Als wir
1970 im Ruhrgebiet die ersten radikal-antikapitalistischen
Betriebszeitungen vor großen Betrieben verteilten, in denen
geschrieben stand, dass der Kapitalismus notwendiger Weise
Massenarbeitslosigkeit produziert, dachten und sagten viele
unserer Adressaten: „Ihr spinnt!“ Schließlich herrschte
„Vollbeschäftigung“, es war überhaupt kein Problem einen
Lohnarbeitsplatz zu finden. Kapitalismus schien also durchaus
ohne Massenarbeitslosigkeit möglich. Unsere „Kassandrarufe“
schienen einigermaßen daneben und sie wurden nicht ernst
genommen.
Seit
Jahren nun gilt die Massenlohnarbeitslosigkeit, die sich über
verschiedene Zyklen hinweg nach der Weltwirtschaftskrise von
1974/75 entwickelte und konsolidierte als das Hauptproblem
dieser Gesellschaft.
Vertritt
mensch heute auf Basis einer bestimmten Rezeption von Kritik der
Politischen Ökonomie und beobachtbarer empirischer Tendenzen,
die Position, wonach der Kapitalismus zugleich mit der
Produktion einer wachsenden Arbeitslosigkeit eine
Zusammenbruchstendenz der Kapitalakkumulation erzeugt, dann wird
der- oder diejenige überwiegend von Linken ebenso belächelt, wie
früher von den netten Kolleginnen und Kollegen. (Diese ahnen
heute immer häufiger, dass das so nicht gut gehen kann! Armut
und existenzielle Unsicherheit breiten sich aus.)
Dem
entgegen kommen natürlich Strömungen linker Kritik, die bar
jeden angemessenen Verständnisses dessen, was Kapital und was
Kapitalakkumulation ist, seit Jahren behaupten, wir befänden uns
bereits seit Ende der 60iger, Anfang der 70iger Jahre (so genau
nimmt mensch das nicht) mitten in der „finalen Krise“ des „warenproduzierenden
Systems“. Über soviel Zusammenbruch lässt sich natürlich gut
Kopf schütteln.
Nein, der
Kapitalismus sei viel zu flexibel, Krisen seien bloße
Bereinigungskrisen, nach denen es immer wieder aufwärts geht,
sagen die versammelten Marxkenner mit keynesianischen Absichten.
Dass keine der Weltmarktkrisen und Börsencrashs nach 1974/75
wirklich „bereinigt“ hat, nämlich die Überakkumulation von
Kapital und die Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen vermochten,
beides sich vielmehr von Zyklus zu Zyklus weiter aufgebaut hat,
spielt keine Rolle. Mensch begnügt sich immer wieder mit der
Feststellung, dass es ja nach jeder Krise weiter ging und dass
von Zusammenbruch nicht die Rede sein könne. Die Krisen der
letzten 30 Jahre lediglich als „Bereinigungskrisen“ zu
begreifen, das bedeutet etwa, dass man sich mit einer
Wohnungsreinigung zufrieden gibt, deren Effekt darin besteht,
dass nach jeder Reinigung mehr (Grund-)Dreck zurückbleibt.
(Mittlerweile gibt es aber auch reichlich theoretische
„Begründung“, dass das Kapital keinerlei Zusammenbruchstendenz
erzeugen müsse.)
Die Linke
zeigt sich aus unterschiedlichsten Gründen desinteressiert an
„Kassandrarufen.“
Die einen
sagen, der Kapitalismus sei auch ohne Zusammenbruchstendenz
schon schlimm genug und wer dagegen nicht rebelliere, der würde
sich auch nicht erheben, wenn die menschliche Reproduktion in
der gesellschaftlichen Form der Kapitalreproduktion in großen
Teilen zum Erliegen komme. Man brauche sie einfach nicht, diese
Kritik an der Zusammenbruchstendenz und diese „Kassandrarufe“.
Andere
stellen sich den bedrohlichen Entwicklungen zwar, für sie sind
sie aber überwiegend auf „gemachte“ „Entfesselung des
Kapitalismus“ oder gar auf gemachte „Entbettung des Marktes“
zurück zu führen. Dieser „Entfesselung“ oder „Entbettung“ gelte
es gegenzusteuern, sei es durch keynesianische
Wirtschaftspolitik, sei es durch Schaffung von Ansätzen einer
solidarischen und obendrein solaren Ökonomie.
