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Antimilitarismus
Rede zum großen Zapfenstreich in Lemgo am 17.9.99

Von Peter Ridder-Wilkens

 

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Was sich hier heute in der heilen Welt dieser miefingen Kleinstadt Lemgo abspielt, ist nur das Vorspiel für die zivile Barberei einer von Kapitalinteressen durchdrungenen Gesellschaft.

Nicht umsonst werden heute hier in Lemgo, einer Stadt, die im Mittelalter die Hochburg der Hexenverfolgung und Hexenverbrennung war, Relikte einer vergangen Zeit in Form des großen Zapfenstreiches aufgeführt.

Der Zapfenstreich ist ein Militärspektakel aus dem 17. Jahrhundert. Durch ein Trommelsignal wurde den Soldaten mitgeteilt nichts mehr zu trinken, die Schankfässer wurden geschlossen, damit die Soldaten am nächsten Tag kriegstauglich waren.

Der große Zapfenstreich wurde erstmalig in Berlin 1839 uraufgeführt, zu ihm gehört Militärmusik, Gebet (Ich bete an die Macht der Liebe) und Nationalhymne. Das Gebet bedeutet die christliche Legitimation für bevorstehende Kriegseinsätze.  

Am 17.9. sollte das 40-jährige Bestehen der Panzerbrigade Lipperland mit einem großen Zapfenstreich in Lemgo gefeiert werden. Zu einer einer Gegenkundgebung und Gegenaktionen hatten unterschiedliche Gruppen in Ostwestfalen-Lippe aufgerufen. Zu der Kundgebung kamen ca. 150 Leute. Es wurden Redebeiträge gehalten vom Antikriegsbündnis Bielefeld, Anitfaschistischer Arbeitskreis Detmold, Initiative gegen Ausgrenzung Bielefeld und dem Antikriegsplemum Lippe. Die Polizei  und Feldjäger (ca. 500 Beamte) hatten den Lemgoer Marktplatz als Ort der Veranstaltung vollkommen abgesperrt. Nach der Gegenkundgebung schafften es einzelne Gruppen die Veranstaltung durch Pfeifkonzerte vorübergehend zu stören, wurden aber umgehend von Feldjägern und Polizei vom Platz gewiesen. Es kam zu zwei Festnahmen. Die Resonanz in der Bevölkerung war eher gering, zum Teil eingeladene Gäste. Der Dauerregen tat ein Übriges, um zum Mißlingen der Feierlichkeiten beizutragen.  

Aber blicken wir einige Monate zurück. Die SPD und die Grünen hatten als Teile der 68-Bewegung den Marsch durch die Institutionen im Oktober letzten Jahres mit ihren Wahlsieg abgeschlossen. Sie stürmten als letzte Institution den deutschen Bundestag bzw den Reichstag in Berlin und waren am Ziel ihrer Wünsche angelangt: Endlich zu regieren. Die reformistische Linke jubelte, da nun endlich die Umverteilung des Reichtums von unten nach oben umgekehrt, ein progressives Staatsbürgerschaftsrecht und zivile Konfliktlösungsstrategien geschaffen werden sollten.

Als Grundlage der Außenpolitik wurde z.B. im Koalitionsvertrag "die Beachtung des Völkerrechts, Gewaltverzicht und Vertrauensbildung" bezeichnet. Weiter: "Die Beteiligung deutscher Streitkräfte an Maßnahmen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist an die Beachtung des Völkerrechts und des deutschen Verfassungsrechts gebunden. Die neue Bundesregierung wird sich aktiv dafür einsetzen, das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen zu bewahren."

Keine sechs Monate später, im März 99, führte Deuschland im Rahmen der NATO wieder einen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Der Prozeß der Zersplitterung Jugoslawiens der 1991 durch die vorzeitige Anerkennung von Slowenien und Kroatien durch Deutschland begann, wurde durch den Krieg konsequent fortgesetzt.  

