unsere zeit - Zeitung der DKP vom 22. September 2000

Das Münchner Diktat gegen 
die Tschechische Republik
Die Verbrechen der sudetendeutschen "Freikorps"

von Lorenz Knorr

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Am 29. September jährt sich zum 62. Mal jener folgenschwere Tag, an dem vier Großmächte eine brutale Amputation am letzten demokratischen Bollwerk in Mitteleuropa, der bürgerlich-parlamentarischen CSR, vereinbarten. Das "Münchner Abkommen" vom 29. September 1938 zerstörte einen Staat mit einer kampfbereiten antifaschistischen Bewegung. Ohne die Tschechoslowakische Regierung einzubeziehen, beugten sich die großbürgerlichen Regierungen in London und Paris, vertreten durch N. Chamberlain und E. Daladier, der Erpressung Hitlers. Die Zerschlagung des Mehrvölkerstaates diente der faschistischen Diktatur zur Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges und als Sprungbrett nach Ost- und Südosteuropa. Der faschistische Diktator Italiens, Mussolini, der Hitler unterstützte, verfolgte auf dem Balkan eigene Expansionsinteressen.

Das Münchner Abkommen war von Anfang an völkerrechtswidrig, weil der von Gebietsabtrennungen betroffene Staat von den Verhandlungen ausgeschlossen blieb. Nicht nur Tschechen, sondern auch deutsche Antifaschisten aus der CSR verstanden diese schändliche Vereinbarung als "Diktat und Verrat".

Selbstverständlich erkannten die Westmächte Hitlers Aggressionspläne. Um jedoch die sich abzeichnende Kriegsgefahr von sich abzulenken und nach Osten zu kanalisieren, opferten sie die CSR. Die erzwungene Amputation kostete die Tschechoslowakische Republik ein Fünftel ihrer Gesamtfläche, ein Viertel ihrer Bevölkerung, vor allem existentiell wichtige Rohstofflager und ökonomische Kapazitäten, störte das zentral orientierte Verkehrswesen empfindlich und vernichtete eine beachtliche militärische und strategische Position kontra Hitler-Deutschland. Ein Festungsgürtel von ca. 2 000 km Länge fiel zum größeren Teil in faschistische Hand. Es interessierte das westeuropäische Großbürgertum relativ wenig, dass mit dieser Abtrennung eine immer noch kampffähige antifaschistische Bewegung deutscher Bürger der CSR den Barbaren ausgeliefert wurde. Viele deutsche Antifaschisten der CSR wurden ermordet, starben in den KZ, manche emigrierten, andere leisteten folgend illegalen Widerstand gegen NS-Diktatur und Aggressionskriege.

Die Provokationen und der Terror des "Sudetendeutschen Freikorps", des harten Kerns der faschistischen Sudetendeutschen Partei (SdP), kostete 110 tschechischen und deutschen Antifaschisten das Leben, 2029 Menschen gleicher politischer Überzeugung verschleppten die Mordbanden als "Gefangene" nach Deutschland. Etwa die Hälfte davon tauchte nie wieder auf! Diese schreckliche Bilanz ist gerade heute zu betonen angesichts neuer Provokationen der Sudetendeutschen Landsmannschaft gegen die Tschechen, dieses Mal nur "verbaler" Provokationen; 1938 begann jedoch manches Verbrechen auch "nur" mit verbalen Provokationen. Diese hatten Folgen!

Hitlers "Trojanisches Pferd" erfüllte seinen Auftrag

Die Verbrechen des Sudetendeutschen Freikorps und seines Vorläufers, des "Freiwilligen Schutzdienstes" (FS), waren keinesfalls primär emotionale Reaktionen auf eine falsche Nationalitätenpolitik der tschechischen Großbourgeoisie. Gegen letztere protestierte lange vorher die Linke der CSR: mit konstruktiven politischen Mitteln. Die Aktionen der SdP gelten erwiesenermaßen als geplanter Teil von Hitlers "Fall Grün" vom 9. Mai 1938, der die Zerschlagung der CSR vorsah. Der größte Verbrecher aller Zeiten benötigte ein "Trojanisches Pferd" in der CSR, um sich eine "völkische Basis" für die geplante Aggression Richtung Osteuropa zu schaffen. Tatsächlich war der "Fall Grün" erstmals in der Kriegsgeschichte eine Verknüpfung militärischer und psychologischer Kriegsführung. Goebbels´ Propaganda sollte mit raffiniertester Meinungsmanipulation die CSR "ideologisch sturmreif schießen". Reale soziale Probleme gab man als "nationale" aus und stilisierte sie zur "Katastrophe" hoch. Die dazu nötigen Handlanger fand die Berliner Propaganda in der Sudetendeutschen Partei – und nicht nur in den Spitzengremien derselben!