Wiederum
andere interessieren die Entwicklungstendenzen der
kapitalistischen Ökonomie rein gar nicht, und sie meinen, man
könne sowieso ein richtiges Leben im falschen, soziale Befreiung
im hier und jetzt, realisieren. Unabhängig von den
Entwicklungstendenzen der Kapitalakkumulation halten sie es
beispielsweise für möglich, dass im Kapitalismus ein
Menschenrecht auf bedingungsloses Grundeinkommen als Auftakt für
eine große Umgestaltung durchsetzbar sei, gleichgültig, wie hoch
die Massenarbeitslosigkeit und die Überakkumulation von Kapital
ist. Letztere erscheint ihnen sowieso nur als eine Menge Geld,
die es umzuverteilen gelte. Geld sei genug für alle da und dank
der großen Produktivität durch moderne Technologie sei die
Bereitstellung von ausreichend Gebrauchswerten (für den Markt
natürlich) problemlos zu gewährleisten. Irgendeinen Zusammenhang
zwischen den überschießenden, überakkumulierten (Privat-)Eigentumstiteln
in verschiedenen Geldformen, Wertpapieren und dem Einsatz
moderner Technologie in kapitalistischer Produktion können diese
Linken nicht erkennen. Wie auch, beschränkt sich doch ihr
Verständnis und ihre Kritik des Kapitals auf einfaches beklagen
des Profits und der Nicht-Anerkennung (sprich: Verweigerung von
Geldeinkommen) von Arbeiten und Tätigkeiten jenseits des
Austausch von lebendiger Arbeitskraft gegen Kapital.
In diesem
für mich ziemlich deprimierenden Szenario fällt mir am meisten
auf, dass die Kritik am Privateigentum immer mehr verstummt. Der
Begriff selbst taucht kaum noch auf, geschweige denn, dass ihm
irgendeine Relevanz beim Verständnis und der Kritik der
bestehenden Ordnung und ihrer Entwicklung zugebilligt würde,
oder mensch die Beseitigung des Privateigentums an
Produktionsmitteln gar als Kernaufgabe sozialer Befreiung
verstehen würde. Man kann sagen, je „moderner“ und „zeitgemäßer“
die Gesellschaftskritik, desto weniger ist darin die Rede vom
Privateigentum und desto größer – natürlich - die Distanz zum
Marxismus. Das alles ist für mich umso erstaunlicher, als die
Privatisierungswut des Kapitals selbst, uns sozusagen ganz
aktuell stets von Neuem mit der Nase auf die Bedeutung des
Privateigentums in dieser Gesellschaft stößt.
Eine
explizite theoretische Rechtfertigung für die „radikale
Variante“ der modernen Linken findet diese selbstsichere
Verachtung der Kritik am Privateigentum in Moishe Postones
„moderner“, „eigenwilliger“ Interpretation der Kritik der
Politischen Ökonomie. Für Postone ist Kritik am Privateigentum
eben nichts anderes als bloße Kritik an der Verteilung im
Kapitalismus. (Über Verteilungskonflikte zwischen Lohnarbeit und
Kapital aber wollen viele modernisierte Linke nichts mehr
wissen. Sich damit zu befassen ist unter ihrer Würde.) Dass das
Privateigentum für gesellschaftliche Produktionsverhältnisse
steht, in denen die gesellschaftliche Arbeit in der Form der
Privatarbeit (unabhängig voneinander verausgabte Privatarbeit)
steht und damit für einen unkontrollierten und
unkontrollierbaren gesellschaftlichen Reproduktionszusammenhang
(Wert und Wertgesetz), ist bei Postone und anderen wie
ausgelöscht.
In seiner
kapitalistischen Form bedeutet Privateigentum ferner progressive
soziale Polarisierung, erzeugt und reproduziert durch den
Austausch von lebendiger Arbeitskraft gegen Kapital.
Kapitalakkumulation bedeutet progressive Produktion von privaten
Eigentumstiteln auf der einen Seite und Verarmung einer
wachsenden Zahl von lohnabhängigen VerkäuferInnen von Ware
Arbeitskraft auf der anderen Seite. (Diese Art der Verteilung
wird im wahrsten Sinne des Wortes produziert, indem das Kapital
Ware Arbeitskraft auf dem Markt kauft und im unmittelbaren
Produktionsprozess produktiv konsumiert!)
