Bernard Kouchner und die Zwangsarbeit in Burma: Nur Blödheit, oder Komplizenschaft?

von Bernard Schmid
10/07

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Burma ist in aller Munde, seitdem in den letzten Wochen massive Protestbewegungen in dem südostasiastischen Land stattfanden und daraufhin mit militärischer Gewalt unterdrückt wurden. Auch Bernard Kouchners Namen ist in aller Munde: Im Frühsommer dieses Jahres französischer Außenminister geworden, sorgte der Mann mit seinen klar ausgesprochenen Kriegsdrohungen gegen den Iran am 16. September für helle Aufregung. Inzwischen möchte er jedoch in der Öffentlichkeit nicht mehr explizit von Krieg sprechen, denn „dieses Wort schätze ich nicht“. (FUSSNOTE 1[1]) Aber zwischen Burma und Bernard Kouchner gibt es auch einen Zusammenhang. Es handelt sich nicht wirklich um ein Glanzlicht in der Karriere des ehrgeizigen französischen Politikers 

Zwangsarbeit von Kindern, in einer Zone, durch die internationale Erdölkonzerne – unter ihnen der französische Branchenriese Total - eine Pipeline errichteten? Nicht doch, nicht doch, versicherte eifrig ein gewisser Bernard Kouchner. In einem Interview mit dem ‚Figaro’ im behauptete er im Dezember 2003, er könne sich gar nicht vorstellen, dass der französische Erdölkonzern, dessen Beteiligung an dem umstrittenen Pipelineprojekt seit längerem in der Öffentlichkeit kritisiert wurde, von Sklavenarbeit profitiere.  

„Zu 95 Prozent“ sei er sich da sicher, meinte der Mann, der inzwischen als französischer Aubenminister amtiert. Denn die Leute von Total, die kenne er, und die seien dazu rein menschlich „nicht fähig“, denn sie hätten keine Mentalität von Sklavenhaltern. Vielmehr wirke die Mehrheit im Vorstand, so Kouchner wörtlich, eher wie „katholische Pfadpfinder“. Sicherlich eine Eigenschaft, die „von Vorteil ist, um in Ländern wie dem Iran, in Libyen oder in Nigeria zu investieren“, wie die Pariser Investigations- und Satirezeitung ‚Le Canard enchaîné’ (im Rückblick, vergangene Woche) dazu spöttisch anmerkte. Oder eben in Burma. 

Pikant an der Geschichte war unter anderem, dass Kouchner in jenem Jahr das runde Sümmchen von 25.000 Euro von Total kassiert hatte – für einen Bericht, den er abfasste, nachdem er (vom 25. bis 29. März 2003) immerhin vier Tage in Burma verbracht hatte. Dorthin war er erstmals im Dezember 2002 in Begleitung seiner Gattin, der Fernsehjournalistin Christine Ockrent, gereist; daraufhin bekam er kurze Zeit später den Auftrag für die Erstellung eines Untersuchungsberichts über einen für Total tätigen Anwalt (Jean Veil, den Sohn der liberalen Politikerin Simone Veil) erteilt. Im September 2003 legte er seinen Bericht vor, der auch prompt alsbald auf der Homepage des Erdölgiganten auftauchte (vgl. http://birmanie.total.com/fr/controverse/p_4_4.htm ). „Bleich“ soll Kouchner, der gern als einer der weltweit wichtigsten Vorkämpfer für die Menschenrechte auftritt – und Interventionen der westlichen Mächte zu ihren Gunsten legitimiert -, am 23. Dezember 03 geworden sein, als er erfuhr, dass Total den Bericht bei einem Prozess verwendet und gegen Anklagen von Flüchtlingen aus Burma angeführt hatte. Angeblich ohne sein vorheriges Wissen; so schrieb jedenfalls die Pariser Abendzeitung ‚Le Monde’ am 5. Januar 2004.  

Um jene Zeit hatte der als eitler Fatzke bekannte französische Politiker, ehemalige Gesundheits- und spätere Aubenminister eine Ein-Mann-Beraterfirma namens „BK Conseil“ (für Bernard Kouchner Beratung) gegründet. Mit ihr wurde er damals unter anderem auch für die autokratischen Präsidenten von Gabun und Kongo-Brazzaville, Omar Bongo und Sassou-Ngessou, in Form von Untersuchungsberichten über Arzeimittelimport bzw. die Geflügelgrippe tätig. Rein zufällig handelt es sich bei den beiden Präsidenten nicht nur um altgediente Diktatoren, sonden auch um zwei hervorragende Freunde der Konzernführung von Total an der Spitze zweier Erdöl produzierender Staaten.  