Der "Führer" der SdP, Konrad Henlein, gründete diese im Herbst 1933, zunächst unter dem Tarnnamen "Sudetendeutsche Heimatfront", gedrängt von deutschen Kapitalherren der CSR, die größere Profitraten anstrebten. Am 19. 11. 1937 schlug der Befehlsempfänger Hitlers, Henlein, seinem obersten Führer "den Anschluss des gesamten böhmisch-mährischen Raumes an das Reich" vor! Dieser Akt geplanten Hochverrats blieb zunächst geheim; er belegte aber die Funktion, die die SdP in der faschistischen Großraumplanung erfüllte. Er belegte auch großdeutsches Geschichtsverständnis samt Rassismus, denn das "Vasallenvolk der Tschechen" hatte den arischen "Herrenmenschen" dienstbar zu sein. Die mit Berliner Hilfe mobilisierten Massen missbrauchte die SdP-Führung als Instrument expansiver Großraumpolitik. Die oft verkündete "Selbstbestimmung" und "Befreiung" der Sudetendeutschen blieb gezielte Irreführung, wie sich nach 1938 zeigte.

Der "Anschluss" Östereichs an Hitler-Deutschland am 12. März 1938 erzeugte bei vielen Anhängern der SdP eine "Anschlusseuphorie" neben der "Verfolgungs"-Hysterie, die Goebbels´ Propaganda hervorrief. Der emigrierte Parteivorstand der SPD stellte dagegen richtig fest, "dass keine nationale Minderheit in Europa weniger Grund zu Beschwerden hat als die deutsche in der Tschechoslowakei". Gleichwohl schlossen sich die beiden deutsch-bürgerlichen Parteien der CSR im März 1938 der faschistischen SdP an. Die bürgerliche Anfälligkeit für nazistische "Problemlösungen", zeigte sich wieder einmal – wie schon 1933 in Deutschland! Allein die deutschen Kommunisten und Sozialdemokraten in der CSR kämpften entschlossen weiter gegen die wachsende braune Pest. Die von Berlin suggerierte Parole "Wir wollen heim ins Reich!" verfehlte trotz aller Gegenmaßnahmen ihre Wirkung nicht, zumal das seit der Weltwirtschaftskrise andauernde Massenelend der Arbeiter und des Mittelstandes einen günstigen Nährboden bot für jede Demagogie.

Der Hoch- und Landesverrat der "Freikorps"-Terroristen

Am 28. März 1938 weilten Henlein und sein Stellvertreter Frank zum Befehlsempfang bei Hitler. Dieser befahl nicht nur, solche Forderungen auf Selbstbestimmung an die Prager Regierung zu stellen, die diese unmöglich erfüllen konnte. Zugleich sollten provokative Aktionen gegen tschechische Institutionen und terroristische Anschläge auf deutsche Antifaschisten sowie Protestkundgebungen gegen "tschechische Unterdrückung" durchgeführt und gesteigert werden. Was eine außenpolitische Aktion des faschistischen Deutschland zur Vorbereitung der Zerschlagung der CSR war, sollte als innerstaatlicher Konflikt erscheinen, der eine reichsdeutsche "Hilfsmaßnahme für die gepeinigten Sudetendeutschen" und gegen die CSR rechtfertigte.

Während des Karlsbader Parteitags der SdP im April 1938 forderte diese nicht nur eine "Selbstbestimmung", die auf Zerstückelung der CSR hinauslief, sondern auch ein Bekenntnis zur "deutschen Weltanschauung"! Diese bedeutete damals ein durch militärische Gewalt gezeugtes Großdeutschland, das die Nachbarvölker als Dienstboten unterdrückt.

