Betrieb & Gewerkschaft
Zwiespältiger Start
Parallel zum APEC-Gipfel Asiatisch-Pazifischer Gewerkschaftsbund gegründet. Linke Gewerkschaften unerwünscht.

von Waldemar Bolze
10/07

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Parallel zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 21 Mitgliedsstaaten der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) im australischen Sydney trafen sich vom 5. bis 6.September im indischen Bangalore führende Gewerkschafter des asiatischen und Pazifikraums, um als Reaktion auf die zunehmende regionale Vernetzung des Kapitals eine gemeinsame Regionalorganisation des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB bzw. ITUC) zu gründen. Die ITUC-AP genannte Organisation wird 48 Gewerkschaftsbünde aus 29 Ländern umfassen und 18,6 Millionen Mitglieder vertreten. Gewerkschaftsforum Hannover:
Vorstellungen, wie der berühmt-berüchtigten "Globalisierung" des Kapitalismus zu begegnen sei, gibt es viele. Sie reichen von "politisch-korrektem Konsumverhalten" und grün-alternativem "Fair Trade" über neosozialdemokratische Hoffnungen auf einen "neuen Regulationsrahmen EU" bis hin zur Überwindung des national bornierten "Standortdenkens" der Gewerkschaften und internationalem Klassenkampf mit dem Fernziel einer sozialistischen Weltrepublik.
Ein wichtiger Schritt voran im Sinne des letzteren Ansatzes wäre die deutliche Erhöhung der gewerkschaftlichen Kampfkraft in den Ländern, in denen die neuen "Schwitzbuden" und "Werkbänke der Welt" stehen, das heißt vor allem in Asien. In diese Richtung hat sich nun – dem Anschein nach – mit der Schaffung einer asiatisch-pazifischen Regionalorganisation auch der neu gegründete Internationale Gewerkschaftsbund (IGB / ITUC) bewegt, dessen Erster stellvertretender Vorsitzender niemand geringeres als der DGB-Bundesvorsitzende und überzeugte "Sozialpartner" Michael Sommer ist. Wie weit der Weg zu einem ernstzunehmenden und kämpferischen Gewerkschaftsverbund in dieser immer wichtigeren Region ist, zeigt der folgende Artikel, der ursprüngliche für die linke Tageszeitung "junge Welt" verfasst wurde, dort allerdings unter anderen Manuskripten unterging. Wir freuen uns daher ihn hier erstmals veröffentlichen zu können.

"Die Gründung der neuen IGB-Regionalorganisation für Asien und den Pazifikraum ist ein historischer Schritt und wird den arbeitenden Menschen überall in der Region, das heißt in einem Teil der Welt, wo viele Ökonomien ein hohes Wachstumstempo verzeichnen, aber Millionen Menschen zurückgelassen werden, eine stärkere und effektivere Interessenvertretung geben", sagte der aus Großbritannien stammende IGB-Generalsekretär Guy Ryder.

Durch den Zusammenschluss in Asien und dem Pazifikraum wird die erste von drei Regionalorganisationen des IGB geschaffen, der selbst erst Anfang November 2006 in Wien durch die Vereinigung des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) und des Weltbundes der Arbeit (WBA) entstand und nach eigenen Angaben 309 Organisationen in 156 Ländern vereint, die zusammen 168 Millionen Mitglieder zählen. Dem Gründungskongress der neuen Regionalorganisation ging die Auflösung der IBFG- und WBA-Sektionen APRO und BATU voraus, die in dem neuen Bund aufgehen. Regionale Zusammenschlüsse in Afrika sowie Amerika werden in den kommenden Monaten folgen.

Der ITUC-AP-Kongress wählte G. Rajasekaran aus Malaysia zum Vorsitzenden und Noriyuki Suzuki (Japan) zum Generalsekretär. Stellvertretende Generalsekretärin wurde Necie Lucero (Philippinen). Neben der Verabschiedung eines Grundsatz- und Aktionsprogramms beschloss der ITUC-AP Resolutionen zu Burma, in der die aktuelle Repressionswelle des Militärregimes verurteilt, sowie zu Israel / Palästina, die sich für Frieden und ein Ende der Gewalt aussprach. Darüber hinaus wählten die Delegierten des Gründungskongresses einen Generalrat und ein Exekutivbüro als Leitungsgremien zwischen den Kongressen.