Ging es um Geld? Der arrogante Flegel Kouchner selbst reagierte zunächst mit der offensiven Gegenfrage: „Was glauben Sie denn, wovon ich lebe?“ (Ohrenzeugenbericht eines Journalisten bei RFI/Radio France International gegenüber dem Verfasser dieser Zeilen, 10. Oktober 07) Kurz darauf schwenkte Kouchner jedoch um und wechselte die Verteidigungsstrategie. Entsprechende Vorwürfe konterte er wenig später in der Öffentlichkeit mit dem Hinweis darauf, dass es bei ihm doch auf mickrige 25.000 Euro nicht ankomme: „Pro Vortrag, den ich gebe, nehme ich allein die Hälfte (dieser Summe)“, so Kouchner wörtlich. Während seine Ehefrau, die dümmlich-arrogant-bourgeoise Fernsehjournalistin Christine Ockrent, hingegen 18.000 Euro pro Vortrag verlangt. 

Worum ging es? Zum Inhalt von Kouchners Rapport 

Total brauche sich im Hinblick auf seine Präsenz in Burma nichts vorwerfen zu lassen, vertrat Kouchner, und fügte in der Öffentlichkeit treuherzig hinzu: „Die Rohre der Pipeline sind zu schwer, um von Kindern getragen zu werden.“ Es hatte aber auch niemand behauptet, dass man sich die Zwangsarbeit in der Zone, durch welche die Erdgasleitung unter mabgeblicher Beteiligung von Total und der US-amerikanischen Ölfirma Unocal verlegt wurde, so vorstellen müsse. Die seit Jahren laut werdende Kritik prangerte vielmehr andere Formen der Ausbeutung von Sklavenarbeit an.  

Am 9. Juli 1992 hatten der französische Konzern Total, die US-Ölforma Unocal (Union Oil Company of California), das thailändische Unternehmen PTTEP (Petroleum Authority of Thailand – Exploration and Production) und die burmesische Staatsfirma MOGE (Myanmar Oil & Gas Enterprise) einen Vorvertrag über die Erschliebung eines Erdgasvorkommens im Andamanischen Meer abgeschlossen. Das geförderte Erdgas sollte einerseits ein Kraftwerk in der damaligen burmesischen Hauptstadt (und noch immer Metropole des Landes) Rangoon versorgen, andererseits und zum gröberen Rest aber nach Thailand abgeführt werden. Das definitive Abkommen zur gemeinsamen Nutzung des Erdgasprojekts, das auf den Namen Yadana getauft worden war, wurde am 8. Februar 1995 abgeschlossen.  

Die Pipeline, die zwischen 1995 und 1998 zum Abtransport des Gases vom Förderprojekt Yadana über burmesisches Territorium – 63 Kilometer Landweg - bis zu ihrem Zielort im benachbarten Thailand verlegt wurde, führte durch (aus Sicht der burmesischen Militärdiktatur) „unsicheres“ Gebiet. In dieser Zone waren Rebellengruppen ethnischer Minderheiten, die durch das Regime in Rangoon marginalisiert wurden -- der Mon und Karen -- seit langem aktiv. Um das gröbte Investitionsprojekt in dem vor 1990 noch nach Autarkie suchenden Land abzusichern, setzte die Junta auf eine totale Militarisierung der betroffenen Zone. Statt zuvor drei Bataillonen der birmanischen Armee wurden ihrer 15 dort stationiert. Um Munition zu transportieren, Baracken für die Soldaten und Hubschrauber-Landeplätze zu errichten, aber auch um das Gelände für die zukünftige Verlegung der Erdgasleitung von Gewächsen zu säubern und zu planieren, um Gräben auszuheben, wurden Dorfbewohner unbezahlt zur Zwangsarbeit verpflichtet.  