Die befohlenen Terrorakte eskalierten bis zu einem Aufstandsversuch der SdP ab 10. September 1938. Überfälle auf tschechische Polizeistationen und Grenzwachen folgten, um die Prager Regierung zu harten Reaktionen zu provozieren. Hitler brauchte für seine Parteitagsrede in Nürnberg solche Kämpfe, um weitere Forderungen an das Ausland zu stellen. Mit "Mordlust der hussitisch-bolschewistischen Soldateska" ließ Goebbels die erzwungenen Abwehrreaktionen und die Verhängung des Standrechts in den Randgebieten der CSR kommentieren. "Hitler mach´ uns frei von der Tschechoslowakei!" war eine der Goebbelsschen Parolen, die die Aufwiegelung steigerten. Tschechische Staatsorgane und deutsche Antifaschisten wehrten sich entschlossen gegen alle gewalttätigen Angriffe. Es schossen nicht nur Deutsche auf Tschechen und umgekehrt; genauer: es schossen sudetendeutsche Faschisten auf tschechische und deutsche Antifaschisten – und diese hoben nicht die Hände zur Kapitulation! Eine Art Bürgerkrieg tobte, den das NS-Regime mit Hilfe der SdP und seiner Kampfstaffeln anzettelte.

Am 13. September 1938 scheiterte der Aufstand. Die SdP-Führung floh "Heim ins Reich". Zugleich ließ sie "Massendurchbrüche" ganzer Familien mit Kindern "durch die Grenze" organisieren. Sudetendeutsche Nazis, die nicht an den Kämpfen beteiligt waren, "flüchteten" weisungsgemäß! Der "Freiwillige Schutzdienst" der SdP zwang manche, ihr Heim zu verlassen, auch wenn kein Grund dazu bestand.

Die "Freischärler" sammelten sich jenseits der Grenze. Die Hitler-Wehrmacht rüstete sie mit leichten Waffen aus; Experten lehrten sie, wie man Terror über die Grenze trägt. Den Zeitpunkt eines Krieges zu bestimmen behielt sich Hitler vor, insofern gab es Order für die "Freischärler" für "begrenzte" Angriffe. Gleichwohl kosteten die Überfälle manchem tschechischen Grenzer und manchem deutschen Antifaschisten das Leben. Viele Volkshäuser der deutschen Arbeiterbewegung in der CSR und viele Naturfreunde-Unterkünfte im Erzgebirge und im Böhmerwald zerstörten die "Freischärler" in der Nacht, als effektiver Widerstand kaum möglich war. Sie demolierten manche Wohnung von Antifaschisten im grenznahen Gebiet, nachdem sich die Bewohner über Nacht oder in der Übergangszeit in sicheres Gebiet zurückzogen. (Der Verfasser kennt dies alles aus persönlicher Erfahrung)

Die in der CSR wehrpflichtigen Freischärler brachen ihren geleisteten Fahneneid und begingen Hoch- und Landesverrat, als sie den Eid auf Hitler schworen und bewaffnet die Grenze überschritten zu Überfällen und Mord. Am 1. Oktober 1938 gehörten 34 000 SdP-Mitglieder zu diesen faschistischen Raub- und Terror-Kommandos, genannt "Freischärler".

In der Zeit zwischen der erpressten Kapitulation der CSR-Regierung am 29. September 1938 und dem Einmarsch der NS-Wehrmacht ab 1. Oktober 1938 überfielen die Freischärler tschechische Polizei- und Gendarmerie-Stationen, sprengten Grenzbefestigungen und besetzten Rathäuser. Der Terror gegen heimische Antifaschisten nahm drastisch zu. Die Prager Mobilmachung am 23. September 38 hatte diese Lage nicht verändert. Das Hilfsangebot der UdSSR, mit der die CSR nach entsprechendem Druck der Massen seit 1935 einen Beistandspakt unterhielt, lehnte die Prager Regierung ab. Nach der Besetzung etablierte sich der "Sudetengau" mit der damals höchsten Dichte an NSDAP-Mitgliedern! Man jubelte dem "Führer" begeistert zu – bis nach dem Fall Stalingrads der Ruf erscholl "Wir wollen heim, uns reichts!" Da war es zu spät!

In wessen Spuren agiert die Sudetendeutsche Landsmannschaft?

