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Die Analyse des GegenStandpunkt-Verlags jeden Montag ca. 18:45 innerhalb des Lora-Magazins bei Lora München UKW 92,4 Analyse vom 13. September 1999

Neues von der "Neuen Weltordnung": 
Mit Ost-Timor ein Kampf um Indonesien

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Die moralische Empörung als Mittel der und Begleitmusik zur Politik erfordert, daß die beteiligten Akteure und Claqueure sich entsprechend dem von oben angemeldeten Bedarf auf- und auch wieder abregen. So durften sich deutsche Bürger in der ersten Jahreshälfte furchtbar für getretene Menschenrechte von Kosovo-Albanern engagieren, was dem NATO-Waffengang unter Bundeswehrbeteiligung den ethischen Status eines Heiligen Kriegs verlieh. Das ist jetzt aber wieder rum, wo der Augenschein, daß die "ethnische Säuberung" des Kosovo munter weitergeht, und zwar unter dem Protektorat der NATO-Soldaten gegen Serben und Roma, keinesfalls zu ähnlich gearteten öffentlichen Entrüstungen verleiten darf wie seinerzeit, als der Kriegsgrund gegen Milosevic inszeniert wurde.

Dafür dürfen sich informierte Demokraten jetzt den Greueltaten pro-indonesischer Milizen auf Ost-Timor zuwenden, die ganz offensichtlich in Zusammenarbeit mit Armee und Polizei einen Beschluß der Völkerfamilie boykottieren, demzufolge dort unten ein neuer Staat aus Indonesien herausgebrochen werden soll. Wie immer ist den Verlautbarungen von freiheitlich-westlichen Politikern zum Thema "Menschenrechtsverletzungen in der Dritten Welt" anzumerken, daß ein hohes Maß an Heuchelei als zweiter Natur zu den wichtigsten Qualifikationskriterien dieses Metiers zählt. Die jetzt über die Mißachtung des Volkswillens in Südostasien klagen und jede Menge Brutalitäten aufzählen können, müssen schon sehr geflissentlich die westliche Position von gestern ignorieren. Als die gleiche Armee, die jetzt offensichtlich aus ihrer "27. Provinz" Indonesiens nicht abziehen will, 1975 dort einmarschierte und die Annektion mittels geschätzter 100.000 Leichen absicherte, war das ein Stück Frontsicherung der Freien Welt gegen den "Kommunismus in Asien". Die USA hatten vorher eben diese Truppe massiv um- und aufgerüstet, die den langjährigen Freund des Westens Suharto an die Macht geputscht hatte und nicht bloß die Kommunistische Partei Indonesiens, sondern auch gleich Teile ihrer Basis in der Bevölkerung ausrottete. Das wurde damals unter die unvermeidlichen Kosten der Freiheit verbucht. Darunter fiel dann auch die Übernahme der ehemals portugiesischen Kolonie, zumal die dort operierende Befreiungsbewegung FRETILIN als "marxistisch orientiert" galt und bereits gegen das NATO-Mitglied Portugal angetreten war, wobei sich der Natur der Sache nach anti-westliche Töne beim inzwischen stark geläuterten Führer Xanana Gusmao nicht vermeiden ließen.

UNO-Resolutionen gegen Indonesien wurden deshalb von den westlichen Sicherheitsratsmitgliedern verhindert, abgeschwächt oder wirkungslos gemacht, und die regelmäßigen Berichte über das Völkermordprogramm der indonesischen Besatzungsmacht zur Befriedung eines störrischen neuen Bundeslands fürs Inselreich erregten kaum Aufsehen außerhalb der Abonnenten des Amnesty-International-Jahresberichts. Das ging so über 20 Jahre lang aus dem immer gleichen und simplen Grund: Man war an einer pro-westlichen Stabilität dieser Gegend interessiert, und dafür sorgte Suharto û mit haargenau den Mitteln, die jetzt seinem Nachfolger Habibie angekreidet werden.

Der hat nämlich das Pech, daß sich die Weltlage ziemlich grundlegend geändert hat und damit die Grundlage jeder Staatsmacht in einem Land wie Indonesien: Mit dem Ende der Einheitsfront des demokratischen Imperialismus gegen den östlich-kommunistischen Weltfeind haben so manche alten Freunde und Schützlinge des Westens an Bedeutung und damit an politischer Wertschätzung verloren. Suharto bekam bei seinem erzwungenen Abgang gerade von seinen konsequentesten Weißwäschern in den Redaktionsstuben des demokratischen Meinungspluralismus durchwegs eine schlechte Presse. Schließlich hatte er sich einen kapitalen Fehler erlaubt: Er konnte sich nicht an der Macht halten, weil die schwere ökonomische Krise, die ganz Südasien überzieht, eine bislang unerhörte Eskalation des Massenunmuts auf die Straße trieb, den die Armee nicht einfach niederschießen wollte û zumindest nicht mehr für den "Diktator" Suharto.

