Antideutsches
Für die Zivilisation – für den Kommunismus.

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Man sollte meinen, daß der Anschlag auf das World Trade Center auch den letzten Linken zur Erkenntnis bringen müsste, was schon seit langem offen zu Tage tritt: Daß nämlich der Islamismus das weltweit derzeit größte antisemitische Aggressionspotential birgt und damit die mächtigste Gefahr für Juden und für diejenigen, die mit ihnen identifiziert werden, darstellt. Anscheinend ist es Leuten wie Horst Mahler vorbehalten, in unseren Breiten den antisemitischen Gehalt des Massakers zu verkünden: Die „USA als Garant des räuberischen Freihandels“, der „globale Kapitalismus“ in seinen „Symbolen der mammonistischen Weltherrschaft“ sei getroffen worden. Die Juden hätten „zielstrebig die politischen und militärischen Potentiale der USA usurpiert, um unter deren Schutz ... das ihnen von Jahwe verheißene Land an sich zu bringen und ethnisch zu säubern.“ Auch Linke haben die Botschaft verstanden und liefern die „richtigen“ wenn auch linksemanzipatorisch verbrämten „Begründungen“ –  sozusagen das fehlende Bekennerschreiben – nach: Die Ziele des Anschlags seien „wohlüberlegt ausgewählt (worden). Sie symbolisieren die Macht- und Schaltzentralen der neuen kapitalistischen Weltordnung." Kaum die Häme über die menschlichen Opfer verbergend wird ein „deutsches Sprichwort“ bemüht: „Wer Wind sät wird Sturm ernten ... Bezahlen muss dafür nicht der Mann im Weißen Haus, müssen nicht FBI und CIA, die Auftraggeber in den Banken und Konzerzentralen, bezahlen mussten dafür jetzt meist unschuldige Amerikaner.“ (UZ, 14.9.01)  In einer auf der Webseite des Antifa-KOK erschienenen Erklärung heißt es zur „Ursache für Anschläge wie in den USA“ bereits nach wenigen Satzzeichen: „Israels blutige Besatzungspolitik wird gefördert.“ Mit den Worten: „Ohne weltweite Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden“ wird abschließend jegliche Distanz zu der antisemitischen Mordtat aufgehoben.

Als ob die Aggression einen Grund in seinem Objekt hätte, als ob Juden selbst die Ursache dafür wären, wenn palästinensische Selbstmordkommandos sie massakrieren, werden die in der Tat barbarischen Motive der Täter – seien es nun islamistische oder sonst welche Antisemiten – rationalisiert. Aber die Rationalisierung ist der antisemitischen Projektion wesentlich. In den USA (als „Unterdrückungsagentur der Juden“) erhält die gesellschaftliche Ohnmacht der Elenden ein Gegenbild, das alles das verkörpert, was einem selbst versagt geblieben ist und deshalb hasst: Kosmopolitismus, Streben nach individuellem Glück und materiellen Wohlstand. Insbesondere im Islamismus reflektiert sich das gesellschaftliche Sein der von den Segnungen der Kapitalakkumulation Ausgeschlossenen. Die Nichtigkeit der eigenen Existenz wird dadurch kompensiert, daß das eigene Elend moralisch überhöht und alles was an die eigenen Versagungen erinnert, verfemt, verfolgt und vernichtet wird. Weltlichen Verlockungen, d.h. sexueller Freizügigkeit, überhaupt sinnlichem Genuß sowie individueller Selbstverwirklichung  wird der große Dschihad erklärt. Frauen als Verkörperung „sexueller Verlockung“ werden entrechtet und „unsichtbar“ gemacht – ein nur durch das je eigene Unglück zusammengeschweißtes Fahnungskollektiv wacht über die Einhaltung der Tugend und reagiert an realen oder nur eingebildeten Delinquenten den eigentlichen Selbsthass in barbarischer Weise ab. Im kleinen Dschihad hingegen wird die westliche Welt als bereits vom Bösen eingenommene Bastion bekriegt. Die unbegriffenen abstrakten Prozesse des globalisierten Kapitals, die immer mehr Menschen ins Elend stürzen, bekommen Name und Adresse: die Juden als Inkarnation des von den Bevölkerungen der jetzigen islamischen Ländern nie erreichten Kosmopolitismus und „materialistischer Dekadenz“, die den einzigen bürgerlich-demokratischen Staat in der Region schufen und ökonomisch reüssierten, und die USA als deren militärisch-weltpolitische Agentur.

