Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Eine politische Karriere geht (zum letzten Mal ?) zu Ende:
Der frühere Rechtsaußenpolitiker und Faschokollaborateur Charles Millon scheitert bei französischen Senatswahlen

10/08

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Er hatte längst als politisch tot gegolten, danach ein Come-back und dann noch mal eine politische Wiederauferstehung versucht. Nun scheint er endgültig „politisch gestorben“ und reif fürs Altenteil zu sein: Der frühere französische Verteidigungsminister, Regionalpräsident von Lyon und – in dieser Eigenschaft – Bündnispartner des rechtsextremen Front National (FN) sowie Gründer einer eigenen Rechtsaubenpartei, Charles Millon, fiel jüngst bei den französischen Senatswahlen durch. Am 21. September 2008 landete er auf der fünften Position im Département Ain (in der Region Rhône-Alpes, deren Hauptstadt Lyon ist). Es waren dort aber nur drei Sitze zu vergeben. Aus und vorbei, seine politische Karriere? Hoffentlich. 

„Atombomben-Minister gründet Rechtspartei“ 

Doch der Reihe nach. 1995 und 96 zeichnete Charles Millon, damals Politiker des christdemokratisch-liberalen Parteienbündnisses UDF, als Verteidigungsminister für die Durchführung der französischen A-Bomben-Tests im Südpazifik (die der frisch gewählte Präsident Chirac angeordnet hatte) verantwortlich. Bei der Neuwahl der französischen Regionalparlamente im März 1998 zählte Charles Millon zu jenen 5 Regionalpräsidenten, die es akzeptierten, eine – unerklärte – Allianz mit dem FN in Gestalt eines Stimmbündnisses bei der Präsidentenwahl einzugehen. Daraufhin wurde Millon aus der UDF ausgeschlossen. Anstatt sich zerknirscht zu geben, wählte er jedoch die Flucht nach vorne, wobei er von allen betroffenen Protagonisten einer (nicht explizit ausgerufenen) Rechts-Rechtsauben-Allianz am weitesten ging. Kurz darauf gründete Millon, noch 1998, eine neue eigene Rechts(auben)partei unter dem Namen La Droite’ – kurz & bündig: „Die Rechte“ -, später umgewandelt in Droite Libérale Chrétienne (DLC, Wirtschaftsliberale und christliche Rechte). ‚Der SPIEGEL’ nannte dies: „Atombomben-Minister gründet Rechtspartei“ (vgl. http://wissen.spiegel.de ).

Doch das Parteigründungsprojekt scheiterte grandios. Und im Januar 1999 kippte ein neues Stimmbündnis aus UDF und Linksparteien im Regionalparlament den Lyoner Präsidenten Millon, obwohl eine Mehrheit in den Reihen der konservativ-liberalen Rechten ihm treu blieb. (Vgl. http://www.antifaschistische-nachrichten.de) Nur auf lokaler Ebene behielt Charles Millon einen nicht unerheblichen Einfluss bei: in Lyon, wo seine Anhänger bei der Kommunalwahl 2001 mit 23 % der Stimmen nur knapp hinter der „offiziellen“ Liste der Konservativ-Liberalen (23,5 %) landeten. Am Ende fusionierten beide Listen für die Stichwahl miteinander, unterlagen jedoch gegenüber jener des Sozialdemokraten Gérard Collomb, der Bürgermeister von Lyon wurde und noch immer als solcher amtiert.

Daraufhin begann für Charles Millon seine politische Auszeit respektive „Durststrecke“. In der aktiven Politik stellte er nicht mehr viel dar. Dennoch wurde er durch die Pariser Staatsmacht auf den (nicht unlukrativen) Posten eines französischen Botschafters bei der Welternährungsorganisation – FAO – mit Sitz in Rom, den er von September 2003 bis September 2007 bekleidete, „weggelobt“. 