„Soziale
Polarisierung“ ist die spontane gesellschaftliche
Entwicklungstendenz, die sich allemal durchsetzt, gegen jede –
auch wohlmeinende - Politik! Sie ist begründet in den
Produktionsverhältnissen, dem Zwang zur progressiven Verwertung
von Wert. Nein, bei der Verwertung von Wert geht es nicht nur um
die gesellschaftliche Unkontrollierbarkeit eines Prozesses, den
man dann für die Herrschaft von Abstraktionen kritisiert. Die
soziale Brisanz liegt vor allem in der daraus sich ergebenden
Verteilung, in der verheerenden Polarisierung zwischen arm und
reich, in der maßlosen Anhäufung privater Eigentumstitel, deren
einziger Sinn und Zweck darin besteht, in Form von Geld wiederum
mehr Geld zu erzielen. Kapitalakkumulation bedeutet nichts
anderes als Produktion zum Zweck maßloser Anhäufung privaten
Reichtums auf Kosten der Gesellschaft! Sie hat durchaus einen
sozialen Zweck, auch wenn ihre Bewegung selbst als rein
sachlich, abstrakt und naturnotwendig erscheint.
Diese
Maßlosigkeit hat ihren Preis und führt sich selbst ad absurdum
in Gestalt von Überakkumulation privaten Reichtums. Absurd wird
die Geschichte schon, wenn ein Mann wie Bill Gates erst in einem
schroffen ökonomischen Krieg gegen alle Konkurrenten, sein
privates, geistiges Eigentum schützt, damit ein riesiges
Milliardenvermögen aufhäuft, um nachher - aus „sozialer
Verpflichtung“ - durch eine Stiftung Forschungsprojekte zu
unterstützen, deren Ergebnisse unter keinen Umständen als
geistiges Eigentum gehandelt werden dürfen, um somit deren „non-profit-Charakter“
sicher zu stellen. Auch das ein Hinweis auf „Überakkumulation“.
(Hat er etwa „schon“ den Hals voll mit seinen lächerlichen
„paar“ Milliarden und muss jetzt mal ein bisschen „Wohlfahrt“
spielen? Das wird die sich ausbreitende Armut bestimmt
abschaffen. Wenn man ihn bittet, spendiert er vielleicht mal ein
bisschen bedingungsloses Grundeinkommen, weil Menschenrechte für
ihn ein hohes, nicht zu verwertendes Gut sind.)
Der Zwang
zur progressiven Verwertung von Wert treibt die Kapitalisten zur
kontinuierlichen Senkung der „Produktionskosten“ im Allgemeinen
und speziell zur Senkung der „Arbeitskosten“. Sofern die
Arbeitskosten nicht durch bloße Intensivierung der Arbeit und
Lohnkürzungen, etc. bewerkstelligt wird, sondern durch Einsatz
„arbeitssparender“ Technologie, erzeugt das Kapital eine Tendenz
zu sinkenden Profitraten (Erhöhung seiner organischen
Zusammensetzung), der wiederum nur durch Krisen und
„Klassenkampf von oben“ begegnet werden kann. Ohne Krisen und
„Klassenkampf von oben“ gäbe es nicht einmal die Rückkehr zu
neuer Konjunktur mit geringeren Wachstumsraten.
Eine
Zusammenbruchstendenz der Kapitalakkumulation entsteht aus dem
gesetzmäßigen Fall der Durchschnittsprofitrate des
Gesamtkapitals. Sie drückt sich aus in zunehmender
Überakkumulation von Kapital und progressiver Produktion von
Lohnarbeitslosigkeit. In der Überakkumulation von Kapital zeigt
sich die Bedrohlichkeit dieser Entwicklung für die
kapitalistischen Privateigentümer speziell, wie für den gesamten
kapitalabhängigen gesellschaftlichen Reproduktionsprozess. Die
Rentabilität der Geldanlagen ist in Frage gestellt und damit der
ganze Sinn und Zweck kapitalistischer Produktionsverhältnisse
und die Fähigkeit zu erweiterter Reproduktion.
In der
bedrohlichen Überakkumulation von Kapital und ihren
zerstörerischen gesellschaftlichen Konsequenzen kündigt sich das
Versagen des Privateigentums an Produktionsmitteln als Basis und
Kernstruktur der gesellschaftlichen Reproduktion an. Der Zwang
zu seiner progressiven Vermehrung führt zur Krise des
Privateigentums. Dies alles geht geschieht in Mitten der größten
Reichtums, der diskontinuierlich immer weiter wächst und dabei
die Spur wachsender Armut hinter sich her zieht. Es interessiert
nicht die Masse der Reichtums, sondern die Prozentzahl, in der
er wächst. Es interessiert nicht die Masse der vorhandenen
Produktivkräfte und der damit erzeugten Gebrauchswerte, sondern
nur die Summe Geld, die das kostet, und die Rate zu der es sich
vermehren lässt. Letzte Messlatte für Zustand und Entwicklung
der Gesellschaft ist die Vermehrung privaten Reichtums in den
Händen weniger.
