Die burmesischen Militärs trauern
dieser Tage wohl der “guten alten Zeit” nach, in der sie das
Land noch fest unter ihrer Kontrolle hatten und die Lage vor
der Weltöffentlichkeit geheim gehalten werden konnte. Die
Generäle haben jetzt das Internet sperren lassen, um zu
verhindern, dass von den derzeit stattfindenden
Erschießungen und Verhaftungen unbewaffneter Zivilisten
Berichte aus dem Land dringen. Allerdings werden die
Militärs auf die Art und Weise nicht verhindern können, dass
die Weltöffentlichkeit erfährt, was in Burma vor sich geht!
Die letzten Zahlen sprechen von zehn Toten in den letzten
Tagen.
Was den Generälen wohl besonders Stirnrunzeln bereitet,
ist die Entschlossenheit der DemonstrantInnen trotz der
brutalen Repression. Laut Berichten von gestern Abend ging
die Bewegung nach den Schüssen sogar noch gestärkt hervor
und wurde dadurch keineswegs geschwächt. ZivilistInnen
ergeben sich den Soldaten und konfrontieren sie mit der
Frage, ob sie denn tatsächlich gegen die eigenen Leute
schießen wollen. In einem Viertel von Yangon gingen wieder
hunderte DemonstrantInnen auf der Straße, die das von der
Regierung ausgerufene Demonstrationsverbot einfach
ignorieren.
Das Regime führt mittlerweile systematisch Razzien in den
Klöstern durch, bei denen die militantesten Mönche verhaftet
und viele verschleppt werden. Auf die Art und Weise soll der
Kern der Protestierenden zerschlagen werden. Diese Rechnung
wird aber so nicht aufgehen, aus einem einfachen Grund: Es
gibt ca. 500.000 Mönche in Burma. Traditioneller Weise
schicken die meisten Familien einen ihrer Söhne ins Kloster.
Hinter den demonstrierenden Mönchen, die wir in den letzten
Tagen im Fernsehen sehen konnten, stehen also die Familien
der Mönche – Millionen von BurmesInnen! Daher wird die Hetze
auf die Mönche und die Gewalt und Verhaftungen eher den
gegenteiligen Effekt in der Bevölkerung auslösen als den
begriffsstutzigen Generälen vorschwebt.
Die Militärs wollen jedoch anscheinend kein solches Blutbad
anrichten wie im Ausmaß von 1988. Die Gründe dafür liegen
auf der Hand: Würden sie eine große Anzahl an Mönchen töten
– die in der Bevölkerung hohes Ansehen genießen – könnte das
die Bevölkerung noch mehr gegen das Regime aufbringen und
möglicherweise zu Protesten führen, die das Regime stürzen
könnten.
Der Imperialismus hat ein Problem mit dem burmesischen
Regime: Die Militärs stammen aus einer Zeit, in der sie
uneingeschränkte Macht im Land hatten. Über Jahre hinweg
haben sie es geschafft, das Land komplett von äußeren
Einflüssen abzuschotten. Allerdings haben Jahre des
ökonomischen Niedergangs von Innen am Regime genagt, sodass
nun nur mehr ein verrotteter Körper, von dem nur noch eine
äußere Schale intakt ist, übrig ist.
Innerhalb der Offizierskaste gibt es zwei Flügel: Ein Teil
tendiert dazu, gegenüber der Opposition aufzumachen.
Dahinter steckt das Kalkül, die Zügel bis zu einem gewissen
Grad zu lockern, um der Gefahr zu entgehen, dass bald das
gesamte Regime zusammenbricht. Es herrscht eine große Angst
unter den Militärs vor, dass der Hass der Bevölkerung so
groß werden könnte, dass sie nicht nur militärische und
politische Ränge verlieren könnten, sondern auch ihren
ganzen Reichtum, den sie über die Jahre angesammelt haben,
für den Fall, dass das Militär in nächster Zeit ein groß
angelegtes Gemetzel vornimmt. Dieser Teil der Offiziere
handelt rein instinktiv! Der andere Flügel hingegen sieht in
jeglicher Konzession in Richtung “Demokratie” das eigene
Ende.