Durch die Armee, nicht direkt durch die ausländischen Investoren. Aber in deren Niederlassungen wusste man offenkundig, was vorging. ‚Le Monde’ zitierte im Jahr 2004 aus einem Brief, den der damalige Unocal-Leiter in Burma im März 1995 an seine Konzernzentrale sandte: „Unsere Behauptung, dass das Regime nicht rund um die Pipeline seine üblichen Methoden ausgeweitet hätte, wird nicht vielen Überprüfungen standhalten können.“ Auch im Untersuchungsbericht einer Delegation der französischen Nationalversammlung vom 13. Oktober 1999 liest man: „Es erscheint fadenscheinig, den Bau der Pipeline (...) von den Mabnahmen des burmesischen Regimes zu seiner Absicherung zu trennen. Es sind diese SIcherheitsmabnahmen, die Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlungen hervorgerufen haben.“ Total und Unocal hätte nicht direkt und bewusst Zwangsarbeiter beschäftigt, wohl aber von ihrem Einsatz (unter Aufsicht und Verantwortung der burmesischen Armee) profitiert. Die Parlamentariergruppe sprach sich deshalb gegen weitere Aktivitäten von Total in der betroffenenen Region aus. Die International Labour Organisation (ILO) veröffentlichte 2000 einen vernichtenden Untersuchungsbericht über Zwangsarbeit in Burma, und beschloss daraufhin den Ausschluss des Regimes aus ihren Reihen. 

Ein ehemaliger Offizier der französischen Fremdenlegion, Jean-Claude Knappe, der zeitweise bei Total in Burma für Sicherheitsfragen verantwortlich war, meldete sich seinerseits im Dezember 2003 im ‚Figaro’ und im ‚Nouvel Observateur’ zu Wort. Er behauptete, die Armee habe Dorfbewohner unter Zwang zur Räumung von Sprengfallen in Minenstreifen eingesetzt; er habe mit eigenen Augen gesehen, wie fünf Personen dabei getötet worden seien. Andere Augenzeugen berichten, eine Subfirma von Total, die Héli-Union – die normalerweise für den Einsatz von Hubschraubern auf Bohrplattformen zuständig ist – habe Soldaten der burmesischen Armee mit ihren Helikoptern zu Einsätzen transportiert. 

In seinem Rapport von 2003 zeigt Bernard Kouchner sich aggressiv gegen jene Menschenrechtsaktivisten und –verbände, die „uniformiert“ seien und Vorwürfe gegen Total erhoben, obwohl sie sich nicht selbst vor Ort begäben. Ein Vorwurf, der einer gewissen Perfidie nicht entbehrt, da unabhängige Menschenrechtsorganisationen nach Birma nicht hineingelassen wurden (und werden). Kouchner suchte unterdessen die rein humanitär tätigen NGOs, die sich nicht um politische Verhältnisse kümmern und um Zusammenarbeit auch mit repressiven Regimes bemüht sind u. sein müssen, gegen die Arbeit von Menschenrechtverbänden auszuspielen: Die Einen leisteten konkrete Arbeit, die Anderen dagegen stänkerten nur „aus der Ferne“. Menschenrechtsorganisationen konterten dies mit dem Vorwurf, Kouchner vermenge alles mit allem: die Rolle der (staatlichen) Politik und jene von privaten Unternehmen – indem er unter Hinweis auf die Finanzierung von Gesundheitsprogrammen durch Total soziale Dienstleistungen als Aufgabe von Konzernen hinstelle -, und beide zusammen mit der jeweils unterschiedlichen Rolle von humanitärer Notfallhilfe (die nicht ohne Kooperation mit den jeweiligen Machthabern vor Ort auskommen kann) sowie von Menschenrechtsarbeit (die notwendig kritisch gegenüber autoritären Regimen ausfällt). Aber in Wirklichkeit benötigt ein Typ wie Kouchner eine solche Konfusion der Rollen wohl, um sich selbst als vermeintlich unumgängliche Figur an der Schnittstelle zwischen all diesen unterschiedlichen Rollenmustern darzustellen. Je wirrer das Knäuel, desto unabdingbarer soll Bernard Kouchner erscheinen. 

‚Kulturelle Tradition’ 

Ferner führt Kouchner die Zwangsarbeit in der betroffenen Region auf eine „kulturelle Tradition“ zurück, unter Anspielung auf die frühere kostenlose Arbeit von Dorfbewohnern bei der Errichtung von Tempeln oder gemeinnützigen Bauten. „Aber sicher nicht beim Munitionstransport oder Errichten von Unterkünften für Soldaten“ konterte die Internationale Vereinigung von Menschenrechtsverbänden (FIDH) in einem kritischen Kommentar zu Kouchners „Untersuchungsbericht“, dessen Erscheinen sie ausdrücklich „bedauerte“ (vgl. http://www.fidh.org/spip.php?article357 ).  Die  FIDH und andere Kritiker monierten fermer, Kouchner habe weder die burmesische Opposition noch die Flüchtlinge an der thailändischen Grenze getroffen. 