Die Berufsflüchtlinge der Sudetendeutschen Landsmannschaft setzen im 62-sten Jahr nach dem Müncher Diktat und den Terroraktionen der "Freischärler" ihre Störmanöver gegen jede deutsch-tschechische Verständigung fort. Versöhnungsbereite Kräfte unter den aus der CSR Ausgesiedelten haben angesichts des Revanchismus und zu verbalen Provokationen bereiter Hetzer keine Chance. Die Spitze der Landsmannschaft, deren Gefolge vor allem aus Nachgeborenen besteht, die die frühere Heimat ihrer Eltern kaum kennen, hält am völkerrechtlich nicht gedeckten "Heimatrecht" fest. Gehört es etwa zum Plan rechtskonservativer Kräfte, eine erneute "Eingliederung Böhmens und Mährens" à la Henlein vorzubereiten? Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der CSR, z. B. mit der Forderung nach Annullierung der Benes-Dekrete von 1945 zwecks Enteignung deutschen Besitzes (wovon die Antifaschisten nicht betroffen waren) und nach Entschädigung der Ausgesiedelten verraten revanchistische Grundstimmung, die ständig neu angestachelt wird. Es wird zu verwischen versucht, wer 1938 und danach die Täter und Mörder und wer die Opfer waren.

Bekanntlich führten historische Erfahrungen und Gründe der europäischen Sicherheit dazu, dass die Siegermächte 1945 beschlossen und veranlassten, die Deutschen aus Polen, der CSR und anderen Staaten auszusiedeln. Die "Trojanischen Pferde" des deutschen Imperialismus sollten mit diesem beseitigt werden. Dabei gab es zweifellos unmenschliches Verhalten und Unrecht. Dieses war jedoch die Folge vorausgegangener faschistisch-deutscher Barbarei. Da ist zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Eine Gleichstellung von Inhumanitäten nach 1945 mit den faschistischen Gewaltverbrechen mit 50 Millionen Toten und schrecklichen Verwüstungen führt bei der Landsmannschaft wiederum dazu, die aggressiven Verursacher mit den Opfern gleichzusetzen. Die Sudetendeutschen müssten sich bei denen beschweren, z. B. dem Hitler-Verehrer Ritter Lodgman von Auen (dem man in Freising ein Denkmal setzen will), der 1938 maßgeblich am Verrat an der CSR beteiligt war.

Es gehörte nach 1945 zur westdeutschen Strategie der Herrschenden, als Gleichberechtigte sich einzureihen in die "westliche Wertegemeinschaft" und zu diesem Zweck das Täter-Opfer-Verhältnis ins Dunkel der Geschichte zu rücken. Es schädigte ja auch die Geschäfte und bremste neue ökonomische Expansion, wenn man als Täter in die Opfer-Länder eindrang. Nach 1990 verstärkten nicht nur rechtskonservative Kräfte die Verdrängung und Vertuschung infernalischer historischer Wahrheiten. Die neue Rolle Großdeutschlands verträgt sich nicht mit den Realitäten der deutschen Geschichte.

Herr Stoiber soll endlich die Wahrheit über seinen Geburtsort sagen

Unterstützte nicht die von der CSU gestellte Bayrische Landesregierung die anmaßenden und den Frieden gefährdenden Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft, auch mit Geld, entwickelte sich manches anders. In jüngster Zeit ist es Ministerpräsident Stoiber, der auf den Sudetendeutschen Tagen die Emotionen wegen "erlittenen Leids" anpeitscht und die politische Vernunft zu ersticken trachtet. 1999 versuchte er, die Begründung der NATO-Aggression gegen Jugoslawien so auszulegen, dass potenzielle Berliner Aktionen gegen die CSR gerechtfertigt erschienen. Dieses Jahr nutzte er die Stimmung für die Entschädigung der Zwangsarbeiter des NS-Regimes, um eine Geldforderung jener Sudetendeutschen zu begründen, die nach 1945 in der CSR und später in der CSSR zu Zwangsarbeit bzw. Wiedergutmachung verpflichtet wurden bzw. von der "Vertreibung" betroffen waren. Im Potsdamer Abkommen heißt es "Transfer", Herr Stoiber! Schon der manipulative Sprachgebrauch ist entlarvend.

