TREND SPEZIAL Köln 19./20. September 2008

Erlebnisbericht zur Blockade "Am Malzbüchel"

von AFA Aachen

10/08

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Der folgende Text ist einerseits eine kurze Zusammenfassung meine Erlebnisse bei der Blockadeaktion des "Hingesetzt-Bündnisses" an der Ecke "Malzbüchel"/"Heumarkt" und soll darüber hinaus anhand der geschilderten Zusammenhänge eine Analyse und Kritik zur Lieblingsfrage der aktionsorientierten, autonomen Linken, nämlich der Militanzfrage liefern.

Erst einmal zu meinen persönlichen Erlebnissen am 20.09. Ich bin mit meiner Bezugsgruppe schon früh um kurz vor acht am Hbf angekommen, so dass wir uns noch weitgehend ungestört einen Überblick über die Situation und Stärke der Polizei machen konnten. Nach einem kleinen Abstecher auf den Heumarkt, wo die Hansel von "Pro Köln" schon eifrig ihren schwarz rot goldnen Toilettenwagen in Stellung brachten ging es weiter zum Gürzenich wo erst mal Frühstück gefasst wurde. Die Organisation der der Blockadetrupps mit farbigen Handzetteln und zugehörigen Fahnen war sehr gut durchgeführt und so standen wir um halb Zehn mit ca. 250 Leuten vor der Polizeisperre an der Ecke "Malzbüchel"/"Heumarkt". Ein Überwinden oder Umfliessen der Sperre war leider nicht möglich, erschien aber auch weder nötig noch sinnvoll, also richteten wir uns auf der Strasse ein, bildeten Ketten und Sitzblockaden. Nachdem anfänglich noch zwei einzelne Proler am Rand der Blockade und unter Schutz einer BFE durchbrechen konnten stand die Blockade, nachdem Verstärkung vom Gürzenich eingetroffen war um Zehn Uhr perfekt. Alle weiteren Versuche von Einzelpersonen oder Kleingruppen, auf den Heumarkt zu gelangen scheiterten kläglich, bei einigen besonders penetranten Versuchen die Blockade mit Gewalt zu durchbrechen kam es auch zu Farbbeutel und Eierwürfen oder einer erfrischenden O-Saftdusche.

Den Cops in unserem Rücken hatten wir auch unmissverständlich klargemacht, dass wir auf keinen Fall freiwillig unsere Blockade räumen würden und sie eine Räumung nur gegen massive Gegenwehr und unter Anwendung unmässiger Gewalt (also hässlicher Pressebilder) durchsetzten könnte. Weitestgehend verhielt sich die Einsatzleitung der Polizei vor Ort dementsprechend auch deeskalierend, wenn man vom Auffahren eines Wasserwerfers und einzelnen unfähigen Bullen an der Absperrung (O-Ton: "Ihr seid doch alles Assoziale linke Wichser. Nix bessere zu tun als Samstags Frauen und alte Männer zu verprügeln." und zur Festnahme eines Autonomen durch die BFE "Die sollten mich mal machen lassen, da würd ich aber keine Gefangenen machen. Nee keine Gefangenen, ich würd' die alle platt machen.") absieht. Die Stimmung in der Blockade war also entspannt und die Motivation wurde durch das Strassentheater der "bunten Funken", der Clownsarmy so wie einiger Jonglier und eines Trompeters aufrecht erhalten.

Um ca. halb zwölf kam dann ein Block schwarzgekleideten Vermummten auf die Blockade zu, ohne Vorwarnung flogen erste Flaschen und Feuerwerkskörper, die vor und teilweise auch in der Blockade landeten und dort Demonstranten verletzten. Die zwei BFE Trupps, die sich als einzige Bullen auf der Seite der Blockade befanden gingen zum Angriff über mussten aber schnell feststellen, das sie zahlenmässig hoffnungslos unterlegen waren, und standen jetzt nervös zwischen 150 vermummten Randalieren und den 300 Blockieren auf der anderen Seite. Die Polizei reagierte mit der Aufforderung an alle Unbeteiligten den Platz zu räumen, und drohte mehrfach den Einsatz von Wasser an. Die Demonstranten in der Blockade sahen sich selbst bis auf wenige Ausnahmen aber keineswegs als Unbeteiligte, und antworteten nur mit einem lauten "Wir bleiben Alle!" und setzten sich um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren in Ketten vor die Absperrung. Von Seiten der Randalierer kam es nun zu weitern Wurfattacken, neben weiteren Böllern landete auch ein leerer Getränkekasten auf den Köpfen der Blockierer, die Angriffe wurden nun mit kraftvollen "Haut ab" und "Keine Gewalt (gegen Leben)" Sprechchören beantwortet.