Bernard Kouchner zufolge hatte der französische Konzern sich nichts zuschulden kommen lassen. Pech nur, dass die Total-Direktion selbst einräumte, dass sie es in Wirklichkeit besser wusste. Bereits während einer Debatte im Pariser Kulturkaufhaus FNAC im Sommer 2001 räumte der Präsident des durch den Konzern eingerichteten „Ethikrats“ ein, man habe Kenntnis von solche Zuständen gehabt – „aber wenn uns ein Fall von Zwangsarbeit bekannt wird, dann entschädigen wir die Betroffenen“. Und nachdem die US-Firma Unocal, die mit Total in demselben Erdgasförderprojekt vor der birmenischen Küste investiert hat, im Rahmen eines Prozesses in Kalifornien gröbere Schadensersatzzahlungen geleistet hatte, hielt auch die Konzernführung in La Défense bei Paris die Zeit für gekommen. Im November 2005 zahlte Total jeweils 10.000 Euro an acht burmesische Kläger und richtete einen „Reparationsfonds“ unter Einlage von 5,2 Millionen Euro ein.  

Die damalige Klage wurde unterdessen in Nanterre (bei Paris) durch die Untersuchungsrichterin Katherine Cornier abgewiesen, aber ausschlieblich aufgrund der Nichtzuständigkeit der französischen Justiz, da zu jenem Zeitpunkt keiner der Kläger oder Zeugen sich auf französischem Boden befand. Hingegen nahm die Richterin sich die Zeit, ausdrücklich in ihre Entscheidungsbegründung hinein zu schreiben: „Die Realität (= der reale, zutreffende Charakter) der angeprangerten Tatsachen kann nicht in Zweifel gezogen werden.“ 

            Und heute?

Seit der Affäre um Kouchners Rapport war es still um die Aktivitäten von Total in Burma geworden. Heute, nach den Demonstrationen und der Repression in den letzten Wochen, sind die Aktivitäten von Total in Birma erstmals wieder zum Gegenstand der öffentlichen Debatte geworden. 

Präsident Nicolas Sarkozy forderte am 26. September 2007 „private Firmen wie zum Beispiel Total“ zu „gröbter Zurückhaltung in Burma“ auf und ersuchte sie, „keinen neuen Investitionen“ dort zu tätigen. Dieser Appel war freilich relativ unnötig: Seit 1998 hat der Konzern ohnehin keine Neuinvestition in dem Land vorgenommen. Aber alljährlich flieben geschätzte 200 bis 500 Millionen Euro über die burmanesische Staatsfirma MOGE (Myanmar Oil & Gas Enterprise), die mit 15 Prozent an dem Förderprojekt von Yadana beteiligt ist, an die Junta – deren Militärs dort im Aufsichtsrat sitzen.  

Die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi hatte Total in einem Interview mit ‚Le Monde’ im Juli 1996 als „wichtigste Stütze des Regimes“ bezeichnet. Einen Hinweis, den Total-Generaldirektor Christophe de Margerie, seinerseits im Gespräch mit derselben Pariser Abendzeitung (vom Samstag, 6. Oktober), mit der Entgegnung vom Tisch wischt: „Aber wir sind im Jahr 2007!“ Die übrigen Gedanken des Interviewten sind schnell zusammengefasst: „Wir müssen das Öl dort holen, wo es sich befindet.“ Und wenn wir es nicht tun, dann werden es eben Andere machen (die geringere Skrupel hätten). Die Menschenrechtsorganisationen können kritisieren und Vorschläge erteilen, „aber Total entscheidet“. Ansonsten verweist der Vorständler darauf, dass Total in Burma auch in Sozial- und Gesundheitsprojekte investiere, etwa in die AIDS-Bekämpfung. Einen Hinweis, den auch bereits Kouchners Papier von 2003 enthielt - den jedoch die internationale Menschenrechtsorganisation FIDH damals mit dem Argument zurückwies, ein solches Verständnis von Sozialpolitik und Gesundheitsversorgung als Aufgabe eines Privatkonzerns sei gefährlich: Es könne dazu führen, dass die Ungleichbehandlung zwischen Bevölkerungsgruppen, die sich zufällig in Reichweite eines Total-Projekts befinden, und anderen Bevölkerungsteilen die bestehenden Ungerechtigkeiten noch verschärfe. Stattdessen solle Total lieber – vor der birmanischen wie der internationalen Öffentlichkeit – offenlegen, was der Konzern an den burmesischen Staat bezahle. Dieser stünde dann in der Verantwortung, die Verwendung der Gelder zu rechtfertigen. 