UMP unterstützt früheren Faschokollaborateur 

Nun versuchte er noch einmal seine Rückkehr auf die politische Bühne. Am 20. Juni dieses Jahres behauptete Millon (der nicht selbst der 2002 gegründeten, nunmehrigen konservativen Einheits- und Regierungspartei UMP) angehört, er habe die Unterstützung der UMP als Kandidat für die kommende Senatswahl erhalten. Es hat Tradition, dass die UMP – wie ihre Vorgängerparteien, RPR und UDF – auch Bewerber der ‚Divers Droite’ (also nicht parteigebundene, oder  schwächeren bürgerlichen Kräften angehörende Bewerber) als Kandidaten nominiert. Aber im Falle Charles Millon kam nach wenigen Stunden schon das Dementi aus der UMP-Zentrale: Nein, man habe ihn nicht nominiert. (Vgl. http://www.lyonmag.com ) Aber am 30. August war es dann soweit: Bei einem regionalen Kongress/Parteitag zur Kandidatennominierung wurde Millon dann doch aufgestellt. Er hatte nun also die offizielle Unterstützung der UMP. (Vgl. http://www.lyonmag.com) Eine örtliche Zeitung verkündete sogar, noch kurz vor der jüngst stattgefundenen Senatswahl: „Charles Millon und die UMP begraben zehn Jahre alte Querelen“ (vgl. http://www.ladepeche.fr ).

Mehrere örtliche Politiker protestierten allerdings mehr oder minder heftig dagegen; ein Bürgermeister (Christian Bussy, Rathauschef von Meximieux) gab sogar sein Parteibuch an die UMP zurück und erhielt seine Senatskandidatur dennoch – gegen jene aus der früheren eigenen Partei – aufrecht. Einen anderen bürgerlichen Kandidaten (Jean Chabry, parteilos und erklärtermaßen Millon-feindlich) behielt die UMP selber bis in die Stichwahl hinein im Rennen, obwohl es die Chancen Charles Millons dort noch zusätzlich schmälerte. Auch innerhalb des bürgerlichen Lagers kam es also zur Bildung einer teilweisen „Anti-Millon-Front“, was zu einer Zersplitterung der Kandidaten-Landschaft auf der bürgerlichen Rechten führte. Während der sozialdemokratische Regionalpolitiker (und Ex-Minister) Jean-Jacques Queyranne unterdessen alle Demokraten dazu aufrief, „Charles Millon den Weg zu versperren“ (vgl. http://www.lyoncapitale.fr ).

Nun fand die Wahl zum französischen Senat am 21. September statt. Rund ein Drittel der zur Zeit 343 Sitze im „Oberhaus“ des Pariser Parlaments wurden neu besetzt. Die Senatorenposten werden nicht vom Wahlvolk aufgefüllt, sondern ihre künftigen Inhaber werden durch Wahlmänner und –frauen bestellt. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Senat insbesondere die Interessen der „Gebietskörperschaften“ vertritt, denn diese ‚Grands Electeurs’ werden etwa durch die Kommunalparlamente bestimmt. Über 90 Prozent von ihnen vertreten ländliche Kommunen, so dass eine konservative Mehrheit fast stets gewährleistet bleibt, auch wenn ein Gutteil der Wahlfrauen/-männer (insbesondere aus kleineren Kommunen) nicht direkt parteigebunden sind. In diesem Jahr allerdings gingen circa 25 Sitze an die sozialdemokratisch geführte Parlamentsopposition über.  Obwohl die Rechte ihre Mehrheit im Senatspalast nicht einbübte, gilt ihr Gesamtergebnis als Niederlage. Dasselbe trifft auf die Region Rhône-Alpes zu: Dort gingen in diesem Jahr 7 von 8 Sitze an die parlamentarische Linke. Charles Millon rauschte in der Stichwahl mit Pauken und Trompeten durch. Bereits nach dem ersten Wahlgang (bei 580 Stimmen für Ch. Millon, während das konservative Lager insgesamt über 1.100 Wahlleute verfügte) hatte seine Position als vielleicht nicht aussichtslos, aber sehr schwierig gegolten.

Nunmehr dürfte der bald 63jährige also endgültig in politische Rente gehen. Hoffen wir’s. Auch auf örtlicher Ebene in Lyon hat er inzwischen nicht mehr viel an den Hacken: Bei den letzten Kommunalwahlen im März 2008 hatten seine ihm verbliebenen Anhänger schon im ersten Wahlgang die „offizielle“ konservative Liste von Ex-Justizminister Dominique Perben unterstützt. Doch ihre „Hilfe“ sorgte dafür, dass die „moderaten“ Mitte-Rechts-Wähler/innen flohen, die UMP-Liste haushoch verlor und der (rechte) Sozialdemokrat Collomb wiedergewählt wurde. Nun ist der Millon-Zirkus also wohl vorüber.

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.