zurück

Redaktion Bahamas (Berlin)
Initiative sozialistisches Forum, ISF (Freiburg)
Antinationales Plenum Detmold

Zehn Jahre später:
Eine antideutsche Bilanz

Einladung zur Konferenz am 2.10.99 in Berlin

9/99 trdbook.gif (1270 Byte) trend online zeitung Briefe oder Artikel:
info@trend.partisan.net
  
ODER per Snail:
Anti-Quariat
Oranienstr. 45
D-10969 Berlin
Als Ignatz Bubis per letztem Willen mitteilen ließ, daß er in Israel begraben werden wolle, weil er damit rechnete, daß in Deutschland irgendwelche Aktivbürger sein Grab wegsprengen würden, machte er sich posthum zum politischen Emigranten. Daß ein verwirrter jüdischer Israeli dann prompt das tat, was gemeinhin Sache der Deutschen ist, erweckte hämische Befriedigung bei den derart Brüskierten. Als "Ironie der Geschichte" bezeichnete ein Regierungssprecher diese Tat – und bekräftigte damit nur offiziell das damit verbundene deutsche Verständnis von Ironie: daß keiner seinem Schicksal entrinnen werde. Die mit argloser Miene vorgetragene Rede von der "Normalität", die Deutschland für sich beanspruchen könne und die man auch über die Landesgrenzen hinaus wirksam werden lassen möchte, hat den starken Beigeschmack des Rachenehmens für die Jahrzehnte des erzwungenen Wohlverhaltens nach Auschwitz. Wegen Auschwitz, so die Unterstellung, hätten nicht die Deutschen, sondern Leute wie Bubis sich zurückhalten müssen, anstatt deutschen Dichtern ihren Patriotismus anzukreiden oder die Deutschen der Unbelehrbarkeit zu zeihen. Denn im Gegensatz zu den Juden hätten die Deutschen aus Auschwitz wirklich gelernt – so offensiv, daß sich mittlerweile veritable Kriege gegen den Schrecken des Nationalismus, der natürlich serbisch ist, führen lassen.

"Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" hatte die damalige antideutsche Linke in Herbst 1990 verkündet. Die Forderung, die Linke müsse sich in erster Linie gegen die Neuformierung Deutschlands stellen, wurde dabei keineswegs als antideutsche Spinnerei abgetan. Die Überzeugung, die Wiedervereinigten würden Ernst machen mit den Ausländern, den Juden und außenpolitisch zuerst mit den Serben, war damals bei der Mehrheit der radikalen Linken verbreitet.

Und sie machen Ernst, 1999 nicht weniger durchgreifend als im Herbst 1989. Nur verläuft nicht alles so spektakulär, wie die pathetische Formel vom "Meister aus Deutschland" es nahelegt. Kein neuer Faschismus bricht sich Bahn, noch nicht einmal ein krasser Bruch mit den Bonner Zuständen von vor 1989 ist zu verzeichnen, sondern die scheinbar unauffällige Transformation der formierten und doch nicht weniger pluralen Gesellschaft. Die scheinbare Harmlosigkeit und "Normalität" der großdeutschen Verhältnisse, nehmen Linke zunehmend und in gewohnter Skrupellosigkeit zum Anlaß, die Rolle der konstruktiven Opposition zu besetzen. Bis vor kurzem noch gehörte es zu deren Standardrepertoire, vor der Schlußstrichmentalität gegenüber der deutschen Geschichte zu warnen. Mittlerweile ist auch damit Schluß. Die Linke vollzieht nach, was der Mainstream seit Jahren vormacht und läßt Auschwitz in einem Jahrhundert der Barbarei, wo alle Deutschen grau sind, untergehen. Hermann Görings Aussage vor dem Nürnberger Tribunal, daß andere Nationen eben auch ihre kolonialen, kriegerischen, oder bürgerkriegerischen Verbrechen auf dem Kerbholz hätten, ist zum Konsens des wiedervereinigten Deutschland geworden; seine schwer hintergehbare Wirksamkeit bezieht dieser Konsens daraus, daß die unterschiedlichen gesellschaftlichen Fraktionen das Immergleiche auf je eigene Art artikulieren. Und an diesem Spiel der politischen Alternativen möchte die deutsche Linke unbedingt teilnehmen. Ein beliebiges Beispiel: Im August-Heft der renommierten internationalisti-schen Zeitschrift iz3w wird ganz zeitgeisttypisch höchst ausgewogen über das "Jahrhundert der Lager" schwadroniert. Man hat sein "Schwarzbuch des Kommunismus" intus und man hat überdies seinen Antinationalismus so gut gelernt wie früher die Worte des großen Steuermanns. Daß die zur Gegnerschaft zum Nationalismus verwässerte Kritik der Nation unter Linken, die davon früher einmal nie etwas wissen wollte, nun derart beliebt ist, ist Abbild einer veränderten Weltsituation. Seine nationalen Ansprüche macht Deutschland jetzt unter Verweis auf universalistische Werte geltend. Daß von Linken nur relativierende Stellungnahmen gegen den Kosovo-Krieg, der bekanntlich mit den Menschenrechten gerechtfertigt wurde, zu hören waren, verwundert vor diesem Hintergrund keineswegs. Wenn eben diese demokratisch-menschenrechtlichen Phrasen, die den Linken gestern noch als das Nonplusultra der Emanzipation galten, heute regierungsoffizielle Politik geworden sind, dann gibt es nur eine Alternative: zur radikalen Kritik überzugehen oder die Regierung an moralisch-demokratischer Emphase noch zu übertrumpfen suchen. Die deutsche Linke, das hat der Kosovo-Krieg überdeutlich gezeigt, hat sich entschieden.