Überwältigend ist die Mitgliederzahl der neuen Organisation keineswegs. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) zählte bereits bei seiner Gründung im Jahre 1973 29 Millionen Mitglieder. Heute sind es, offiziellen Zahlen zufolge, 60 Millionen. Wobei die Bevölkerungszahl Asiens und Ozeaniens um ein Vielfaches höher ist. Ein Indiz wie viel Organisierungsarbeit noch vor dem neuen Dachverband liegt. Umso erstaunlicher ist es – zumindest auf den ersten Blick – dass neben der chinesischen Staatsgewerkschaftszentrale ACFTU auch mitgliederstarke linke Gewerkschaftsbünde, z.B. aus Indien, bereits im Vorfeld für unerwünscht erklärt wurden. Betroffen davon ist unter anderem der Centre of Indian Trade Unions (CITU), der 3,4 Millionen Mitglieder umfasst und der Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten) CPI-M nahe steht. Nach Ansicht des frisch gebackenen ITUC-AP-Generalsekretärs Suzuki sind die CITU und andere linke Gewerkschaften zu sehr "von China inspiriert". Eine in mehrfacher Hinsicht fragwürdige Einschätzung, die einiges über die Hartnäckigkeit des antikommunistischen Denkens der einstigen IBFG- und WBA-Funktionäre verrät. Gerade was das "Organising" von prekär Beschäftigten anbelangt (die in der Region überdurchschnittlich stark vertreten sind), könnten die Führung des neuen Verbandes von den misstrauisch beäugten Linken einiges lernen. Ein Streikaufruf der CITU an die ca. 360 Millionen unorganisierten Arbeiterinnen und Arbeiter Indiens für höhere Mindestlöhne, einen Ausbau des Sozialstaates und sozialen Wohnungsbau am 8.August erfreute sich zumindest in den von der Linken regierten Bundesstaaten West-Bengalen und Kerala einer großen Resonanz. Im Bundesstaat Tripura kam das öffentliche Leben sogar komplett zum Erliegen.

Dagegen wird sich beim neu geschaffenen ITUC-AP erst noch erweisen müssen, wie viel Kampfbereitschaft und Kooperationswille hinter der Kritik an "den hässlichen Seiten der Globalisierung" und der Klage ihres Generalsekretärs Noriyuki Suzuki steckt, die Globalisierung sei die versprochenen anständigen Lebensstandards schuldig geblieben.

An der Notwendigkeit eines qualitativen Sprungs der asiatischen und pazifischen Gewerkschaftsbewegung kann kein Zweifel bestehen. Eine Woche vor dem APEC-Gipfel einigten sich die 570 Millionen Menschen umfassenden ASEAN-Staaten und Japan darauf bereits 2015 eine "Südostasiatische Wirtschaftsgemeinschaft" (AEC) zu schaffen, d.h. fünf Jahre früher als bislang geplant. Schon ab 2010 soll es für 90% der Handelsgüter keine Zollschranken mehr geben. Das Integrationstempo auf ASEAN-Ebene ist – als Reaktion auf die Entwicklung der EU und Chinas – mittlerweile so hoch, dass ASEAN-Generalsekretär Ong Keng Yong bereits vor einer "Überlastung der Verhandlungskapazitäten" warnte (FAZ 27.8.2007). Die Auslandsinvestitionen betrugen im vergangenen Jahr 52 Milliarden Dollar. Ein Anstieg um 27 Prozent.

Editorische Anmerkungen

Das Gewerkschaftsforum Hannover (Kontakt: gewerkschaftsforum-H@web.de) schickte den Artikel mit der obigen Anmerkung an das österreichische Labournet, von wo wir spiegelten http://www.labournetaustria.at/gewerk06.htm