Betrieb & Gewerkschaft
»Nicht mehr in der Sesamstraße«
In der privaten Zustellerbranche werden aktive Gewerkschafter gemobbt

von Peter Nowak
10/05

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Bei den Zustelldiensten kann von Krise keine Rede sein. Das Ende des Postmonopols wird von vielen gefeiert, private Logistiker boomen. Doch sehen sich Mitarbeiter zuweilen in die Sklaverei zurück- versetzt. »Willkommen auf der Galeere«, heißt es etwa auf einer Internetseite, auf der sich Beschäftigte des Paketzusteller United Parcel Service (UPS) in sechs Sprachen über die Arbeitsbedingungen beim führenden Zusteller austauschen.

Ob bei UPS ...

Gleich an mehreren Standorten in Deutschland befindet sich UPS im Clinch mit Gewerkschaftern. In Ditzingen bei Stuttgart werden aktive Gewerkschaftler schon seit Jahren mit Klagen überzogen. Der Betriebsrat Mahmut Gemili wurde sogar von einem Detektiv bespitzelt, um Gründe für seine Entlassung zu finden. Zuvor war UPS mit dem Versuch gescheitert, Gemili und seinen Betriebsratskollegen Süleyman Ugur zu entlassen.  

Diese Dauerfehde geht am 19. Oktober in eine neue juristische Runde. Dann wird vor dem Landesarbeitsgericht Stuttgart abermals über die Amtsenthebung des Betriebsrats verhandelt. Auch Beschäftigte anderer UPS-Standorte klagen über Mobbing der Betriebsleitung gegen Gewerkschafter.

»Mit der Ankunft des Herrn Herrgesell war es mit der hart erkämpften relativen Ruhe bei uns vorbei«, schreiben etwa Beschäftige von UPS-Gustavsburg im Internet. Betriebsratsarbeit gelte als Freizeit und werde nicht mehr bezahlt. Das widerspreche zwar dem Betriebsverfassungsgesetz. Doch UPS-Manager Martin Herrgestell antwortet auf Kritik: »Wir sind nicht mehr in der Sesamstraße.« Nach Angaben von Mitarbeitern sei Martin Herrgestell federführend für ein Flugblatt verantwortlich, mit dem Teamleader, Manager, Supervisoren und einige Beschäftigte in der UPS-Filiale gegen den Betriebsrat mobilisierten. UPS-Mann Herrgestell scheint auf den Kampf gegen die Gewerkschaften spezialisiert. Bevor er in die UPS-Filiale Gustavsburg kam, hatte er sich in Ditzingen gegen Belegschaftsvertreter profiliert.

... oder bei TNT

UPS ist nicht das einzige Unternehmen in der Branche, das Front gegen Gewerkschafter macht. Auch bei dem Riesen TNT werden diese befehdet: In der Wiesbadener TNT-Filiale wurde Betriebsratsmitglied Gaetano Oreste gleich von mehreren Detekteien während einer Krankmeldung bespitzelt. Obwohl eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlag, habe der Arbeitgeber - trotz angeblicher Zweifel hieran - keine medizinische Nachuntersuchung eingefordert, kritisiert Detlev Borowsky von ver.di Hessen. »Es geht nicht darum, ein eventuelles Fehlverhalten zu sanktionieren, sondern darum, aktive Betriebsratsmitglieder aus dem Betriebsrat zu drängen. Ansonsten hätte TNT bestimmt keine Detektei für 12 000 Euro eingeschaltet, sondern über den Medizinischen Dienst der Krankenkasse eine kostenlose Nachuntersuchung veranlasst«, schreibt Borowsky im verdi-Pressedienst.

Am 7.Dezember soll in dieser Angelegenheit weiter vor dem Arbeitsgericht verhandelt werden. Dann wird ein Zeuge befragt, der angeblich schon im Vorfeld von der Krankheit des Betriebsrates gewusst haben will. Ver.di befürchtet, dass hier gezielt zur Falschaussage angestiftet werden soll und kündigt schon mal vorsorglich eine Strafanzeige an.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns vom Autor am 18.10.2005 zur Veröffentlichung gegeben.