Nein,
Lohnabhängigkeit, also der gesellschaftliche Zwang vom Verkauf
der Ware Arbeitskraft leben zu müssen, garantiert absolut kein
sozialrevolutionäres oder gar kommunistisches Bewusstsein. Im
Gegenteil, je entwickelter die allgemeine Warenproduktion auf
Basis verallgemeinerter Lohnarbeit, desto stärker machen sich
ganz offensichtlich Waren-, Geld- und Kapitalfetisch auch im
Bewusstsein der Lohnabhängigen breit, beherrschen ihr Denken.
Die faktische, unabweisbare, existentielle Abhängigkeit der
Menschen von der Kapitalreproduktion (trotz mancher Träume von
freier, obendrein ganz und gar betont individueller
Selbstbestimmung im hier und jetzt) erzwingt
„betriebswirtschaftliche Vernunft“ und marktkonformes Handeln.
Solange der Verkauf der Ware Arbeitskraft für die Mehrheit ein
Leben und Überleben in den entwickelten kapitalistischen Ländern
ermöglicht (teils schlecht, teils passabel), wird diese Mehrheit
der Menschen in den Schranken einer Existenz von
WarenkäuferInnen und –verkäuferInnen denken und handeln, wenn
auch in den besonderen Formen der VerkäuferInnen von Ware
Arbeitskraft, was schon mal Konflikt mit den ökonomischen
Gesetzen der Verwertung von Kapital und entsprechende
Auseinandersetzungen nicht ausschließt. Eine Aussicht auf
massenhaftes Verlangen nach einer anderen Form
gesellschaftlicher Reproduktion und gesellschaftlichen Lebens,
ohne existenzielle Unsicherheit und massenhafte Armut, gegründet
auf Gemeineigentum, kann sich aber nur dort und in dem Maße
entfalten, wo und wie das Privateigentum sich selbst in Frage
stellt, indem seine Vermehrung als Grundlage gesellschaftlicher
Reproduktion versagt. Diese Verlangen setzt somit
gesellschaftliche Entwicklung voraus, deren Tempo nicht wir
bestimmen.
Man muss
sich nur vorstellen, dass die ökonomische und gesellschaftliche
Entwicklungstendenz der letzten 30 Jahre noch einmal 30 Jahre
oder 3 konjunkturelle Zyklen mit einer durchschnittlichen Länge
von 10 Jahren und Fortschreibung der bekannten sozialen
Ergebnisse anhält (eine Pleitenrekord jagt den nächsten, von
Zyklus zur Zyklus setzt sich eine höhere Sockelarbeitslosigkeit
fest), um zu einem Zustand zu gelangen, bei dem man mit
Sicherheit vom Versagen des Privateigentums reden kann. So viel
Zeit muss man dem Kapital schon geben, um seine Schranke erneut,
wie nach der Weltwirtschaftskrise von 1929, für alle spürbar
unter Beweis stellen zu können. Aber offensichtlich hält die
modernisierte Linke eine solche Entwicklung für ausgeschlossen,
oder er will sich einfach nicht vorstellen, welche sozialen
Konsequenzen das hätte. Was wäre wohl, wenn wir heute 10, 15
Millionen oder mehr Lohnarbeitslose hätten? Jedenfalls mehr als
ein Knistern im Gebälk des doch ehemals so wohl bestellten
Hauses. Aber darauf wird keine „soziale Phantasie“ verschwendet.
Warum auch, wenn man in 30 Jahren schon ein bedingungsloses
Grundeinkommen haben kann. Dann wird uns das alles nichts mehr
anhaben können. Oder?
Dieses
Versagen des kapitalistischen Privateigentums bedeutet die
Möglichkeit sozialer Befreiung für die Masse der Lohnabhängigen!
Wie ich meine, die einzige, sofern sie nicht durch eine erneute
Barbarei (wie durch Faschismus und Krieg nach 1929) und darauf
aufbauende Rekonstruktion des Kapitalverhältnisses im Keim
erstickt wird. (Merke: das hat nichts mit dem Erwarten einer
„finalen Krise“ zu tun!) Um diese Möglichkeit aber wahrnehmen zu
können, muss man sie erkennen und sich auf sie vorbereiten! Ohne
verständige Kritik am Privateigentum und seiner
unkontrollierbaren Tendenz zu sozialer Polarisierung ist jede
Chance von Anfang an vertan! Ohne Focus auf diese Kritik gibt es
nicht einmal die Chance auf die Durchbrechung der
„gesellschaftlichen Hegemonie“ bürgerlichen Denkens und den
Zusammenschluss der Masse der lohnabhängigen Menschen gegen das
Kapital!