Das Ergebnis des Kriegs der NATO war:  

Ca. 2000 getötete Zivilisten, die im Nato-Jargon euphemistisch als Kollateralschäden bezeichnet werden. Dazu kommt das weiterhin ein Wirtschaftboykott gegen Jugoslawien besteht und die jugoslawische Bevölkerung von humanitären Hilfs- und Spendenaktionen des Westens ausgeschlossen ist. Es ist davon auszugehen, daß es in diesem Winter in Jugoslawien eine Hungerkatastrophe mit weitern Opfern gibt, wenn diese Isolationspolitik nicht aufgehoben wird.

  • Die Zerstörung der kompletten zivilen Infrastruktur Jugoslawiens, von Straßen, Fabriken, Schulen, Krankenhäusern, Elektrizitätswerken und Heizkraftwerken  

  • Der Einsatz von sogenannter Cluster- oder Splitterbomben. Der Einsatz dieser Bomben ist von der UNO geächtet worden. Heute werden damit immer noch Menschen, wie unlängst zwei britische Soldaten, die auf eine solche Bombe fuhren, getötet.

  • Durch den Einsatz von uranhaltiger Munition und die Zerstörung von Chemiefabriken und Raffinerien ist der Kosovo und Jugoslawien von einer ökologischen Verseuchung bedroht, deren gesundheitliche Auswirkungen auf die Menschen heute noch nicht absehbar ist.

  • Die Vertreibung von Serben, Roma und Juden aus dem Kosovo durch die bewaffneten Banden der UCK unter den Augen der sog. Friedenstruppen, die nicht eingreifen und der Weltöffentlichlichkeit, die dazu schweigt, zeigt, daß Deutschland und die Nato diesen Krieg nicht aus humanitären Gründen geführt haben.  

Ein Augenzeuge schildert die Flucht aus dem Kosovo so:

Vier italienische KFOR-Soldaten hätten dem ganzen Dorf eine halbe Stunde Sicherheit garantiert, bevor sie UCK rein ließen. Er startete mit seinem Trecker, der überladen war mit der Familie. Am Dorfausgang platzte ein Reifen und beim Reparieren wurde er von UCK-Kämpfern angeschossen. Und die KFOR Truppen haben tatenlos zugeschaut. Von einem Balkon aus haben sie die UCK mit erhobenen zwei Fingern dem (Siegeszeichen) begrüßt.

Die Situation der geflüchteten Serben aus dem Kosovo in Jugoslawien ist sehr schlecht. In einer Schule in Kraljevo, warten 270 Menschen ohne Hoffnung. Weil das Schuljahr Anfang September anfängt, müssen sie in zwei Tagen die Schule verlassen und wissen nicht wohin. Sie kamen am 19. Juni an und schlafen seit dem zu 25 Mann in einem Raum. Einige Kinder schlafen im Bus, der im Schulhof parkt. Bettwäsche ist nicht vorhanden, Duschen überhaupt nicht möglich. Das Wasser wird auf dem Feuer etwas erwärmt und die Wäsche erfolgt mit der Hand.

Die perfide deutsche Kriegsbegründung und Kriegpropaganda der 68-Generation:  

Bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an Walser, beklatschte die gesamte politische und intellektuelle Elite des Landes dessen antisemitische Dankesrede. Walser hatte sich in dieser Rede erbeten, als Deutscher nicht mehr mit der moralischen Auschwitzkeule in der Öffentlichkeit belästigt zu werden. Die Erinnerung an die Vernichtung der europäischen Juden sei die Gewissensangelegenheit eines jeden Einzelnen und nicht die Angelegenheit von offiziellen Trauerritualen. Walser wollte endlich aus der Geschichte der Täter hinaustreten und sich von ihr befreien. Was damals noch einigen Protest in der antindeutschen Linken und im bürgerlichen Spektrum auslöste, blieb bei der Auschwitz- Kriegspropanda gegen Jugoslawien ohne öffentlichen Widerspruch der bürgerlichen Medien. Was eine CDU-Regierung nie so widerspruchslos geschafft hätte, nämlich eine so breite Zustimmung zum Krieg in der Bevölkerung, erreichte die Bundesregierung und ihre Vertreter in den Medien auf geniale Weise. Die 68 Generation instrumentalisierte Auschwitz auf ihre Weise, um sich aus der Tätergeschichte der Deutschen zu verabschieden. Jetzt war endlich ein neuer Hitler in Milosevic gefunden und endlich konnten die deutschen Soldaten auf Seiten der Guten und der , Sieger gegen einen neuer Völkermord und neue Konzentrationslager kämpfen.