Die Situation entschärfte ich erst, als die Krawalltruppe sich wieder in die "Rheingasse" zurückzog in der sie dann noch ein Paar Papiercontainer in Brand setzte um dann kurze Zeit später von nachrückender Bullerei gekesselt zu werden.

Gegen Eins kam dann über Lauti zuerst von der Polizei und dann auch aus vertrauenswürdiger Quelle die Nachricht, dass die Kundgebung auf dem Heumarkt aufgelöst sei.

Ich denke anhand der oben geschilderten Begebenheiten kann Mensch sehr schön über Sinn und Unsinn so wie die Legitimation von militanter Aktion nachdenken.

Zuallererst möchte ich sagen, dass ich Militanz in der politischen Auseinandersetzung nicht ablehne (nicht zuletzt ist auch eine Sitzblockade zumindest nach geltendem Recht eine illegale Gewaltanwendung), aber Militanz ist immer gebunden an eine Form von Gewaltausübung, und Gewalt muss legitimiert und verhältnissmässig sein. Es mag bei der Diskussion über die Legitimation strittige Grenzbereiche geben, aber es gibt auch Sachen die gehen gar nicht. Zu diesen Tabus zähle ich die mutwillige Gefährdung Dritter. Ob man den Strassenkampf gegen die Polizei als revolutionären Akt oder als Selbstverteidigung gegen strukturelle Gewalt betrachten kann oder nicht ist dabei erst mal jedem selbst überlassen, aber Steine auf ungeschützte, friedliche Menschen zu schmeissen, nur weil man die Bullen gerade mal nicht treffen kann ist echt das letzte. Dass durch diese zwanghafte Gewaltanwendung nicht nur die Gesundheit von Mitdemonstranten ernsthaft gefährdet worden ist, sondern auch die Aufrechterhaltung der Blockade zeigt wie der schwarze riot-mob denkt oder eben nicht denkt. Es geht den Leuten keineswegs um ein höheres Ziel, das dann auch Opfer rechtfertigt, sondern um das Ausleben einer pervertierten Form des Widerstands.

Bevor ich jetzt wegen meiner Kritik als Naziposter diffamiert werde möchte ich noch schnell aufzeigen unter welchen Bedingungen ein militanter Angriff auf eine der Polizeisperren am Heumarkt meiner Meinung nach legitim gewesen wäre. Nämlich zum einen dann, wenn es Pro Köln irgendwie gelungen wäre in wahrnehmbarer Zahl auf den Heumarkt zu gelangen und zum andern dann, wenn die Cops begonnen hätten die Blockaden unter massiven Zwangsmitteln zu räumen. Beide Bedingungen waren nicht erfüllt, deshalb sind die Randalierer für mich nichts anders als Randaliere - sie sind nicht links und auch keine Antifaschisten und ganz bestimmt nicht emanzipatorisch, und wenn doch, dann sollten sie mal über Nutzen und Legitimation ihrer Aktionen nachdenken.

Ich würde mir wünschen, dass Antifaschisten und andere Aktivisten sich in Zukunft häufiger deutlich von solchen Menschen distanzieren und sie wenn nötig auch unter Zwang von einer Aktion ausschliessen, so wie es gestern geschehen ist. Vielleicht ist es zum Teil auch ein Kommunikationsproblem innerhalb der AFA, da Militanz dort gerade nach aussen oft zu Peergroupbildung und zur Imagepflege eingesetzt wird.

Militante Aktionen können durchaus zum Erfolg führen wo andere Mittel versagt haben (siehe "Moby Dick" und ausgebrannter Signalkasten an der S-Bahn zum Flughafen) aber sie sollten nicht zum Mittel der Wahl werden und sie dürfen nie unreflektiert eingestetzt werden.