Aussprechen für Sanktionen? Eine politische Streifrage 

Die Frage eines Rückzugs von Firmen wie Total aus dem Land, sowie etwaiger breiterer Wirtschaftssanktionen gegen Burma ist jedoch auch unter Kritikern und Kritikerinnen umstritten. Die FIDH fordert nach wie vor den Abzug von Total. Im Gespräch mit ‚Libération’ vom 28. September 2007 weist ihr Generalsekretär Olivier de Schutter darauf hin, die Zahlungen an das Regime aus dem Ölgeschäft kämen ohnehin nicht den Bewohnern des Landes in ihrer Mehrheit zugute: „Die Einkünfte von 75 Prozent der birmanischen Bevölkerung stammen aus der Landwirtschaft. Und der räuberische Staatsapparat gibt 45 bis 50 Prozent seines Budgets für Militärausgaben aus, gegenüber unter drei Prozent für Gesundheit und Bildung.“ Ein wirtschaftlicher Boykott träfe also gar nicht die Bevölkerung.  

Dagegen sind andere Kritiker der Konzernpolitik weitaus skeptischer gegenüber allgemeinen Sanktions- und Boykottmabnahmen. Der linke Anwalt William Bourdon, der die burmesischen Kläger gegen Total in Frankreich vertritt, zum Beispiel: „Burma unter Quarantäne zu stellen, könnte ein Rezept sein, das schlimmer wäre als das Übel, gegen das es angewendet wird. Es gibt kein historisches Beispiel eines Regimes, das infolge eines Boykott wie eine reife Frucht gefallen wäre.“ Tatsächlich haben der Iraq, Serbien und andere zeitweise mit Wirtschaftssanktionen belegte Staaten dadurch keine Änderung der Politik ihrer Regime (wie die westlichen Führungsmächte sie anstrebten bzw. forderten) erlebt – vielmehr entwickelten sich Schmuggelaktivitäten und halbmafiöse Netzwerke. Vieles hängt in solchen Fällen von den Forderungen der internen Opposition an die interne Öffentlichkeit, ihrer Strategie und ihren Möglichkeiten zur Umwandlung von äuberem Druck in inneren Druck ab. Das Beispiel des südafrikanischen ANC liebe sich diesbezüglich positiv anführen.  

Skepsis und Zurückhaltung herrscht in Teilen der Linken auch bezüglich der Absichten der US-amerikanischen und französischen Führung, falls diese denn ernsthaftere Sanktionen ergrifen. Hingewiesen wird dabei auch darauf, dass Burma eine neue Front in einem faktischen kalten Krieg der Westmächte mit China – an dessen Südgrenze und in einem Land, wo hohe chinesische Investitionen präsent sind – bilden könnte. In manchen westlichen Hauptstädten könnte man so nach Verbündeten für eine Einflusssuche nach dem Vorbild der „Orangenen Revolution“ suchen. Auch dieser Gedanke ist sicherlich berechtigt. 

Eins hingegen steht wohl unverrückbar fest: Was Total – und andere, US-amerikanische, thailändische oder auch chinesische Konzerne – bisher in Burma betrieben, hat mit den Interessen der dortigen Bevölkerung nichts zu tun. Allenfalls als Legitimationsmäntelchen werden letztere gern angeführt.

1] ANMERKUNG 1:
In Wirklichkeit hat Kouchner an jenem Tag allerdings keine prophetische Warnung ausgesprochen, sondern viel eher seinem Wunschdenken Ausdruck verliehen. Denn bereits einige Monate, bevor er im Mai dieses Jahres zum Außenminister
berufen wurde, zog er eine Parallele zwischen seinem langjährigen hartnäckigen Trommeln für eine militärische Intervention auf dem Balkan – in den früher neunziger Jahren – und der heutigen Situation bezüglich des Iran. Im November 2006 schrieb er in einem Artikel für die Zeitschrift Politique internationale: „Es brauchte jahrelang Bilder aus Sarajewo, obwohl es doch auf unserem Kontinent liegt, damit die französische öffentliche Meinung grundsätzlich die Entsendung von Truppen auf den Balkan akzeptiert! Wie sollen wir den Verhandlungen (mit dem Iran) Glaubwürdigkeit verleihen, wenn wir nicht in der Lage sind, eines Tages an der Seite unserer Alliierten in Teheran zu intervenieren?“

 

Editorische  Anmerkungen

Wir erhielten den Text am 13.10.07 vom Autor.