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ERKLÄRUNG ZUM OSTTIMOR-ANTRAG
im Deutschen Bundestag 

von Heidi Lippmann, Winfried Wolf, Ulla Jelpke, Sabine Jünger, Carsten Hübner, Ilja Seifert und Heiner Fink
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Liebe Genossinen und Genossen,
am 16. September hat der Bundestag mit überwältigender Mehrheit die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates zur Entsendung von Truppen nach Osttimor begrüßt. Dabei ist die Zustimmung eines Teils der PDS-Fraktion zum Osttimor-Antrag von CDU/CSU - SPD - Bündnis 90/Die Grünen zutiefst enttäuschend. Der  Jugoslawienkrieg hätte wenigstens der PDS eindeutig klar machen können, daß westliche NATO-Verbände - ob nun mit oder ohne UNO-Mandat - alles andere sind als "Beschützer der Menschenrechte"! Im übrigen war es bislang Konsens in der PDS, daß man auch  mit Militäreinsätzen unter der von den westlichen Mächten dominierten UNO und ihrem Sicherheitsrat keinen Frieden erzwingen kann (Plakate: Nicht mit uns; Frieden schaffen ohne Waffen).
 
Die GRÜNEN haben gezeigt, wie schnell man von einer ,pazifistischen' Partei zu einer Partei, die militärische Interventionen in aller Welt befürwortet, mutieren kann. Ich dachte, die PDS sei den Grundsätzen einer sozialistischen Friedenspolitik stärker verbunden und würde ihnen länger treu bleiben. Ich  kann nur darauf hinweisen, daß durch eine solche Politik unsere Glaubwürdigkeit innerhalb der Friedensbewegung untergraben wird. Zum Beispiel haben sich für uns in Trier ein konsequentes Eintreten gegen die NATO-Aggression in Jugoslawien ,gelohnt': Barrieren und Vorbehalte konnten abgebaut, neue Ansatzpunkte für Kooperation  gefunden werden. Wir wurden zu respektierten Ansprechpartnern und einige wandten sich von den GRÜNEN ab und der PDS zu. Das ist Politikfähigkeit - auch im Westen. Und jetzt werden gerade diese friedensengagierten Leute vor den Kopf geschlagen. Der Satz: "Die PDS paßt sich schneller an als die GRÜNEN." ist schon gefallen. Eine solche Politik schwächt unsere Position vor Ort; im übrigen kostet sie uns auch  einfach Wählerstimmen, wie das Beispiel der GRÜNEN beweist. Es muß endlich Schluß damit sein, daß sich die PDS am Nasenring ,Aktzeptanz-durch-die anderen-Parteien' zu Entschlüssen genötigt sieht, die sie immer weiter von ihren anti-militaristischen und friedenspolitischen Zielen entfernt. Es ist daher dringend erforderlich, daß sich innerhalb dieser Partei Protest gegen einen  Trend formiert, der unter dem Deckmantel der Bewahrung von Menschenrechten zur Unterstützung und Legitimierung von Militäreinsätzen westlicher NATO-Mächte führt.
 
In diesem Sinne würde ich darum bitten, die gemeinsame Erklärung von sieben PDS-MdBs, die sich gegen die Entsendung von westlichen Truppen nach Osttimor ausspricht (Heidi Lippmann, Winfried Wolf, Ulla Jelpke, Sabine Jünger, Carsten Hübner, Ilja Seifert und Heiner Fink) zu diskutieren und weiterzuverbreiten. 
Mit sozialistischen Grüßen,
Lydia Krüger, Sprecherin des Kreisverbands der PDS Trier und Mitglied im Anti-Kriegs-Bündnis Trier.

 ERKLÄRUNG ZUM OSTTIMOR-ANTRAG 

1. Dem Antrag kann nicht zugestimmt werden, weil er sich gerade zum gegebenen Zeitpunkt, in unserem Land und angesichts der den Antrag tragenden Kräfte den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen muß: Dieselben Parteien, die es im Fall Kosovo richtig fanden, die UNO zu ignorieren und das Völkerrecht nach dem Motto »legal, illegal, kollateral« beiseite zu schieben und einen Angriffskrieg zu führen, plädieren jetzt im Fall Osttimors für eine UN-Intervention.

