Heute schon gebloggt? Die technischen Möglichkeiten des
Internet und damit auch die Zahl der »Blogger« haben in den
letzten Jahren enorm zugenommen. Die Tendenz ist weiterhin
steigend. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht schon ein
Heer von Billigjournalisten am Werk.
Solche gewerkschaftlichen Sorgen sind nicht ganz unbegründet.
Viele zu so genannten
»Bürgerjournalisten« geadelte Blogger verlangen kein Honorar für
ihre Fotos oder Texte – und fungieren so als Zulieferer für
kostenfreies Rohmaterial. Das kann Folgen haben für die ganze
Branche. »Warum teures Geld für professionelle Journalisten
ausgeben, wenn doch der nutzergenerierte Inhalte vergleichsweise
kostengünstig akquiriert werden kann?«, fragt Christoph Bieber
plakativ in einem Beitrag für das Onlinemagazin Telepolis.
Es ist die ureigenste Aufgabe einer Gewerkschaft, Versuchen
von Zeitungsredaktionen entgegenzutreten, unter dem Deckmantel
des »Bürgerjournalismus« Löhne zu senken und Stellen abzubauen.
Doch dabei bleibt die Kritik von ver.di nicht stehen. Sie sieht
den Berufsstand des Journalisten insgesamt in Gefahr.
»Ist der gut ausgebildete, professionelle Journalist ein
Auslaufmodell?« Fragt etwa Günther Herkel in der aktuellen
Mitgliedschaftszeitung »M« mit Blick auf den um sich greifenden
Bürgerjournalismus. Eine Wortschöpfung, die die verantwortliche
M-Redakteurin Karin Wenk erst nicht gelten lassen will. »Zwar
ist jeder Journalist ein Bürger – umgekehrt trifft das jedoch
nicht zu«, meint sie mit Verweis auf die gesellschaftliche
Funktion von Medien und Journalisten.
Hier hält die Gewerkschaft das Idealbild eines Berufsstandes
hoch, das längst nicht mehr zeitgemäß ist. Der Übergang zwischen
Medienaktivismus und professionellem Journalismus ist fließend
geworden. Nicht wenige Journalisten haben bei den verschiedenen
Spielarten des Bürgerjournalismus, wozu auch die linke
Internetplattform Indymedia gehört, ihre berufliche Laufbahn
begonnen. Sie machen ihren Job bestimmt nicht prinzipiell
schlechter als Absolventen der Henri-Nannen-Schule. Dass
Paparazzismus eher mit der Boulevardpresse als mit
Bürgerjournalismus zu tun hat, dürfte auch Gewerkschaftern
einleuchten.
Die sollten sich mal Gedanken über eine große
Organisierungskampagne für Blogger und Bürgerjournalisten
machen. Die Bedingungen sind so schlecht nicht. Mittlerweile
regt sich auch in Blogger- und Bürgerjournalistenkreisen erster
Widerstand gegen ihre unfreiwillige Rolle als
Billigjournalisten.
Editorische Anmerkungen
Der Artikel wurde uns vom Autor am 20.10. zur
Veröffentlichung gegeben.