Gespondert by Labour
Das 3.Europäische Sozialforum hatte vor allem eine Gemeinsamkeit – gegen Bush und Sharon

Von Peter Nowak
10/04
 

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Für einen halben Pfund kann der Interessierte die Fernruhe bedienen, die auf der Terrasse des Alexandra-Palace in der Nähe von London angebracht waren Wer wollte, konnte von dort ausdie City von London bestaunen. Doch vom 14.- 17.10.04 hatten wenige Menschen Interesse an einem Blick durch das Fernrohr. Die Tausenden Menschen aus ganz Europa, die sich in diesen Tagen um den Alexandra-Palace tummelten, hatten andere Interessen. Als TeilnehmerInnen des 3. Europäischen Sozialforums wollten sie den Widerstand gegen den Neoliberalismus in Europa ausbauen und vernetzen. Das zumindest ist das erklärte Ziel der Europäischen Sozialforumsbewegung.. Damals war noch etwas von dem Aufbruch der außerparlamentarischen Bewegung in Italien zu spüren. Schon ein Jahr später in Paris war davon wenig übrig geblieben. Das Forum war auf zahlreiche Gebäude rund um Paris verteilt. Man musste durch die gesamte Stadt fahren, um zu den unterschiedlichen Veranstaltungen zu kommen. Wenigstens bekamen die TeilnehmerInnen einen Eindruck vom Leben der ärmeren Bevölkerung in der Pariser Peripherie. Im letzten Jahr standen auch soziale Themen auf der Agenda des ESF. Immerhin wurde dort die Idee für einen europaweiten Aktionstag gegen Sozialabbau geboren, der dann allerdings am 3.April in Deutschland weitgehend vom DGB dominiert gewesen und in vielen anderen Ländern überhaupt nicht beachtet wurde.

Eigentlich wäre der dritte ESF in London ein guter Ort gewesen, um sich Gedanken darüber zu machen, warum das Projekt so wenig Anklang gefunden hat. Vielleicht gab es unter den mehreren 100 Arbeitsgruppen und Workshops in London auch eine AG, die sich darüber Gedanken machte. Doch den ESF prägte sie nicht. Vielmehr machte der ESF zu einem großen Teil den Eindruck eines großen Anti-Bush-Meetings. Die Parolen gegen den US-Präsidenten und gegen Israels Ministerpräsident Scharon prägten die Demonstrationen, die Gänge der Veranstaltungsorte sowie die Überfülle von Flugblättern, Flyern und Plakate rund um das ESF.

RednerInnen die gegen Bush zu Felde zogen, hatten immer viel Applaus auf ihrer Seite. Der war oft so laut, dass er die kleineren Arbeitsgruppen überschallte, in denen Flüchtlingsgruppen über die Festung Europa, ArbeiterInnen über den Neoliberalismus etc. berichteten. Es gab Arbeitsgruppen und Workshops zu diesen und vielen anderen Europa betreffende Thema, wie die EU-Verfassung, die Militarisierung Europas und vieles mehr. Doch es waren eben Themen unter anderem. Ganz eindeutig waren für die Mehrheit der Anwesenden Bush und Sharon das größere Problem, als die europäisch Militarisierung, die Entlassungswelle europäischer Konzerne, als die proimperialistische EU-Verfassung. Das aber sollten doch die Hauptprobleme eines europäischen Sozialforums sein. Sonst könnte das ESF zum Zuarbeiter eines Euroimperialismus werden, der in Abgrenzung zu den USA seine eigenen imperialistischen Interessen immer selbstbewusster vertritt. Schließlich wird ja der ESF schon von europäischen Politikern mit Distanz zu den USA gefördert. Im letzten Jahr soll Frankreichs Präsident Chirac als Sponsor aufgetreten sein. Diesmal war der Labour-Linke Ken Livingstone, eine Art britischer Lafontaine, der seine keynsianistische Wirtschafts- und Sozialpolitik mit Law and Orderparolen verbindet und in London kürzlich mit einem passablen Ergebnis wieder gewählt wurde.

Allerdings konnte sich Livingstone nicht ganz widerspruchslos auf dem ESF präsentieren. Eine Diskussionsveranstaltung mit dem Bürgermeister wurde sogar von linken AktivistInnen beendet. Die hatten sich vorher unter dem Motto „Beyond the ESF“ eigenständig über euroopaweite Widerstandsstrategien beraten. In Aufrufen zum antikapitalistischen Block auf der ESF-Abschlussdemonstration am 17.10.wurde die soziale Situation in Europa in den Mittelpunkt gestellt. Damit setzten sie einen kleinen Kontrapunkt zu den oft platten Anti-Bush-Slogans diverser trotzkistischer Gruppen. Das nächste ESF soll im Frühjahr 2006 in Athen stattfinden. Dort wird sich die parteienabhängige Linke wohl stärker zu Wort melden.

Editorische Anmerkungen

Diesen Artikel schickte uns der Autor am 20.10. 2004  in der vorliegenden Fassung zur Veröffentlichung. Es handelt sich um einen virtuellen Vorabdruck, denn der Artikel soll in der nächsten Ausgabe der Direkten Aktion (Zeitung der Freien Arbeiterunion) erscheinen.