 2. Dem Antrag kann nicht zugestimmt werden, weil er in seiner  Substanz fragwürdig ist:

  •  Seit Wochen findet das Morden in Osttimor statt, und    dennoch haben die den Antrag unterstützenden Parteien und die im Sicherheitsrat vertretenen Mächte nichts zum Schutz der  Bevölkerung getan.
  • Eine Intervention nach Kapitel VII der UN-Charta, das heißt eine militärische Blauhelmaktion, geht erheblich über das hinaus, was im Fall Osttimors den Menschen vor Ort hilft. Notwendig sind internationale Polizeikräfte, die dem Wüten der  Paramilitärs Einhalt gebieten. Eine umfassende Militäraktion hingegen kann - wie in Somalia - zur Eskalation beitragen.
  •  Eine UN-Aktion unter Führung australischer Militärs heißt den Bock zum Gärtner machen: Australiens Regierung ist eng mit dem Regime in Djakarta verbunden. Australisches Militär   hat Teile des indonesischen Militärs ausgebildet und bewaffnet. Australisches Militär wird in der Region als Teil einer neokolonialen Politik gesehen. Es kann nicht ausgeschlossen   werden, daß ein solcher Militäreinsatz letzten Endes dazu führt, den Weg Osttimors in die Unabhängigkeit auszubremsen oder zu verhindern.

Eine UN-Polizeiaktion unter maßgeblicher Beteiligung z.B. indischer Militärs hätte eine ganz andere Glaubwürdigkeit als die im UN-Beschluß festgelegte Option eines  Blauhelm-Einsatzes unter australischer Führung.

3. Dem Antrag kann nicht zugestimmt werden, weil er die enge Zusammenarbeit zwischen den vorausgegangenen Bundesregierungen und der neuen Bundesregierung mit dem Regime in Djakarta verschweigt und diesbezüglich keinewirksamen Konsequenzen zieht.

Die Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahrzehnten auf das engste mit der Diktatur in Djakarta verbunden. Das Massaker an Hunderttausenden sogenannten »Kommunisten« bei Suhartos Machtantritt fand mit stillschweigender Billigung der damals CDU-geführten Regierung statt. In den 70er und 80er Jahren waren es von SPD und FDP getragene Regierungen,  die diese Politik fortsetzten und die Zusammenarbeit um militärische Komponenten ergänzten. Seit 1982 waren   CDU/CSU- und FDP- Regierung dafür verantwortlich, daß die militärische Zusammenarbeit mit Djakarta u.a. durch die Lieferung von NVA- Rüstungsgütern intensiviert wurde. Noch ein Jahr vor dem erzwungenen Rücktritt Suhartos präsentierte sich Kanzler Kohl als Anglerfreund des Diktators Suharto.

All dies erfolgte, obgleich das Regime Suharto in ganz Indonesien Menschenrechte mit Füßen trat, Osttimor  völkerrechtswidrig besetzt hielt und Tausende Menschen in Osttimor ermorden ließ.

Die neue Bundesregierung hat in dem Jahr, in dem sie regiert, nichts unternommen, um eine andere, demokratisch legitimierte deutsche Indonesien-Politik umzusetzen. Sie setzte vielmehr auf   den Suharto-Nachfolger Habibie, der keine demokratische Legitimation aufzuweisen hat, der weiterhin im engen Zusammenhang mit der Diktatoren-Familie Suharto und der Staatspartei Golkar steht und der eng mit deutschen Konzern-   und Rüstungsinteressen verbunden ist.

 All dies in dem Antrag zu verschweigen, daraus keine konkreten Konsequenzen - z.B. Stopp jeder militärischen und jeder wirtschaftlichen Zusammenarbeit der BRD mit der Regierung Habibie (Ausnahme: eindeutige Hilfen für die Bevölkerung) - zu ziehen, ist unredlich.

4. Dem Antrag kann auch aus spezifischer PDS-Sicht und mit Blick auf die Geschichte der Grünen nicht zugestimmt werden.Die Zustimmung zu UN-Blauhelmeinsätzen war in unserem Land historisch das Einfallstor zur Transformation von Kräften,die sich dem Weltfrieden und der internationalen Solidarität verpflichtet fühlten hin zu Kräften, die imperialistische Kriege   rechtfertigten und nunmehr als Kriegsparteien mittragen. Immer wurde dieses Ja zu Blauhelmaktionen mit dem Verweis auf »Sonderfälle« gerechtfertigt. Immer ging dies einher mit einer Idealisierung der UN, das heißt mit einem Absehen von der Tatsache, daß der UN-Sicherheitsrat ein Instrument in Händen derjenigen Mächte ist, die maßgeblich für eine neokoloniale Weltherrschaft und für Kriege zur Verteidigung dieser Herrschaft verantwortlich sind.

Immer konnten diejenigen Kräfte, die diesen Weg ablehnten, nachweisen, daß solche UN-Blauhelmaktionen nicht erforderlich sind, daß Maßnahmen unter diesem Level bewußt nicht ergriffen wurden, und daß damit auch die Vereinten Nationen im Sinne einer Politik instrumentalisiert wurden, in der Krieg als Fortführung von Politik mit anderen Mitteln erscheint.

Wir wollen mit unserer Ablehnung zu dem genannten Antrag dazu beitragen, daß die PDS diesen Weg auf einer schiefe  Ebene, an deren Ende sie selbst zur Kriegspartei zu werden droht, nicht geht.

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