Darüber ist der ganze Staatszusammenhalt Indonesiens ins Wanken geraten! Und eine Gesellschaft, die letztlich nur mit Gewalt zusammengehalten wird, in Aufruhr. Der schlaue Rat, den man Indonesien erteilte, hieß: Macht Demokratie! Für eine schon offenkundige Schwächung und Zersetzung des Staates soll das der Ausweg aus der Krise sein; das Rezept, wieder Stabilität herbeizuführen. Tatsächlich hat sich die politische Klasse Indonesiens darauf eingelassen. Wahlen sind ziemlich geordnet durchgeführt worden; Habibie hat mögliche Streitigkeiten um Auszählerei und Wahlbetrug abgeschnitten, indem er den Wahlsieg der Opposition offiziell anerkannte. Und er hat zudem für eine frühere UN-Resolution, die zur Entscheidung über den Status von Ost-Timor eine Volksabstimmung forderte, den Weg freigemacht. Stabilität kam und kommt deswegen aber nicht zustande.

Diese "Demokratie" ist schließlich nicht wie in unseren Breiten die zivilisierte Herrschaftsform gesicherter Staatswesen, wo sich die Macht auf die regelmäßig abrufbare Blankovollmachterteilung durch mündige Wähler verlassen kann. In Indonesien resultiert die Demokratie aus der Schwächung der Staatsautorität und setzt eben diese konsequent fort. Insbesondere ist das Militär seiner Rolle als Stabilitätsfaktor schlechthin enthoben worden. Die Generale werden schließlich vom Westen als Büttel der gescheiterten Suharto-Herrschaft beargwöhnt. Und warum sollten die Völker Indonesiens intelligenter re-agieren als ihre Mitmenschen in Europa und anderswo: Auf die Unbill ihrer sozialen Lage antworten sie mit ethnisch und/oder religiös sortierten Aufstandsbewegungen. In Indonesien bedroht das den Zusammenhalt dieses Viel-Völker-Staates überhaupt. Besonders staatsfeindlich muß das einem patriotischen Militär am Fall Ost-Timors aufstoßen, wo der Separatismus von auswärtigen Instanzen betreut wird. Die Tour des Staatspräsidenten, die störrische Teilinsel einfach abzustoßen und damit sein Regime als demokratisch geläutert den Führungsmächten des demokratischen Imperialismus anzudienen, paßt offensichtlich entscheidenden Machtträgern dieses Staates nicht. Instinktsicher wissen halt die Kommißköpfe, daß ein solider Staatszusammenhalt in letzter Instanz auf Gewalt und Abschreckung beruht; im Krisenfall also gerade nicht auf demokratischen Zugeständnissen.

Wie tief allerdings Indonesien in der Staats-Krise steckt, zeigt der Umstand, daß ihm von außen die gewaltsame Sicherung seiner Souveränität bestritten wird und demokratische Konzessionen Insubordination und Chaos hervorrufen. Jetzt muß der Präsident eine Intervention ausländischer Streitkräfte zulassen. Bislang beim internationalen Menschenrechting mittels Krieg weniger hervorgetretene Untermächte wie Australien dürfen sich dabei engagieren. Die Weltobermächte, worunter sich auch die BRD rechnet, deren frischgebackener Kriegsheld Rudolf Scharping einen Einsatz der Bundeswehr bereits ausschloß, noch ehe ihn irgend jemand angefordert hatte, halten sich zurück: Die Sache liegt bei der UNO. Noch ist unentschieden, ob sich die wirklichen Mächte in der UNO des Problems annehmen und es damit zu ihrem machen.

Die freiheitlich-imperialistische Weltordnung leistet sich da einen höchst souveränen Opportunismus: Ein Staat zerfällt, und schon fällt allen Kennern auf, daß alles das nichts taugt, worauf man früher sehr wohl gesetzt hat. Das Zerfallsprodukt wird dennoch mit dem harten Anspruch auf Stabilität konfrontiert. Als Einmischungstitel dafür entdecken ausgerechnet die Mächte Ost-Timor, denen 25 Jahre Menschenschlächterei nicht einmal den Rückruf des Botschafters aus Djakarta abnötigte. Jetzt schon steht fest, daß auch die neue Herrschaft ein unzuverlässiger Klüngel ist, dem man keinesfalls die damals bei Suharto genehmigten und per Ausrüstung geförderten Mittel und Maßnahmen von Ordnungstiftung durchgehen lassen darf.

Und die Ost-Timoresen? An ihnen läßt sich wieder einmal ermessen, daß es kein Glück, sondern das größte Pech für ein Volk ist, zum Gegenstand des Interesses von Weltpolitik gemacht zu werden. Das ist allerdings noch kein Argument für seine Sache, aber auf jeden Fall ein starker Einwand gegen die auf der Welt herrschenden Interessen.

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