Einige Zitate aus dieser Zeit:

Kriegskanzler Schröder am 24.3.99:  
Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.  

Rudolf Scharping (Kriegsminister): 
Das Jahrhundertverbrechen, das da im Kosovo im Gange ist.........Jugoslawien plane einen Völkermord

Außenkriegsminister Fischer:  
Ich habe nicht nur "Nie wieder Krieg gelernt sondern auch nie wieder Auschwitz. Es ist ein wirklicher Schock, daß Milosevic bereit war zu handeln wie Stalin und Hitler  

Ludger Volmer als grüner Staatsminister im Auswärtigen Amt:  
Es war und ist Milosevics Absicht, einen Teil  seines Staatsvolkes zu vertreiben und auszurotten. Wer von dieser Analyse nicht ausgeht, ist für mich kein ernsthafter Gesprächspartner. Für mich steht fest: Das, was Milosevic betreibt, ist Völkermord. Und er bedient sich der gleichen Kategorien, die Hitler sich bedient hat.  

Noch eine Bemerkung zu den Waffenexporten :  
"Deutschland ist nach einer neuen Studie des US- Kongress im vergangenen Jahr der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt gewesen. Die meisten Waffen führten die USA aus, auf Platz drei ist Frankreich, teilte der "Forschungsdienst des US- Kongress" am Wochenende in Washington mit. Deutschland hat nach den Ausgaben 1998 Waffenexportverträge über ungerechnet 5,5 Milliarden Dollar abgeschlossen. Die USA machten Rüstungsgeschäfte im Wert von 7,1 Milliarden Dollar und Frankreich verkaufte Waffen für rund 3 Milliarden Dollar".

Die 68-Generation in der rot-grüne Regierung ist als emanzipatorisches Projekt gescheitert. Anstatt die Gesellschaft gründlich zivilisiert zu haben, wie Antje Vollmer behauptete, hat die rotgrüne Regierung die Entsolidarisierung und Militarisierung in der Gesellschaft vorangetrieben. Rot-Grün hat die von Kohl 1982 eingeforderte geistig moralische Wende in nur einem Jahr in die Praxis umgesetzt.

Deutschland hat die Schatten der Vergangenheit abgelegt. Deutschland ist wieder eine Weltmacht die Normalität für sich in Anspruch nehmen kann. Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, will die Bundeswehr zu einer modernen hochtechnisierten und überall einsatzfähigen Offensivarmee umstrukturieren. Damit Deutschland seine ökonischen Interessen in Osteuropa jederzeit und überall unter dem Deckmantel der Menschenrechte und der Humanität militärisch absichern kann. Wer Kriege führen will, braucht auch ein Umfeld in der militaristischen Traditionen akzeptiert werden und Militärklimbim zum Alltag gehört.  

Und damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt:  
Hier in Lemgo soll heute das 40 jährige Bestehen der Panzerbrigade Lipperland gefeiert werden, deren Kaserne immer noch nach dem Nazigeneral Rommel benannt ist. Die Lemgoer Bevölkerung ist aufgerufen die Soldaten als "Friedensengel" zu feiern.

Wir bleiben dabei, daß Soldaten Mörder sind (Tucholsky). Diese Militarspektakel hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und ist eine Provokation. Machen wir den Veranstaltern einen Strich durch die Rechnung. Vermiesen wir ihnen die Feier.

Und zu den Perspektiven möchte ich einen Satz von Rosa Luxemburg zitieren, den sie trotz einer schon aussichtslosen gesellschaftlichen Realität schrieb und den ich hier zur falschen Zeit und am falschen Ort in Erinnerung rufen möchte: "Es lebe die Revolution, alles andere ist Quark."

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