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Siegeszug des Investment-Banking 

bereitet gewaltige Erschütterungen der kapitalistischen Ordnung vor

Red. Roter Morgen
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In Deutschland ist das Volumen der Unternehmenskäufe und Fusionen auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Im ersten Halbjahr 2000 wurden nach der Statistik von Thomson Financial Securities Data 847 Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 245,6 Milliarden Dollar abgewickelt. Das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast eine Verzehnfachung. Zwar ist dieses enorme Wachstum in hohem Maße auf die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone zurückzuführen, doch auch ohne diese Transaktion wäre noch ein Wachstum von 52 % zu verzeichnen. Die Zahlen sind noch nicht einmal vollständig: In die Statistik gehen die Fusionen und Übernahmen von Mittelständlern nicht ein, die ihre Transaktionen nicht öffentlich machen wollen. (FTD 6.7.)

In den USA wurden im ersten Halbjahr 2000 Transaktionen im Wert von 852,8 Milliarden Dollar abgeschlossen. (FTD) Marxistisch gesprochen handelt es sich um eine enorme Beschleunigung des Prozesses der Zentralisation des Kapitals. Die voranschreitende Vergesellschaftung der Produktion innerhalb der kapitalistischen Ordnung findet ihren Ausdruck darin, daß immer mehr Einzelkapitale untergehen bzw. ihre Selbständigkeit verlieren, von größeren Kapitalen geschluckt werden, und daß auf diesem Wege immer gigantischere Kapitalmengen in einer Hand zentralisiert werden. Es ist nicht verwunderlich, daß sich dieser Prozeß gerade jetzt enorm beschleunigt, denn wir haben es mit einer neuen industriellen Revolution, mit einem gewaltigen Schub der Entwicklung der Produktivkräfte zu tun. Das beinhaltet die Zusammenballung immer größerer Mengen lebendiger Arbeit unter einheitlichem Kommando. Andererseits sinkt der Prozentsatz des angewandten industriellen Kapitals, der in lebendige Arbeitskraft investiert wird, denn höhere Produktivität beinhaltet, daß ein immer größerer Prozentsatz in fixes Kapital, in Produktionsanlagen investiert wird. Letztere aber werfen keinen Mehrwert ab; dieser fließt nur aus der Arbeitskraft. So drückt die Entwicklung der Produktivkräfte auf die Profitrate. Zentralisation des Kapitals bzw. voranschreitende Monopolisierung ist ein Mittel, dem entgegenzuwirken: Starke Monopole und Monopolgruppen können zulasten kleinerer Kapitale, zulasten der werktätigen Konsumenten sowie der abhängigen Länder bzw. Erdteile Monopolprofite realisieren.

Die enorme Beschleunigung des Prozesses der Zentralisierung des Kapitals bringt es mit sich, daß die Kuppler, die Fusionen und Übernahmen vorbereiten, an Bedeutung gewinnen. Das Kupplergeschäft, welches im Slang der kapitalistischen Wirtschaft „Mergers & Acquisitions“ (M&A) heißt - es wird auch als die „Königsdisziplin im Investmentbanking“ bezeichnet -, wird immer lukrativer.

International waren im ersten Halbjahr 2000 die folgenden drei Geldhäuser mit Abstand die Spitzenreiter in diesem Geschäft und managten Transaktionen im Volumen von folgenden Werten: Goldman Sachs (168 Transaktionen, 901 Mrd. Dollar), Morgan Stanley (198 Transaktionen, 796 Mrd. Dollar), Merril Lynch (124 Transaktionen, 757 Mrd. Dollar).

In Deutschland: JP Morgan (5 Transaktionen, 230 Mrd. Dollar), Goldman Sachs (8 Transaktionen, 224 Mrd. Dollar), Merrill Lynch (6 Transaktionen, 215 Mrd. Dollar), Morgan Stanley (8 Transaktionen, 214 Mrd. Dollar). Erst an fünfter Stelle folgt die Deutsche Bank (8 Transaktionen, 208 Mrd. Dollar). Sie war im ersten Halbjahr 1999 in Bezug auf Transaktionen in Deutschland noch Tabellenführer gewesen - mit einem Volumen von nur 24 Mrd. Dollar; auf Platz zwei hatte Merril Lynch mit 14 Mrd. Dollar gelegen. (FTD) Auch diese Zahlen zeigen, wie enorm das Volumen des dem Zentralisierungsprozeß unterliegenden Kapitals in Deutschland innerhalb eines Jahres angestiegen ist.