Die islamistisch-völkische Ideologiebildung stellt nichts der „westlichen Zivilisation“ Äußerliches dar, sondern lediglich deren barbarische Kehrseite, insofern die ökonomische Rückständigkeit jener Region mit der Überlegenheit der westlichen Gesellschaften, die von Kolonialismus und globalisierter Kapitalakkumulation wesentlich profitierten, ursächlich zusammenhängt.

Nichtsdestotrotz gibt es Unterschiede: Das (ebenfalls verdinglichte, weil die Vermitteltheit von Aufklärung und Barbarei abstrakt auseinanderreißende) Schlagwort vom „Kampf der Zivilisation gegen das Böse“ oder der Aufruf des US-Präsidenten Bush zum „Kreuzzug gegen den Terrorismus“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß im (nicht erst seit dem 11. September) durch den militanten Islamismus begonnenen Krieg gegen USA und Israel (sowie die westliche Zivilisation überhaupt) letztere die Seite darstellen, die es unbedingt zu verteidigen gilt.

Während dem verwirklichten Gottesstaat jegliches die Verhältnisse transzendierende Moment abgeht, birgt die bürgerliche Gesellschaft – wie rudimentär auch immer – stets noch ein nicht eingelöstes Glücksversprechen als Voraussetzung, eine kommunistische Revolution überhaupt denken zu können.

Ein großer Teil der deutschen Linken aber hat offenbar nichts anderes im Sinn, als mit einer Kritik am (tatsächlich vorhandenen) neuen deutschen Sicherheitsdiskurs und der Agitation gegen die Vorbereitungen militärischer Maßnahmen sich den antiimperialistisch gedeuteten Kampf gegen die Zivilisation zu eigen zu machen. Die „Politik der USA, Europa, des IWF usw.“ werden als „Ursache“ – also hinreichenden Grund (!) –  „dieses verzweifelten Ausdruckes von Unterdrückung“, so ein Flugblatt von Kein Mensch ist illegal Wuppertal, ausgemacht und bieten so ein veritables Alibi für antisemitisch intendierte Massaker. In diesem Sinne ließe sich denn auch die Mordtat als die vielfach beschworene „Rache für Genua“ interpretieren, als einen Racheakt an denjenigen die man für die „über Leichen (gehenden)“ Handlanger der „Reichen“ hält. Wie man schon während der Antiglobalisierungsproteste nicht zufälligerweise gerade in Deutschland einen breiten gesellschaftlichen Konsens hinter sich wusste, so kann jetzt erst recht auf einen breiten Gemeinschaftskonsens gegen das Streben der USA nach „weltweiter Vorherrschaft“ gesetzt werden. Linken, die jetzt reflexartig die Aggression auf die USA projizieren und sich damit auch ihren (bislang mühselig unterdrückten) Ressentiments gegen Israel endlich ein Ventil verschaffen, muß ihre geistige Verwandtschaft mit völkischen Verbrechern, welcher Provenienz auch immer, schonungslos vorgehalten werden.

Es gibt übrigens gute Gründe, den Sinn US-amerikanischer Militäroperationen zu bezweifeln. Abgesehen von den menschlichen „Kosten“ beider Seiten ist der gewünschte Effekt fraglich. Selbst eine Liquidierung Bin Ladens würde den Islamismus nicht beseitigen (was das eigentliche Ziel sein müßte), ganz zu schweigen von der Grundlage antizivilisatorischen Hasses, der permanent durch die Zivilisation selbst – gleichsam naturwüchsig – hervorgerufen wird. Trotz der scheinbaren Unmöglichkeit ihres Unterfangens sind US-Militärschläge zu begrüßen, wenn und insoweit sie helfen, einerseits die Bedrohung gegen Israel und diejenigen, die mit ihm identifiziert werden, abzumildern und/oder andererseits den Tugendterror gegen die islamistischen Regimen Unterworfenen zu schwächen. Hier wäre Colin Powells Diktum maßgeblich, man müsse es „richtig machen, nicht schnell.“

Antideutsche Gruppe Wuppertal, Mülheim/Essen-West, Antipostfa Recklinghausen, AK Antideutsche Kritik in der AADO