Keine Fundamentalopposition im Inneren, kein eindeutig artikuliertes Mißtrauen des Auslands: das neue Deutschland ist ein bislang unangefochtenes Erfolgsmodell. Damit scheint der deutsche Sonderweg aber zugleich am Ende angelangt – nicht, weil die volksgemeinschaftliche Vergesellschaftung zivilisierterem Zusammenleben gewichen wäre oder eine jüngere Generation endlich den Bruch mit den Untaten ihrer Väter vollzogen hätte, sondern umgekehrt, weil andere Staaten sich den ungeliebten, aber erfolgreichen Rivalen zum Vorbild erkoren haben. Nicht nur ist die Vorliebe für ethnische Besonderheiten und Volksgruppenrechte (wie die antiserbischen Strafaktionen beweisen) keine deutsche Exklusivität mehr; im "Zeitalter der nachnationalen Gesellschaften" scheinen alle nach der Parole zu handeln "Von Deutschland lernen heißt siegen lernen": siegen bei der Durchsetzung eines Standortkon-senses im Zeichen von Massenverarmung, siegen bei der Sortierung der eigenen und fremder Bevölkerung in das Staatsvolk und in die Fremden, siegen bei der neuen Disziplin der moralischen Kriegsführung. Die in wahnsinniger, nachgerade schon hysterisch werdender Umtriebigkeit delirierende wertvergesellschaftete Welt hat nicht zufällig ihr Vorbild am seinerzeit noch als barbarisch empfundenen und daher bekämpften Schrittmacher Deutschland gefunden: bei der Rettung des von Krise zu Krise stolpernden sich auch empirisch zu seinem Begriff sich entfaltenden Kapitalismus sollen diejenigen vorangehen, die schon einmal gezeigt haben, daß diese Aufgabe keine Zimperlichkeit verträgt. Nirgendwo sonst wurde die vermeintliche Aufhebung des Werts im Zeichen des Werts so unfaßbar konsequent betrieben wie in Deutschland. Nirgendwo sonst wurden im Zeichen eines zur totalen Realität radikalisierten Antisemitismus und um des wahnsinnigen Ideals eines krisenfreien Kapitalismus willen, sechs Millionen Menschen planmäßig vernichtet. Das Zusammenhalten angesichts so außerordentlicher Untaten, das stille Wissen, man würde es wieder tun, wenn man sich dazu gezwungen wähnt, ist zweifellos nicht verallgemeinerungsfähig sondern typisch deutsch; der methodische Wahnsinn aber, der dieses möglich macht, keineswegs.

Infos zum Programm gibt es bei http://www.nadir.org/nadir/periodika/bahamas

nach oben