Der Siegeszug des Investment-Banking bringt es mit sich, daß die betreffende Sparte innerhalb des Bankgeschäfts immer mehr an Bedeutung gewinnt, während das Kreditgeschäft an Bedeutung verliert. Langfristig sinkt die Verwertungsrate desjenigen Bankkapitals, welches im Kreditgeschäft angelegt ist. Die Gewinne im Kreditgeschäft fließen zum größten Teil aus den Profiten des industriellen Kapitals, und der Fall der Profitrate führt zu einem Fall der Verwertungsrate des Leihkapitals. So erscheinen das Investment-Geschäft sowie der Eigenhandel mit fiktivem Kapital, mit Anleihen und Aktien, den Banken als Ausweg.

„Unter den europäischen Großbanken ist die Credit Suisse am stärksten von den Ergebnissen im Investmentbanking abhängig. Nach einer Schätzung der Analysten der Hongkong Schanghai Banking Corporation stammten im ersten Quartal dieses Jahres rund 60 Prozent der Erträge aus dieser Sparte.“ (FTD 23.6.) Die anderen Großbanken folgen auf diesem Weg. „Die Institute werden, je stärker sie den Handel mit Anleihen und Aktien und das Beratungsgeschäft ausbauen, abhängig von den Kursbewegungen an den Börsen. Ihre Ertragszahlen schwanken immer stärker und sind folglich auch immer schwerer zu prognostizieren.“ (ebenda)

Sie wenden sich von der Kreditierung der Produktion ab und der Spekulation auf höchster Stufenleiter zu, weil die Investitionen in der Produktion sich aus der Sicht des Kapitals immer weniger rechnen. Die Hinwendung der Banken zum „Handel mit Anleihen und Aktien und zum Beratungsgeschäft“ erscheinen deshalb als Ausweg, weil die Aktienkurse bei allem Auf und Ab letztlich in den Himmel zu wachsen scheinen. Warum? Weil das Problem der Verwertung des industriellen Kapitals immer mehr Kapitalien auf ihrer Flucht an die Börse führt und das gewaltige Wachsen der dort zusammengeballten Kapitalmengen die Kurse in die Höhe treibt. Bis der Crash den Spekulanten schmerzlich in Erinnerung ruft, daß eben doch ein Zusammenhang zwischen Börsenkursen und industriellen Gewinnen besteht, daß das fiktive Kapital sich nur vorübergehend vom industriell angewandten Kapital lösen kann, daß letztlich jeglicher Profit industriell erwirtschaftet werden muß.

Je stärker aber die Großbanken von Kursbewegungen abhängig werden, desto mehr können sie von einem Crash erschüttert werden. Das gilt nicht nur für den Eigenhandel, sondern auch für das Kupplergeschäft - wenn die Börsen“werte“ der Aspiranten für Übernahmen und Fusionen fallen, dann fallen auch die Gewinne, die die Kuppler einstreichen können. Nimmt der Kurssturz ein bestimmtes Ausmaß an, so kann ein Crash auch riesige Geldhäuser mit sich in den Abrund reißen. Dabei darf nicht vergessen werden, daß es zum allergrößten Teil gesellschaftliche Mittel sind, mit denen diese Häuser pokern - die reale Eigenkapitalquote liegt in aller Regel deutlich unter 5 %. Ein Crash eines solchen Finanzgiganten - oder gar mehrerer - kann zu Erschütterungen der Wirtschaft führen, deren Folgen sich gar nicht absehen lassen. Sie verspielen nicht ihr eigenes, sondern fremdes Geld.

In einem Ausmaß und auf einer Stufenleiter, die Lenin zu seiner Zeit noch nicht ahnen konnte, trifft zu, was er bereits 1916 schrieb: „Der Kapitalismus ist so weit entwickelt, daß die Warenproduktion, obwohl sie nach wie vor 'herrscht' und als Grundlage der gesamten Wirtschaft gilt, in Wirklichkeit bereits untergraben ist und die Hauptprofite den 'Genies' der Finanzmachenschaften zufallen. Diesen Machenschaften und Schwindeleien liegt die Vergesellschaftung der Produktion zugrunde, aber der gewaltige Fortschritt der Menschheit, die sich bis zu dieser Vergesellschaftung emporgearbeitet hat, kommt den - Spekulanten zugute.“ (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, LW 22 S. 211)