Es sind keineswegs allein wahltaktische Gründe, die Stoiber und andere rechtskonservative Kräfte dazu bringen, revanchistische Forderungen massiv zu unterstützen. Wozu braucht man ein revanchistisches Bewusstsein, das ständig gefördert wird? Zwar distanziert man sich vom Neofaschismus, aber man fördert ihn durch Unterstützung des Revanchismus! Da gibt Stoiber auch als "Voraussetzung für Frieden und Völkerverständigung" sowie als Eintrittskarte in die EU die Einlösung aggressiver Ansprüche und erpresserischer Forderungen an die CSR aus. Er stellt auf den Kopf, wer nach den Verbrechen von 1938 wen zu entschädigen hat und wem Anspruch auf Wiedergutmachung gebührt. Nicht der erklärte "Rechtsnachfolger" des faschistischen Deutschlands und nicht die Erben der Profitmacher von damals sollen bezahlen, sondern die Opfer! Stoibers spezielle Logik!

Ohne vergleichen zu wollen sei daran erinnert – so hört man es oft in Prag –, dass Hitler 1938 ebenfalls von der anderen Seite ungerechtfertigte Zugeständnisse zu erpressen versuchte und den Frieden gefährdet sah, wenn man ihm nicht zustimmte!

Stoibers Trick, ein schweres historisches Erbe in "Menschlichkeit" aufzulösen, funktioniert so: Unrecht könne man nicht gegeneinander aufrechnen. Damit stellt er den mörderischen Terror der Sudetendeutschen Freikorps und andere faschistische Verbrechen mit den Folgen dieser Barbarei gleich. Dann kennt er nur noch gemeinsames "Leid", das deutsche Antifaschisten und Tschechen 1938 sowie andere Opfer ertrugen und natürlich auch jene, die unter Hitlers Krieg als Deutsche litten und besonders nach 1945! Aus Stoibers Sicht sind das alles "Menschenrechtsverletzungen", bei denen alle "Anspruch auf Anerkennung des ungeheuren Leids (haben), das ihnen zugefügt wurde": die Aggressoren ebenso wie die vom Faschismus Geknechteten! Weil aber das größer gewordene Deutschland der Stärkere ist, soll es letztendlich bestimmen, wer zu bezahlen hat. Stoibers Geschichtsstunde!

Stoiber verschweigt – wahrscheinlich nicht ohne Grund – seinen Geburtsort. Weder im renommierten "Wer ist wer?" noch in amtlichen Veröffentlichungen gibt er den Ort seiner Geburt an. Insidern ist bekannt, dass er Sudetendeutscher ist. Will er als Bayerischer Ministerpräsident lediglich unerwähnt lassen, dass er "Zuagroasta" (Zugereister) und damit kein echter Bayer ist? Oder soll die Rolle seiner Eltern in der Zeit des sudetendeutschen Terrors unaufgeklärt bleiben? Herr Stoiber ist der Öffentlichkeit längst eine Antwort schuldig. Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu verschweigen! Das alles ändert jedoch nichts an dem Faktum, dass er Geschichtsklitterung betreibt, wenn es um die deutsch-böhmischen Menschen geht und um deren Verhalten um die Zeit des Münchner Diktats, Tschuldigung: Abkommens.

Stoiber erklärte während des Sudetendeutschen Tags 2000: "Die deutsche Geschichte und Kultur im Osten ist keine Fußnote der Geschichte, sondern ein integraler Bestandteil der gesamtdeutschen und europäischen Geschichte." Aufschlussreich ist hier "gesamtdeutsch"! Wem "deutsch" nicht genügt – im Rahmen des Europäischen gibt etwas zu erkennen, was an expansive Ansprüche erinnert und über die jetzigen Grenzen hinausweist. Allerdings ist die entscheidende Frage, welche Konsequenzen aus Stoibers Aussage im Zitat zu ziehen sind, nachdem die deutsche Geschichte und Kultur im Osten sowohl von allseits nützlicher Zusammenarbeit als auch von unauslöschbaren Verbrechen charakterisiert sind. Neue Ostexpansion mit Besitzansprüchen der Terroristen von 1938 an die Tschechische Republik, eventuell auch an Polen, oder grenzüberschreitende Kooperation in allen Bereichen und im Interesse aller Menschen und Völker?

Stoiber machte sich mehrfach zum Sprecher revanchistischer Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft und reiht sich damit ein in die Reihen jener Deutschen, die falsche Konsequenzen aus historischen Abläufen zogen und die viele Nicht-Deutsche an den "furor teutonicus", d. h. an den teutonischen Schrecken erinnern.