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GEGENSEITIGE LYNCHJUSTIZ BERECHTIGT NICHT ISRAELS KRIEGSHANDLUNG

Von Hans Lebrecht

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Ein Aufschrei geht durch Israel und die weltweite Medienwelt, zwei israelische Reservesoldaten wurden in der palästinensischen Stadt Ramallah grausam von einer Menge grausam zu Tode geprügelt und ihre Leichen verbrannt. Regierungschef und Verteidigungsminister Ehud Barak schickte daraufhin Kampfhubschrauber aus, um „strategische Ziele" in Ramallah, Gaza und in Jericho mit Raketen zu bombardieren. Dies ist eine ausgesprochene Kriegshandlung als Vergeltung für die schreckliche Bluttat. Gibt es irgend eine Entschuldigung für die in Ramallah geschehene Lynchjustiz einer aufgebrachten Menge, oder gleicherweise für Israels Kriegshandlung ? Die Antwort kann nur ein grosses NEIN sein.

Nach zweitem Nachsinnen darf man aber nicht vergessen, auf welchem Hintergrund die beiden israelischen Soldaten gelyncht wurden. Ob die beiden nun in ihrem Jeep als Araber verkleidet durch die Strassen von Ramallah fuhren genau zu dem Zeitpunkt als Begräbnisprozessionen für vier, am Tage zuvor von israelischen Besatzersoldaten und Siedlern umgebrachte Einwohner angesetzt waren und ihr Wagen mit Sprengstoff geladen war, wie die palästinensische Version der Angelegenheit besagt, oder ob sie, entsprechend der israelischen Version, sich nur verfahren hatten und deshalb irrtümlicherweise durch diese Stadt fuhren, ist im Grunde unwichtig.

Tatsache ist, eine palästinensische Polizeistreife hielt den Wagen an und verhaftete die beiden israelischen Soldaten, die nach den Abkommen mit Israel sich nicht an diesem Platze befinden hätten dürfen. Eine Menge, die sich hauptsächlich aus den zu der Begräbnisprozession eingefunden hatte, stürmten die Polizeistation und ermordeten die beiden Israelis nach allen Regeln einer grausamen Lynchjustiz. Die wenigen, in der Station befindlichen Polizisten und vor allem ihr Kommandant machten alle Anstrengungen, um die Menge von der Untat abzuhalten, waren aber gegenüber der aufgebrachten Menge ohnmächtig. Einigen Berichten zufolge hatte der Stationskommandant bereits die israelischen zuständigen Besatzerbehörden telefonisch über die Festnahme der beiden Reservisten benachrichtigt, um deren Übergabe an die israelische Seite zu arrangieren, bevor die Menge die Poizeistation stürmte.

Wie dem auch sei, die Ramallah Untat war ja nicht der erste Lynchmord, der in der vergangenen Woche verübt worden war. Schon am Sonntag und Montag verübten klerikal-"faschistische" Siedlerbanden, als „Vergeltungsaktionen" für den erzwungenen Rückzug der Besatzerarmee aus der angeblichen Grabstätte des biblischen Josephs getarnt, abscheuliche Pogrome gegen palästinensische Zivilsten in den Gebieten um Nablus, Ostjerusalem, Hebron und Bethlehem im Westjordangebiet, in deren Verlauf mindestens fünf Palästinenser zu Tode gelyncht wurden. In der von arabischen Palästinensern bewohnten israelischen Stadt Nazareth drangen aufgewiegelte Ultras aus dem benachbarten jüdischen Ort Nazareth-Illit ein und verübten ein schreckliches Pogrom unter den Einwohnern, zertrümmerten Geschäfte, Wohnungen und Autos, zwei Araber wurden auf offener Straße buchstäblich zu Tode gelyncht.

Kein Wunder, dass eines der Ziele der israelischen Bombardierung aus der Luft die Radio und Fernsehtation in Ramallah war, welche damit, wenigsten zeitweilig, zum Schweigen gebracht wurde. Man wollte verhindern, dass die Version der palästinensischen Seite die sofort nach der Tat eingesetzte massive propagandisitsche Bombardierung der israelischen und weltweiten öffentlichen Meinung stören, welche, in zehnstundenlangen „offenen Kanälen" die offizielle israelische Version in Umlauf gebracht hatte. Alle zur Verfügung stehenden „Sprecher" und Medienkommentatoren wurden der Reihe nach und auf dem Hintergrund der immer wieder, bis zum Kotzen wiederholten Szenen rund um die Polizeistation von Ramallah vor und während der Lynchhandlung vor die Mikrofone gebracht. Eine ausgesprochene Gehirnwäsche, in deren Verlauf auch nicht ein einziges Wort über die Hintergründe auf welchem die unentschuldbare Tat vollbracht wurde, zu erwähnen.

