Betrieb & Gewerkschaft
Neues aus Kosova/Kosovo
Ist der gewerkschaftliche Dachverband BSPK eine Regierungsorganisation? - Ferronikel: Joachim Rücker greift durch - Welche Rolle ist Ramush Haradinaj zugedacht ?


von
Max Brym  
10/05

trend
onlinezeitung
Seit 3. Oktober befinden sich die Gewerkschaftskollegen des Erziehungs- und Gesundheitsbereiches im Streik. Ihre Organisation ist der SBASHK. Die Gewerkschaft vertritt die Interessen der Pädagogen, der Kollegen im Wissenschaftsbereich sowie der im Gesundheitswesen tätigen Menschen. Gefordert wird mehr Lohn, mehr Freizeit, geregelter Versicherungsschutz und die Auszahlung ausstehender Gehälter. Gerade im Schulbereich verlangt die Gewerkschaft zusätzlich Lehrmittel für Schüler und Studenten. Zudem fordert man von der Regierung die Klassenstärken zu reduzieren und die Hände wegzulassen von der Förderung privater Schulen in Kosova. Bis dato hat die „Regierung“ keinerlei konkrete Zusagen gemacht und keine Forderungen erfüllt. Dennoch behauptet der stellvertretende Ministerpräsident Adem Salihaj: „Wir haben uns mit dem BSPK auf ein Abkommen verständigt, seit 6. Oktober ist der Streik zu Ende.“ Das hat mit der Realität in Kosova nichts zu tun. Am Freitag den 14. Oktober wurden mindestens 95% der Schulen bestreikt. Seit 3. Oktober ist die Universität in Prishtina komplett lahmgelegt und die Gewerkschaft SBASHK will weiter streiken. Es ist ein mehr als seltsamer Vorgang, wenn der Dachverband BSPK eine Vereinbarung mit der Regierung schließt, ohne die Zustimmung der Einzelgewerkschaft einzuholen. Dieser Vorgang ist ziemlich einmalig. Selbst der brave DGB in Deutschland würde es nicht wagen, während eines Streikes der GEW, mit der Regierung einen Vertrag zu schließen und anschließend die streikenden Kolleginnen von diesem Vertrag zu unterrichten. Es ist kein Wunder wenn der BSPK Vorsitzende „Verräter“ genannt wird. Der Vertreter der Streikenden, Ali Shabani, erklärte: „Was der BSPK aushandelte ist inakzeptabel, wir werden weiter streiken“. Mit der absurden Feststellung seitens der Regierung, „der Streik ist zu Ende“, wird der Streik delegitimiert und kriminalisiert. In der Stadt Gjilan wurde auf Betreiben des Bürgermeisters „Streikführer“ aus den Beschäftigungsverhältnissen entlassen. Ali Shabani erklärt dazu: „Wir haben und wir werden die internationale Öffentlichkeit über den Angriff auf das Streikrecht informieren“. Momentan gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Gewerkschaft den Streik abbrechen wird. Den Dachverband BSPK bezeichnen die Kollegen als Regierungsorganisation, die den Anspruch eine Gewerkschaft zu sein, verwirkt habe. Für die kommende Woche kündigt Qerim Selimi für die Universität „veränderte und im Bedarfsfall radikalisierte Aktionen an“.

Joachim Rücker feuert den Betriebsleiter von Ferronikel

Seit Monaten gibt es in Drenas Widerstand gegen den Verkauf des Industriegiganten Ferronikel. Die Arbeiter und die Betriebsleitung wiedersetzen sich dem Verkauf des relativ modernen Betriebes an die dubiose Firma Alferon. Dabei gibt es eine Strömung in den Gewerkschaften, die sich jeder Form der Privatisierung widersetzt. Ein anderer Teil ist explizit gegen die kasachische Firma, da sie um 16 Millionen weniger bot, als die albanische Firma Adi Nikel. Das hat für die Menschen durchaus materielle Gründe, offiziell haben die Beschäftigten einen Firmenanteil von 20%. Der Leiter des vierten Büros der UNMIK, Joachim Rücker, griff vergangene Woche zugunsten der Firma Alferon durch. Der deutsche Spitzendiplomat „Jogi“ Rücker ist Leiter der AKM (Kosova-Treuhandagentur) und somit für die Privatisierung verantwortlich. Rücker rechtfertigte am 14. September in Prishtina die Entlassung des Direktors von Ferronikel, Mehaj. Rücker erklärte: „Dieser Mensch ist ein Beispiel dafür, wie die Politik der AKM bekämpft wird“. Damit setzte Rücker ein neues Signal, denn bisher gelang es der UNMIK mit Druck und Beredsamkeit ihre Absichten durchzudrücken. Ab sofort wird mit der Entlassung Mehajs, jeglicher Widerstand und jeder Widerspruch gegen die Praktiken des Herrn Rücker und seiner Mannen mit Repression geahndet. Verantwortlich dafür ist der stärkere Widerstand der Arbeiter gegen die AKM, gegen den Ausverkauf von Arbeiterinteressen in Kosova.

Welchen Weg geht Ramush Haradinaj

Ramush Haradinaj war bis Anfang März 05 Premierminister in Kosova. Anschließend stellte er sich freiwillig dem Tribunal in Den Haag. Nach wenigen Wochen wurde Haradinaj gegen Auflagen entlassen. Das Gericht ermöglichte ihm sich in Freiheit auf seinen Prozess vorzubereiten. Für Haradinaj galten strenge Auflagen, so durfte er sich nicht „politisch betätigen“. Am 12. Oktober wurde das politische Betätigungsverbot für Haradinaj durch das Gericht auf Drängen der UNMIK- Verwaltung in Kosova aufgehoben. Das scheint kein Zufall zu sein, denn in wenigen Wochen beginnen die Statusverhandlungen über Kosova in Wien. Internationale Kommentatoren und Politiker bedauerten mehrfach öffentlich, „dass ihnen in Kosova zuwenig Politiker mit ausreichender Autorität zur Verfügung stehen, die schmerzliche Kompromisse politisch absichern.“ Deshalb wird die Karte Haradinaj gezogen, in der Hoffnung, den populären ehemaligen UCK-Kommandanten Haradinaj benutzen zu können. Das Gericht in Den Haag legte ausdrücklich fest, „dass Haradinaj nur in enger Kooperation mit der UNMIK politisch arbeiten darf“. Ob Haradinaj die ihm zugedachte Rolle spielen wird, muß die Zukunft zeigen. Am 14. Oktober traf er sich mit Ibrahim Rugova und sicherte ihm volle Unterstützung zu. Von Rugova erwarten viele in Kosova, dass er letztendlich einen Vertrag unterschreiben würde, in dem Kosova die Unabhängigkeit verweigert wird. Aus Kosova, soll laut Balkankontaktgruppe ein EU-Protektorat werden. Wenn ein solches Dokument politisch von einem Menschen abgesichert ist der in Kosova als Held gilt, wäre das für die imperiale Diplomatie hervorragend. Haradinaj sollte bedenken wie er mit seinem Namen umgeht, schon öfter wurden aus „Helden“ abgetakelte Opportunisten.

Quellen: Die Welt 13.10.05- Lajm 15.10.05 Koha Ditore 15.10.05 http://www.vetevendosje.org  
http://www.Kosova-Aktuell.de  Unter Kosova-Aktuell gibt es nähere Informationen zu den Streiks und zu Ferronikel.
 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 15.10.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.