Die Existenz der unterschiedlichen Flügel innerhalb des
Militärs mag auch erklären, warum Ibrahim Gambari, der
Spezialgesandte der UNO für Burma, derzeit offenbar ohne
Probleme nach Burma reisen kann. Dies wäre in der
Vergangenheit undenkbar gewesen! Offensichtlich möchte sich
das Regime die Verhandlungsschiene offen halten. Ein
“Mediator” von außen könnte der Opposition den Weg zur Macht
ebnen, was vom Regime derzeit als einzig in Frage kommende
Maßnahme betrachtet wird, die die derzeitige Protestwelle
stoppen könnte.
Von China erwartet man sich, dass es eine wichtige Rolle
beim Entschärfen der Situation spielt. Gewöhnlich lautet die
Politik Chinas für Situationen wie der aktuellen in Burma,
sich nicht einzumischen in die “internen Angelegenheiten”
eines anderen Staates. Ebenso wird umgekehrt vertreten, dass
andere Länder sich nicht in die “internen Angelegenheiten”
Chinas einzumischen hätten, so z.B. bei der brutalen
Niederschlagung der Proteste am Platz des Himmlischen
Friedens vor fast 20 Jahren. An dieser Politik kann China
aber nun nicht länger festhalten!
China hat in großem Stil in Burma investiert und hat daher
ein Interesse an der Sicherheit der Investitionen. China ist
im übrigen der größte Handelspartner von Burma. Wie bereits
viele Kommentatoren angemerkt haben, geht es China nicht um
die “Demokratie” in Burma – wieso sollte es auch, nachdem in
China selbst ja nicht einmal “Demokratie” existiert! China
geht es vielmehr darum, dass das burmesische Regime
stabilisiert wird. China kämpft ebenso mit zahlreichen
internen Problemen, ansteigenden sozialen Spannungen und
weitverbreiteten Unmut. Es wird befürchtet, dass die
chinesischen Massen eines Tages von der gegenwärtigen
Situation in Burma Schlüsse ziehen für ihre eigene
Situation.
In jüngster Zeit hat das burmesische Regime den Versuch
gestartet, eine demokratische Verfassung auszuarbeiten. Der
Text war allerdings so gestaltet, dass die wichtigsten
Machthebel in den Händen der Militärs verblieben. China
versuchte Druck auszuüben, um den Prozess zu beschleunigen.
Es wollte auf eine Lockerung von oben hinwirken, um eine
Explosion der Unzufriedenheit von unten zu verhindern. Das
Militär hat jedoch ein wenig zu lange zugewartet, und als
sie dann ihre harten ökonomischen Maßnahmen im August
ankündigten, brachte dies das Fass zum Überlaufen.
Jian Yu, der Sprecher des chinesischen Außenministeriums,
verkündete gestern, dass China hoffe, dass “alle Beteiligten
in Burma Zurückhaltung üben und in der gegenwärtigen
Situation vernünftig handeln, um sicherzustellen, dass die
Situation nicht eskaliert und verkompliziert wird”.
Wir können davon ausgehen, dass der diplomatische Druck auf
das Regime in den nächsten Tagen erhöht werden wird. Auch
wäre es keine große Überraschung, wenn in nächster Zeit
diskrete Kommunikationswege zwischen Armeeoffizieren und
Oppositionsmitgliedern durch westliche Diplomaten eröffnet
werden, was allerdings keineswegs im Widerspruch stehen
würde zu einer möglichen weiteren Eskalation in den nächsten
Tagen. Eine Steigerung der Gewalt seitens der Militärs
könnte die Massen derart aufbringen, dass ein Teil der
Militärs sich gezwungen sehen könnte, Verhandlungen
aufzunehmen, um die Situation zu beruhigen.
