TREND SPEZIAL Köln 19./20. September 2008

Demo am Freitag war ein Erfolg

von autonome antifa [f]

10/08

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Anlässlich der erfolgreichen Verhinderung des Treffens der europäischer Rechtspopulisten am Freitag und Samstag in Köln durch Blockaden und militante Aktionen von mehren tausend AntifaschistInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, sieht man sich im Umsganze-Bündnis bestätig: „Die Proteste in Köln zeigen die Notwendigkeit einer eigenständigen, linkradikalen Bewegung."

"Es ist zwar schön, dass vielen Rechten die beiden Tage in unangenehmer Erinnerung bleiben werden. Die Verhinderung des Kongresses war staatlicherseits jedoch zumindest einkalkuliert. Das ist kein Ausdruck eines Linksschwenks, sondern nur der Tatsache, dass man im Moment offenbar keine Konkurrenz rechts der CDU zulassen will. Es ging dem bürgerlichen Bündnis um dem Oberbürgermeister nicht darum, Rassismus und Nationalismus tatsächlich zu bekämpfen, sondern das Monopol darauf zu behaupten. Das zeigt wie richtig es war, dagegen auf einen linksradikalen Ausdruck schon am Freitag zu setzen,“ findet etwa Sahra Brechtel von der autonomen antifa [f] aus Frankfurt.

Bereits am Freitag Abend hatten in Köln fast 3000 Menschen an der linksradikalen Demonstration “Fight the Game - Rassismus, Islamismus, Nationalismus und Kapitalismus bekämpfen!“ teilgenommen. Die Demonstration richtete sich gegen die ideologischen und gesellschaftlichen Grundlagen der verschiedenen reaktionären Bewegungen. Aus der Demonstration heraus wurde die Kölner Ausländerbehörde mit Farbflaschen angegriffen, danach kam es zu Rangeleien mit der Polizei.

Die Antifa-Sprecherin erklärte dazu: "Während der Oberbürgermeister über den Rassismus von Pro Köln spricht, drangsaliert seine Ausländerbehörde tagtäglich und ganz „demokratisch“ MigrantInnen für den „Standort Deutschland“. Die Aktionen gegen die Ausländerbehörde waren der konsequente Ausdruck einer linksradikalen Bewegung, mit der kein Staat zu machen ist. Wir wollen schließlich keinen demokratischen Rassismus und Nationalismus, sondern gar keinen.“ Die entschlossene Teilnahme von so vielen Menschen an der eigenständigen linksradikalen Demonstration am Freitag sei in diesem Sinne als ein Schritt in die richtige Richtung zu bewerten.

Die autonome antifa [f] ist Teil des bundesweiten, linksradikalen UmsGanze-Bündnis, das unter dem Motto "Religiöse und nationale Kollektive kippen: Für den Kommunismus!" auch nach Köln mobilsiert hat.

 

Hier noch der Redebeitrag der autonomen antifa [f] aus Frankfurt auf der Antifa-Demo am Freitag, die bestimmt keiner verstanden hat... :

Liebe Linksradikale,

Antifaschismus – das ist nicht neu – bedeutet den Kampf gegen die gesellschaftlichen Grundlagen aus denen heraus Menschen die Bereitschaft entwickeln, reaktionäre Denk- und Verhaltensmuster anzunehmen. Daher ist das Kriterium unseres Antifaschismus nicht die Masse an Leuten, die Anzahl an Fernsehberichten, das Image der Stadt oder sonst ein Quatsch. Unser Kriterium ist die Wirksamkeit in der Praxis. Und das unterscheidet uns grundsätzlich von den Standortverwaltern von Grünen bis CDU – unser Antifaschismus ist keine Ordnungspolitik.

Faschistischen Bewegungen und dem ideologischen Bodensatz aus dem diese heraus entstehen, lässt sich am besten mit dem Mittel des militanten Antifaschismus, mit direkten Aktionen, mit Aufklärung, Outings und inhaltlicher Kritik entgegentreten. Wir machen das, weil wir das am besten können. Und das werden wir morgen Pro Köln und Co. auch nachhaltig deutlich machen!

Aber – Und das wissen die meisten Antifas auch schon seit einigen Jahren – Antifaschismus ist damit eben nicht der Kampf „ums Ganze“: Dem Kapitalismus und dem Elend, der Ausgrenzung und der Entfremdung, die er tagtäglich produziert, lässt sich mit dem Mittel des Antifaschismus nicht viel antun. Schließlich geht es bei der Abschaffung des Kapitalismus um nicht weniger als den Kampf für Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die Abschaffung der Herrschaft von Menschen über Menschen – den Kommunismus.

Die Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Herrschaft ist dabei nur die Verteidigung von Bedingungen, unter denen wir den Kampf für das ganz andere überhaupt denken und angehen können. Es ist die Verteidigung eines Zustandes, den wir als KommunistInnen überwinden wollen. Trotzdem muss dieser Kampf geführt werden. Denn das frustrierende Hamsterrad des Antifaschismus wird die radikale Linke unter kapitalistischen Bedingungen nicht verlassen können.

Was also sind dann die „gesellschaftlichen Grundlagen“ denen ein linksradikaler Antifaschismus auf die Pelle rücken sollte?

Es sind die irrationalen und menschenfeindlichen politischen Ideologien, die diese kapitalistische Gesellschaft immer wieder selbst produziert, die aber mit dieser eben nicht automatisch in eins fallen. Sie produziert diese Ideologien mit schlafwandlerischer Sicherheit, weil ihre alltägliche Praxis selbst immer wieder beweist, dass Unmenschlichkeit und Unvernunft die Funktionsprinzipien des Kapitalismus sind.

