Ökonomenlexikon
Dobb, Maurice Herbert


von
Manfred Braun
10/05

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24.7.1900 London-17.8.1976 London; englischer, auf marxistischen Positionen stehender Ökonom.

Von 1922 bis 1924 war D. Forschungsstudent an der London School of Economics and Political Science, erwarb den Bachelor of Arts an der Cambridge Univ. und 1924 den Doktor der Philosophie an der London School of Economics. Er wurde Dozent an der Cambridge Univ. und erhielt 1959 dort eine Professur. D. war Mitglied des Redaktionskollegiums der theoretischen Zeitschrift der Kommunistischen Partei Großbritanniens »Marxism Today«. Er erhielt die Ehrendoktorwürde einer Reihe von Univ. sozialistischer Länder und war als Gastdozent an verschiedenen ausländischen Univ. tätig. D. leistete mit seinen theoretischen Untersuchungen zur Analyse des Kapitalismus einen schöpferischen Beitrag zum Marxismus-Leninismus. Darüber hinaus galt seine besondere Aufmerksamkeit der Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft sowie den ökonomischen Problemen der Entwicklungsländer.

Zum 50. Jahrestag der Sowjetmacht veröffentlichte er eine Monographie u. d. T. »Soviet economic development since 1917«, an der er seit Ende der 20er Jahre gearbeitet hatte. Einer seiner vielen Beiträge zur Geschichte des ökonomischen Denkens war seine Herausgeberschaft (zusammen mit Sraffa) von —» Ricardos »Works and correspondence«.

D. setzte sich in seinem Werk konsequent mit der bürgerlichen Konzeption auseinander, derzufolge eine rationale Wirtschaftsführung im Sozialismus unmöglich sei. Diese Auffassung vertraten besonders  Mises, Hayek und Lionel Robbins. D. wies nach, daß die von den bürgerlichen Ökonomen vertretenen Konzeptionen  auf die bloße Behauptung hinauslaufen, eine sozialistische Wirtschaft könne nicht funktionieren, da sie keine kapitalistische ist. Die neuen Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten der Wirkungsweise einer sozialistischen Planwirtschaft werden dabei nicht analysiert. D. setzte sich für eine zentrale Wirtschaftsplanung ein und trug selbst interessante Gedanken zu ihrer Analyse bei. Er zeigte in seinen Schriften, daß bürgerliche Autoren das Funktionieren des kapitalistischen Systems in grober Weise idealisieren und die sozialistische Gesellschaft so darstellen, als ob ihr keine objektiven Gesetze zugrunde lägen. Sie leiten die Frage, auf welche Weise Produzenten ihre ökonomischen Entscheidungen treffen und wie sie miteinander in Beziehung treten, ihre Produkte und damit ihre Arbeit untereinander austauschen, nicht aus dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte und aus den Produktionsverhältnissen ab. Im Unterschied zu Ökonomen, die von der bürgerlichen Grenznutzentheorie ausgehen, setzte sich D. vom Standpunkt der marxistischen Arbeitswerttheorie konsequent mit den bürgerlichen Ökonomen auseinander. Mit seinen marxistischen Arbeiten zu ökonomischen Problemen hat er weltweit Aufmerksamkeit und Beachtung gefunden.

Publikationen: Capitalist enterprise and social progress, London 1925; Russian economic development since the revolution, London 1928 (3. Aufl. 1967 u.d.T : Soviel economic development since 1917); Political economy and capitalism, London 1937; Soviet economy and the war, London 1941; Soviet planning and labour in peace and war, London 1942; Marx as an economist, London 1943; Studies in the development of capitalism, London 1946 (dt.; Entwicklung des Kapitalismus, Köln, Berlin (West) 1972); Wages, London 1956 (dt.: Der Lohn, Wien 1970); On economic Theory and socialism, London 1956 (dt.: Über die ökonomische Theorie und den Sozialismus. Artikelauswahl, Berlin 1959); An essay on economic growth an planning, London 1960 (dt.: Ökonomisches Wachstum und Planung, Frankfurt a. M. 1968); Economic growth and underdeveloped countries, London 1963; Arguments on socialism, London 1966; Organisierter Kapitalismus, 5 Beiträge zur polnischen Ökonomie, Frankfurt a. M. 1966; Papers on capitalism, development and planning. London 1967; Theories of value and distribution since Adam Smith, Cambridge 1972 (dl.: Wert- und Verteilungstheorie, Adam Smith, Frankfurt a. M. 1977); Works and Correspondence of David Ricardo, 11 Bde., Cambridge 1951-1973.

Literatur: Bürgerliche Ökonomie ohne Perspeklive, Berlin 1976; F. Behrens: Grundriß der Geschichte der politischen Ökonomie. Bd.I u. IV, Berlin 1981.

Editorische Anmerkungen

Der Text stammt aus: Krause, Werner; Graupner, Karl-Heinz & Sieber, Rolf (1989). Ökonomenlexikon. Berlin: Dietz. S. 111ff

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