Egal, wie lang sich dieser Prozess hinziehen wird – am Ende
wird eine Entwicklung hin zu einem bürgerlich –
demokratischen Regime stehen. Das chinesische Regime würde
eine solche Entwicklung am liebsten verhindern, da so dessen
Einfluss auf Burma geschwächt werden würde. Die USA und
andere westliche Mächte wiederum drängen darauf, dass die
Opposition an die Macht kommt. Dahinter steckt natürlich
nicht die Liebe des Westens zur Demokratie, sondern die
Perspektive einer Vergrößerung des Einflussgebietes der
einen oder anderen imperialistischen Macht.
So erklärt sich auch die umfangreiche
Medienberichterstattung über die Bewegung in Burma. Je nach
Bericht haben zwischen 70.000 und 100.000 Menschen an der
größten Demonstration, die bis jetzt stattgefunden hat,
teilgenommen - eine beeindruckende Bewegung! Niemand
zweifelt am Mut der DemonstrantInnen angesichts des brutalen
Militärapparats. Wenn man aber bedenkt, dass Burma eine
Bevölkerung von 50 Millionen hat, ist diese Bewegung doch
relativ klein verglichen mit Bewegungen, die in anderen
Teilen der Welt vor nicht allzu langer Zeit stattgefunden
haben!
Erinnern wir uns zum Beispiel an Mexiko, wo während der
Protestbewegung gegen den Wahlbetrug bis zu drei Millionen
Menschen auf den Straßen von Mexiko City waren. Es gab eine
Massenbeteiligung an der Bewegung, die über Monate
andauerte. Und wie sah hier die Medienberichterstattung aus?
Die offiziellen Medien brachten erst gar keine Bilder von
den Demonstrationen in Mexiko City. Es wurde sogar versucht,
der Bewegung jegliche Bedeutung abzusprechen. Die Organe des
Kapitals wie “The Economist” und die “Financial Times”, die
dieser Tage von einer “Revolution” in Burma berichten, haben
die Bedeutung der Bewegung in Mexiko schlichtweg ignoriert.
Wieso also die unterschiedliche Berichterstattung? Das liegt
auf der Hand! In Burma wird am Ende der Bewegung eine
bürgerliche Opposition, die bereits jetzt in enger
Verbindung mit dem Imperialismus steht, an die Macht kommen.
In Mexiko hingegen hat der Imperialismus Calderon den Rücken
gestärkt und sich vor den Massen gefürchtet, die für Lopez
Obrador auf die Straße gegangen sind. In Burma sehnt der
Imperialismus den Fall des Regimes herbei und drängt auf
eine neue Regierung, mit der in Zukunft “Geschäfte gemacht”
werden können. In Mexiko war jener Politiker, mit dem man
“Geschäfte machen” kann, derjenige, der den Wahlbetrug
angeführt hat.
Wir sehen also, dass der Imperialismus mit zweierlei Maß
misst bei der Verwendung von Begriffen wie “Revolution” und
“Demokratie”. Für den Imperialismus bedeutet “Demokratie”
nichts anderes als die uneingeschränkte Herrschaft des
Kapitals. Auch nur der kleinste Ansatz einer echten
Beteiligung der Massen am politischen Leben eines Landes
wird als “diktatorisch” bewertet – daher auch dieses Label
des Imperialismus für die Regierung Venezuelas.
Wir unterstützen die mutigen burmesischen Massen in ihrem
Protest und bei ihrem Versuch, das Militärregime zu stürzen!
Gleichzeitig müssen wir das Gesamtbild im Auge behalten und
die Manöver des Imperialismus beobachten. Für die meisten
Menschen steht die Opposition zwar in erster Linie für
Demokratie und für den Sturz der Diktatur – wir wissen aber,
dass noch mehr dahinter steckt!
Editorische
Anmerkungen