Die Sortierung von Menschen in Nationen, die Verachtung von Schwäche, sexistische Rollenbilder, eine autoritäre Organisation der Gesellschaft – all das sind keine Alleinstellungsmerkmale faschistischer Bewegungen, sondern schon innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft angelegt.

Reaktionäre Bewegungen knüpfen daran an und radikalisieren die Irrationalität der bürgerlichen Gesellschaft, indem sie diese noch als „natürlich“ oder „gottgegeben“ konstruieren. Soziale Handlungen und Konflikte werden bei ihnen in „natürliche“ umgelogen. Und mit Gewalt versuchen sie dann, diese Lüge wahr zumachen.

Nationalsozialistische, faschistische und regressive Bewegungen bieten sich dem bürgerlichen Subjekt somit als Krisenlösungen an. Sie wollen die widerstreitenden Interessen im Kapitalismus nicht überwinden, sondern dem identitären Kollektiv unterordnen und das Individuum darin aufgehen lassen; nicht zuletzt, indem zur Hetzjagd auf einen angeblich äußeren Feind geblasen wird.

Darin sind sie sich die Kulturrassisten von Pro Köln, die völkischen Nazis von der NPD und den „Autonomen Nationalisten“ oder auch die Islamisten von Milli Görüs bei allen Unterschieden einig.

Das zeigt: Ein linksradikaler Antifaschismus muss sich inhaltlich bestimmen; zumindest wenn er mehr sein will als reine Recherche-Antifa. Er muss sich auf die Seite des Individuums und gegen nationale, religiöse oder auch kulturelle Zwangskollektive stellen. Ganz egal, von wem der reaktionäre Mist ausgeht – d.h: egal ob von Nazis, Rechtspopulisten, Islamisten, Grauen Wölfen, christlichen Fundamentalisten oder sonst wem.

In diesem Sinne ist es höchste Zeit, auch den Islamismus als politischen Gegner ernst zu nehmen: Nicht nur, weil er als politische Ideologie extrem autoritär und sexistisch ist, sondern auch, weil an Einfluss gewinnt und die bürgerlichen Parteien in Europa ihn zur Kontrolle von sozialen Konflikten dann trotz aller Lippenbekenntnisse gegen ihn doch auch einsetzen. Ihrem Antifaschismus geht es eben nicht um größtmögliche Freiheit unter den bürgerlichen Bedingungen, sondern im Zweifelsfall um Ruhe und Ordnung für den Standortwettbewerb im Kapitalismus.

Wer zum Islamismus schweigt, sabotiert mithin auch jede vernünftige Mobilisierung gegen staatlichen Rassismus und autoritäre Formierung.

Dagegen sollten wir das Spiel der Kulturkämpfer nicht mitspielen: Religionsfreiheit heißt dann zwar natürlich gleiche Rechte für alle, aber wir sollten uns maßgeblich für das Recht auf Freiheit von der Religion einsetzen. Statt noch mehr Religionsunterricht, Kirchen und Moscheen, etc. wollen wir eine radikale Säkularisierung. Machen wir uns nicht zum Diener der Pfaffen. Das Paradies gehört nicht ins Jenseits, sondern auf die Erde: Also Kirchen zu Trinkhallen, Moscheen zu Tanzschuppen.

Ein linksradikaler Antifaschismus kann sich aber nicht in allgemeinen Phrasen verlieren. Vielmehr muss er von den realen Verhältnissen ausgehen. Und damit kann unser Antifaschismus auch vor der Linken nicht halt machen.

Denn die aktuellen reaktionären Projekte, mit denen regressive Bewegungen aller Couleur hausieren gehen gehen, sind auch innerhalb der Linken anzutreffen: Antiamerikanismus, nationalistische Globalisierungskritik, der Bezug auf Volk und Vaterland, der Hass auf Israel – all das lässt sich auch, von Linksruck bis zu Teilen der Linkspartei, finden. Hier sollte die Antifa klar Position beziehen. Nicht in identitären, antideutschen Abgrenzungsspielchen, sondern in politischen Auseinandersetzungen und Widersprüchen. Denn wer die Chancen der Rechten begreifen will, der muss sich anschauen was die Linken zu sagen haben. Und wenn sich das nicht mehr groß voneinander unterscheidet, wird es düster.

Keine Frage, die Chancen für eine dagegen antretende, linksradikale Bewegung sind nicht die Besten. Sie werden sich aber auch nicht von alleine und schon gar nicht virtuell einstellen. Diese Bewegung muss nicht gebloggt, sondern in der real world organisiert und gemacht werden. Und dafür ist die Antifa-Mobilisierung hier nach Köln schon ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.

Rassismus und Nationalismus, Rechtspopulismus und Islamismus sind immer nur der der schlechte Ersatz für den Traum, den die Welt der Menschheit so nachdringlich auszutreiben versucht. Als Antifaschisten rufen wir dazu auf, diesen Ersatzhandlungen heute und morgen mit der nötigen Militanz entgegen zu treten. Unser Ziel als Kommunisten aber bleibt es, diesen Kampf überflüssig zu machen.

In diesem Sinne: Für eine linksradikale antifaschistische Bewegung!
Paradise now – …ums Ganze! Für den Kommunismus!


 

Editorische Anmerkungen

Die Texte erhielten wir von den AutorInnen zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.