Kein Wort auch darüber, dass die palästinensische Autoritätsregierung, einschließlich ihr Chef Yassir Arafat die Schandtat von Ramallah verurteilte und den Hinterbliebenen der Lynchopfer ihr Bedauern aussprach. Allerdings war dieser Ausdruck des Bedauerns von auf die Hintergründe hinweisende Hintergründe begleitet. Man dürfe nicht vergessen, dass dieser bedauerliche Vorfall ein Ergebnis der unmenschlichen und extrem mörderischen Politik Israels mit dem willkürlichen Einsatz der schießwütigen Besatzerarmee vorgekommen sei, welcher innerhalb der zwei vergangenen Wochen zum Martyrertod von mehr als einhundert Palästinensern und zu annähernd zweitausend Verwundeten verursacht hatte. Der Pressesprecher von Arafat, Marwin Kanafani beschuldigte Israel eines „Informationsterrorismus", in deren Rahmen palästinensische Internet websites und andere Informationsquellen stundenlang lahmgelegt worden waren, währenddessen die israelische Luftwaffe Ramallah und Gaza bomberdierten. Er fügte dem hinzu, dass die unverantwortliche Lynchtat israelischerseits geschickt ausgenutzt worden sei, um eine, dem Völkerrecht zuwiderlaufende Kriegshandlung zu begehen, welche allem Anschein nach schon von langer Hand vorbereitet war.

Der Chef der präventiven Sicherheitskräfte in Gaza, Mohammed Dahlan, erklärte, mit der Bombardierung aus der Luft habe Israel den Krieg gegen das Palästinenservolk erklärt. Dis Palästinenser würden sich aber in keiner Weise dem kriegerischen Diktat beugen oder sich ergeben.

In einem Telefongespräch Eures Korrespondeten kommentierte das in Ramallah befindliche Mitglied der PLO Exekutive, Suleiman al-Nadjab, während seine Büroräume von, in der Nähe einschlagenden den Raketen erzitterte, er bedauere sehr die unmenschliche Lynchtat, die von einer aufgebrachten Menge in Ramallah begangen wurde. Aber Schuld an solchen Vorkommnissen liege an der schon zwei Wochen andauernden zügellosen Morderei der israelischen Besatzer, die ja auch vom Sicherheitsrat verurteilt wurde. Barak und die ihm zur Verfügung stehende Kriegsmaschine könne noch so viel Zerstörung und Mordtaten anrichten, werde aber nicht imstande sein, den Volkswiderstand gegen die unmenschliche Besatzung und gegen die Lynch Pogrome der Siedlerbanden zu brechen. „Wir Paläsinenser werden uns nicht dem, durch Waffenterror aufgedrängten Diktat beugen" - betonte A-Nadjab.

Das Barak Kabinett beschloss, die Ereignisse in Ramallah zum Anlass nehmend, die rechten Oppositionsparteien, mit dem übelbeleumdeten Kriegstreiber Scharon an der Spitze, aufzufordern, einem zeitweiligen „Notstandskabinett" beizutreten. Wie zu erwarten, stimmten die zionistischen Politiker, mit ihren Knessethabgeordneten an der Spitze, einen, von rechts bis „links" kaum zu unterscheidenden Chor der Verurteilung und Verantwortlichmachung für die Ereignisse der Palästinenser überhaupt, und von Arafat im Besonderen ein. Demgegenüber beschlossen die arabischen Knessethabgeordneten und das Überwachungskomitee der arabischen Minderheit in Israel, dass, solange die Unruhen und die schießwütige Unterdrückung in den besetzten palästinensischen Gebieten andauere, keine Kommentare zu dem Ereignis in Ramallah abzugeben.

Der Gusch-Schalom Friedensblock betonte in einer Verlautbarung, es gebe nur einen Weg aus dem verhängnisvollen Teufelskreis des gegenseitigen Mordens und der, von Israel gesarteten Kriegshandlungen, nämlich die Besatzung aller seit 1967 besetzten Gebiete unverzüglich aufzuheben und die Armee aus diesen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem, abzuziehen. Das Bombardement auf Ramallah und Gaza sei eine Eskalation der Auseinandersetzung, werde aber keinen Deut an der dringend notwendigen Lösung des Konflikts ändern. Jeder Tropfen Blut, der vergossen wird, sei es palästinensisches oder jüdisches Blut, sei unnötigerweise vergeudet und erhöhe lediglich das unsagbare Leid von immer noch mehr von Familien auf beiden Seiten.

 Eine von der Chadasch Front für Samstag (14.Okt.) anberaumte jüdisch-arabische Demonstration durch das Wadi Nisnass Viertel von Haifa wurde abgesagt, angeblich um den rechtsradikalen Elementen und der Polizei keinen Anlass für neues Blutvergießen zu geben. Eine, dem Hauptquartier der israelischen Friedensbewegungen nahestehende Gruppe ruft im Internet dazu auf, anstatt dieser gekanzelten Chadasch Demonstration jüdisch-arabische Kundgebungen in Jerusalem, Tel-Aviv, Haifa und Nazareth anzuberaumen.