Jeder
Versuch das notwendige Heranreifen der objektiven Bedingungen
für soziale Revolution durch „Modernisierung“ der
Gesellschaftskritik umgehen zu können, in der irrigen Annahme
der Wille zur Überwindung des Kapitalverhältnisses sei eh
ausschließlich Produkt intellektueller Entwicklung, blamiert
sich schon rein theoretisch ständig aufs Neue durch ganz
offensichtliche Ungereimtheiten und willkürliche Abstraktionen
von der realen Entwicklung. Wenn aber richtige Erkenntnisse
preisgegeben und ignoriert werden (z.B. verständige Kritik am
Privateigentum), weil mensch nach dem „richtigen“, „zeitgemäßen“
Dreh, der modernen Idee, sucht, mit der endlich schon heute
Einfluss ausgeübt oder der gar der Durchbruch geschafft werden
könnte, dann verhindert das zweierlei:
·
die
Herausarbeitung der nötigen Klarheit in der Kritik des Kapitals
·
die nötige
Verständigung über jene kurzfristigen und langfristigen Ziele
sozialer Befreiung, die sich realistischer Weise aus den
objektiven Verhältnissen ergeben
Die teils
aus marxistischem, teils aus antimarxistischen Selbstverständnis
betriebene „Modernisierung“ der Gesellschaftskritik in Gestalt
von Neuinterpretationen der Kritik der Politischen Ökonomie oder
in Gestalt ihrer mehr oder weniger offenen Ablehnung hat zu
einer wahren Begriffsinflation geführt, die oft die
Verständigung über einfachste Sachverhalte unter Linken sehr
erschwert oder unmöglich macht.
(Ohne jede
Wertung sollen hier nur einige Namen genannt werden, auf die
teils ausgewählt oder auch mal beliebig „zusammengefasst“ Bezug
genommen wird: Altvater, Bischoff, Gorz, Heinrich, Holloway,
Kurz, Negri/Hardt, Postone und viele andere. Bei keinem dieser
Autoren wird man eine Zuspitzung der Gesellschaftskritik auf die
Kritik am kapitalistischen Privateigentum mit entsprechenden
Konsequenzen mehr finden. Einige sind mittlerweile zu
grundsätzlichern Anhängern von Marktwirtschaft geworden, auf die
man grundsätzlich nicht verzichten könne.)
Auch in
der intellektuellen Entwicklung der Linken tut sich eine rapide
fortschreitende „Polarisierung“ auf, allerdings nicht verteilt
auf 2 Pole, sondern auf immer mehr Pole. Je eindeutiger die
gesellschaftliche Entwicklung die beiden Pole von Lohnarbeit und
Kapital schroff gegenüberstellt, desto beliebiger und
buntscheckiger wird die Kritik dieser gesellschaftlichen
Entwicklung. Solange diese theoretische Ausdifferenzierung durch
viele, teils durchaus beeindruckend belesene Personen, vor dem
Hintergrund wenig entwickelter sozialer Auseinandersetzung
anhält oder weiter fortschreitet, bleibt letztlich jede
praktische Erfolgsperspektive ausgeschlossen.
Auch auf
dem Gebiet der theoretischen Kritik scheint erst wieder alles
möglich, wenn nichts mehr geht, wenn also die babylonische
Sprechverwirrung komplett ist und der gordische Knoten für
Verständigung durchschlagen wird durch die gesellschaftliche
Praxis der unerträglich werdenden sozialen Polarisierung. So
besteht zumindest die Möglichkeit, dass auch der „radikalste“
und „originellste“ Theoretiker das Grundproblem
gesellschaftlicher Entwicklung und sozialer Emanzipation nicht
mehr übersehen kann und sich wieder mit dem kapitalistischen
Privateigentum, das heißt, den grundlegenden
Produktionsverhältnissen, beschäftigen muss; es sei denn, er
will mit dem, was er zu sagen hat, dann so wenig wahrgenommen
werden, wie ich mit meinen Einwänden heute.
Editorische Anmerkungen
Der Autor schickte uns seinen Text Ende
September zur Veröffentlichung in der Nr.10-06.