Haider stehen
  •  Ethische Minderheiten
  • Sexuelle Randgruppen
  •  »Behinderte«
  • Drogensuechtige: »Š Vor allem bei noch nicht volljaehrigen Konsumenten und Dealern solle man auch hier Arbeitstherapie in geschlossenen Anstalten vorschreiben, um diese wieder auf den rechten [sic! - RBH] Weg zurueckzubringen«, fordert beispielsweise der Vorarlberger FPOe- Jugendsprecher Hagen laut »Neuer Vorarlberger Tageszeitung«.

Wer, wenn nicht wir? (II)

Wer - wenn nicht wir, kann diesen Wahnsinn verhindern? Wodurch? Im Moment nur durch Waehlen. Gegen Haider. Am 3. Oktober. Und eines ist auch klar: Am 4. Oktober, bei einem »Sieg« Haiders, wird es niemanden geben, der eine Regierung Haider verhindern wird: Keine Gewerkschaften, keine Parteien, keine Bewegung. Alle werden wie das Kaninchen die Schlange anstarren und sich ihrem Schicksal hingeben. Wenn das Wahlergebnis stimmt, dann brechen die Daemme. Selber nicht Haider zu waehlen ist schon ein bisschen etwas, aber nicht genug. Jede Stimme, die nicht abgegeben wird, ist eine, die fehlen koennte. Merkwuerdig, dass es die Anarchisten sind, die solches sagen? Ja, merkwuerdig.

Aber: Was fuer Anarchisten waeren das, die der reinen Lehre wegen eine moegliche Katastrophe nicht zur Kenntnis nehmen? Nicht versuchen, ihr Bescheidenes dagegen zu machen? Und ein Haider-Regime ist eine Katastrophe. Wir sagen noch mehr, wir setzen noch eins drauf: Diejenigen Parteien muessen moeglichst viele Stimmen bekommen, die eine Koalition mit der FPOe dezidiert ausschliessen. Waehlt!

Ohne irgendwelche Illusionen. In Politik und Parlamentarismus. Und danach? Damit ist es nicht getan? Nein, damit ist es nicht getan. Danach kommt es darauf an, selber etwas zu tun. Sich nicht mehr auf Politiker aller Coleurs zu verlassen und eine Politik zu machen, die dem rechts-rechten Irrwitz den Boden entzieht.

* Der selbe FPOe-Generalsekretaer hat uebrigens bei dieser Gelegenheit ein Fairnessabkommen der wahlkaempfenden Parteien angeregt - und gleichzeitig vor zuviel Fairness gewarnt. Denn: »Man sollte aufpassen, was ist diffamierend und was ist humoristisch.« In diesem Sinn bitten wir auch unsere Bemerkungen ueber seine Partei zu werten

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