Der letzte Verteidiger des Rechtsstaats
Peter O. Chotjewitz liefert den notwendigen Einspruch zur offiziellen Version des Deutschen Herbst
 
von Peter Nowak

10/07

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Viel wird zur Zeit in den Medien über jene Zeit geschrieben, der seit 30 der Deutsche Herbst genannt wurde. Doch die Berichte gleichen sich meist. Ein demokratischer Staat habe sich im Herbst 1977 gegen zu allem bereite, durchgeknallte RAF-Guerilleros wehren müssen und habe diese Prüfung alles in allem erfolgreich bestanden.

Diese Töne schlagen auch ehemalige Linke an, die vor 30 Jahren klammheimliche Freude für die RAF gezeigt haben und daher heute besonders vehement gegen ihre alten Ideale ankämpfen.

Mit Peter O. Chotjewitz hat sich jetzt ein Autor zu Wort meldete, der nicht in diesen Chor einstimmt. Er hatte als Wahlverteidiger von Andreas Baader seine Erfahrungen mit der Justiz gemacht, danach den Anwaltsberuf an den Nagel gehängt und sich ganz der Schriftstellerei gewidmet. In seinem Roman „Die Herren des Morgengrauens“ hatte Chotjewitz seine kurze Zeit Rechtsanwalt literarisch verarbeitet. In den letzten Jahren 20 Jahren konnte man von ihm nichts mehr lesen. Dafür werden wir jetzt gleich mit zwei Büchern entschädigt, die beide in Abständen von wenigen Monaten im Berliner Verbrecher Verlag erschienen sind.
„Mein Freund Klaus“ ist die Romanbiographie des Stuttgarter Rechtsanwalts Klaus Croissant, der von den Medien zum Drahtzieher der RAF gestempelt wurde und der wegen seiner Kontakte zum MfS auch bei vielen Linken zur Persona Non Grata geworden ist. Vielleicht kann Chotjewitz durch viele Zeitzeugengespräche unterfütterte Biographie dazu beitragen, dass sich ein differenziertes Bild über Croissant durchsetzt. Das Buch beginnt mit den Vorfahren von Klaus Croissants, die als Hugenotten vor der Verfolgung aus Frankreich geflohen sind. Chotjewitz gelingt es meisterhaft, Landschaft und politisches Klima der Region um die Kleinstadt Kirchheim an der Teck zu beschreiben, in der Croissant geboren wurde und die für die Sozialisation des jungen Jurastudenten eine große Bedeutung war. Früh setzte er sich mit den NS-vorbelasteten Juristen auseinander, die den jungen Studenten als Lektüre empfohlen. Später war er ein dezenter Unterstützer der Linken, wie Chotjewitz detailreich beschreibt.

Croissant hatte sich schon einen Ruf als demokratisch engagierter Anwalt erworben, als er das Mandat für die RAF-Gefangenen übernahm. Chotjewitz rekapituliert noch einmal die Zeit ab 1974, als das Anwaltsbüro Croissant zur Zentrale des Terrorsstilisiert wurde. Croissant und seine Mitarbeiter wurden bespitzelt und inhaftiert. Croissant floh 1977 nach Paris und beantragte politisches Asyl in Frankreich. In zahlreichen französischen Städten gingen Zehntausende für den Anwalt auf die Straße. Nicht ganz vergeblich. Croissant wurde zwar an die BRD ausgeliefert, doch die deutsche Justiz musste auf zahlreiche Anklagepunkte verzichten. Deshalb war die Haftstrafe auch wesentlich geringer, als die Anklagebehörde anstrebte. Chotjewitz und sein damaliger Anwaltskollege und heutige Grünen-Politiker Christian Ströbele sind noch immer überzeugt, dass Croissant Aktivitäten von seinem Anwaltsmandat gedeckt waren. Er war der letzte Verteidiger des Rechtsstaates und scheute in dieser Rolle auch keine Auseinandersetzung mit der Staatsmacht.

Chotjewitz geht auch auf Croissants Aktivitäten in Westberlin ein, wo er ab Anfang der 80er Jahre am linken Flügel der Alternativen Liste für die Anerkennung der DDR stritt. Nach dem Fall der Mauer engagierte er sich in der gerade gegründeten PDS und war Mitorganisator von der ersten Westberliner Demonstration gegen die Annexion der DDR. Wenig später wurde er wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem MfS erneut inhaftiert. Auch hier kommt Chotjewitz nach vielen Gesprächen zu dem Schluss, dass Croissants MfS Kontakte den Meinungsaustausch über die politische Lage diente aber mit Geheimnisverrat nichts zu tun hatte. Croissant war als PDS-Kandidat für die Bundestagswahl 1994 im Gespräch, doch ein schwerer Schlaganfall mache ihm zum Invaliden. Im Jahr 2001 ist er gestorben.

Chotjewitz gelingt es meisterhaft, die verschiedensten Facetten seines Lebens darzustellen. Bei Croissants langjähriger Lebensgefährtin Brigitte Heinrich misslingt es leider. Die Darstellung wird dem Leben der früh verstorbenen linken Theoretikern nicht gerecht.

Über den letzten Besuch von Chotjewitz bei dem schwer erkrankten Croissant handelt auch eine von insgesamt 19 Kurzgeschichten, die im Band „Fast letzte Geschichten“ versammelt sind. Es geht um Kriminalfälle, eine Würdigung des Fluxus-Künstlers George Maciunas und immer wieder auch um die linke Bewegung und die RAF. Hoffentlich bekommen wir dem Buchtitel zum Trotz noch viel von Chotjewitz zu lesen und müssen nicht wieder 20 Jahre auf ein neues Buch von dem Autor warten.

Terminhinweis: Peter O. Chotjewitz liest am 19.10.07 ab 19.30 Uhr aus dem Buch „Mein Freund Klaus“ im Buchladen Schwarze  Risse, Berlin, Gneisenaustr. 2a, der Eintritt ist frei

Chotjewitz Peter, Mein Freund Klas
Berlin 2007, Verbrecher Verlag, 22 Euro 
Hardcover, 576 Seiten, ISBN : 978-3-935843-89-8

Chotjewitz Peter O. Fast letzte Erzählungen
Berlin, 2007, Verbrecher Verlag 
224 Seiten, 13 Euro,
broschiert, ISBN : 978-3-935843-84-3