Statement aus der Diskoliste

hab ich anders gesehen
Gine 21.09.2008 - 15:29

ich war etwas weiter vorn in der Straße.
Da war zu beobachten, dass die Bullen angefangen haben mit der Provokation. Sie sind plötzlich völlig grundlos auf die Schwarzgekleideten zugerannt und haben diese in eine Seitenstraße getrieben. Nach einer Weile kamen meiner Meinung nach alle wieder. Sowohl Polizisten als auch Autonome. Also war die Aktion nur zum Erschrecken und Provozieren da.
Vorher gab es nach meiner Beobachtung keine Aggression der Autonomen gegen Polizisten. Allerdings einiges an Aggression gegen einzelne Faschos, die weggetrieben wurden.
Die Situation ist erst später eskaliert, nachdem die Bullen angefangen hatten. Ich hab mich verdrückt, als sie angefangen haben, ihre Tränengassprays zu schütteln. Da flogen aber noch keine Steine.
Den Rest habe ich nur aus der Ferne beobachtet, da ich Kinder dabei hatte. Ich habe nur vereinzeltes Knallen gehört und auch den Getränkekasten gesehen, der Richtung Blockade geflogen ist.
Insgesamt finde ich diese Aktionen auch nicht gut, vor allem meine Kinder waren von der ganzen Gewalt etwas geschockt.
Aber nach meiner Beobachtung sind diese Prügelbullen so oft auf die Autonomen zugerannt, bis diese sauer wurden. Dazu braucht es wahrscheinlich nicht viel, trotzdem wurde von Seiten der Bullen provoziert.
An der Absperrung aber wurde andererseits meine Tocher von einer Polizistin aus dem Gedränge gezogen und geschützt, als es mal, für mich völlig unerwartet, sehr eng wurde. An dieser Stelle ein Dankeschön dafür! Und auch an die beiden, die meinem Sohn rausgeholfen haben und sich auch um ihn gekümmert haben, bis ich rauskam! Ich hatte selbst so nen Schock, dass ich das Dankesagen wahrscheinlich vergessen habe.

Bullerei

Schwergepanzerter Polizist bewacht Festgenommenen, dem zuvor eine Mütze über das Gesicht gezogen wurde. Er ist gefesselt und steht unter Schock. Zwei Sanitäter werden nicht durchgelassen (Quelle: Augenzeuge Stern)

Wer Hilfe braucht oder Hilfe geben will wende sich an den Kölner Ermittlungsausschuss:   http://ea-koeln.de/ 

Folgende Hinweise beachten:

Kontakt - persönlicher Kontakt

Ab Oktober 2008 bieten wir einmal im Monat eine Sprechstunde an, in der wir persönlich anzutreffen sind:
jeden 3. Montag im Monat von 19 bis 21Uhr in der Ludolf-Camphausen-Straße 36, Nahe Bahnhof West

Kontakt über elektronische Medien

Wer mit uns über elektronische Medien Kontakt aufnehmen möchte, sollte folgende Hinweise beachten, da wir davon ausgehen müssen, von staatlichen Repressionsorganen überwacht zu werden.

1. Pass auf, dass du nichts sagst oder schreibst, das dich oder andere belasten könnte.
2. Nenne am Telefon nicht deinen Namen, es sei denn, du wurdest von der Polizei mitgenommen und/oder diese hat deine Daten aufgenommen.
3. Rufe nicht von einem Telefon/Handy an, das auf deinen Namen angemeldet ist. Das Telefonat sollte auch nicht von dir zu Hause stattfinden. Das gleiche gilt für Computer und Email-Accounts. Seit Anfang des Jahres 2008 werden alle Verbindungsdaten von Kommunikationssystemen für die Repressionsorgane gespeichert. Nutze öffentlich zugängliche Systeme.
4. Wenn du uns eine Email schreibst, dann verschlüssele sie bitte mit unserem pgp-key.
5. Für Beratungsgespräche machen wir gerne ein persönliches Treffen aus. Sie sollten nicht über Medien stattfinden.
6. Wir sind oft über Telefon erreichbar, ansonsten geht eine Mailbox oder ein AB dran.

Telefon:
0221-9327252

Postanschrift:
EA-Köln
Metzer Straße 18
50677 Köln

 

Editorische Anmerkungen

Der Texte erschien am 21.9.08 bei Indymedia. Wir spiegelten von dort.