Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

„Mäßigendes“ Image angekratzt
Fanclub für Marine Le Pen
 unter Vorsitz von früherem Neonazi-Rocker

10/08

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Es hätte alles so schön sein können, jedenfalls aus Sicht der Parteispitze: Da schien der drohende finanzielle Bankrott des rechtsextremen Front National (FN) soeben abgewendet. Da schien die Nachfolgefrage für den inzwischen 80jährigen Jean-Marie Le Pen „endlich“, in seinem Sinne, auf eine Klärung in absehbarer Zukunft zuzusteuern. (Vgl. ausführlichen Artikel in dieser Ausgabe.) Und dann platzt eine Negativschlagzeile frisch herein. Ausgerechnet die „Hoffnungsträgerin“ der rechtsextremen Partei, die aktuell 40jährige Marine Le Pen, betreffend.

Am vergangenen Freitag, den 3. Oktober enthüllte die linksliberale Pariser Tageszeitung ‚Libération’, wem der Vorsitz des neuen Unterstützerclubs für die Kandidatin auf den Chefposten in der Partei – „Association Energie Bleu Marine“ (ungefähr: „Vereinigung Marineblaue Energie“) – anvertraut worden ist. Es handelt sich um niemand anderen als den früheren ultraradikalen Neonazi-Rockmusiker Robert Ottaviani, den gut eine Woche zuvor die rechtsextreme Wochenzeitung ‚Minute’ interviewt und vorgestellt hatte. Daraufhin hatte ‚Libération’ prompt zu überprüfen begonnen, mit wem man es bei ihm genau zu tun hat.

Laut der Präsentation durch ‚Minute’ war der heute 38jährige von 1993 bis 96 stellvertretender Vorsitzender der rechtsextremen Partei-Jugendorganisation FNJ (Front national de la jeunesse) gewesen. Bei der Spaltung des FN 1998/99 sei er der „Dissidenten“fraktion unter Bruno Mégret gefolgt. Nach deren Misserfolg habe er zunächst die Politik aufgegeben, in die er nun zurückkehre – an der Spitze des Unterstützerclubs für Marine Le Pen, ohne aber (bisher) erneut Parteimitglied des Front National geworden zu sein. Dies bestätigt die aktuell gehegte Vermutung, dass Marine Le Pen eifrig dabei zu sein scheint, das Kaderpotenzial des gescheiterten Mégret-Parteiprojekts MNR (Mouvement national républicain) abzuschöpfen.

Doch was ‚Minute’ nicht schrieb, setzte nunmehr ‚Libération’ hinzu: Ottaviani war in den 1990er Jahren auch der Sänger der Neonazi-Band ‚Ultime Assaut’ (Letzter Sturm), die aus der Skinheadbewegung hervorging. Nicht wirklich salonfähig wird man mit dieser Referenz: Die Band, die zur – unter Rechtsradikalen damals beliebten – Stilrichtung ‚Rock identitaire français’ (RIF) gehörte, sang in einem ihrer bekanntesten Titel eine Lobeshymne auf die französischen SS-Rekruten der Truppe LVF („Legion der französischen Freiwilligen“). Diese freiwilligen Kämpfer dienten damals in der deutsch-französischen SS-Division Charlemagne (Karl der Grobe). Das Videoclip der Neonaziband ‚Ultime Assaut’, in dem diese Truppe besungen und verherrlicht wird, zeigt u.a. Bilder von der Abfahrt der LVF- „Legionäre“ an die Ostfront im Jahr 1941 sowie von der öffentlichen Grobveranstaltung der LVF in Paris 1942.

Auf Nachfrage von ‚Libération’ hin dementierte Robert Ottaviani nun, dieser Band jemals angehört zu haben. Doch die Tageszeitung fand den ausdrücklichen Hinweis auf seine Zugehörigkeit zur (und seine Funktion innerhalb der) Neonaziband in früheren Ausgaben des internen Mitteilungsblatts der FNJ-Sektion im Département Essonne, im südlichen Pariser Umland, wo Ottaviani in den frühen 1990er Jahren aktiv war. Dort steht es schwarz auf weib gedruckt.

Nun versteht man auch besser, warum Marine Le Pen jüngst in einem, am 16. September eigens veröffentlichten, Pressekommuniqué die zuvor verbreitete Kurzmeldung der Wochenzeitung ‚Minute’ über die bevor stehende Gründung ihres Unterstützerclubs noch energisch dementiert hatte. Bei der Veröffentlichung dieser Nachricht handele es sich lediglich um den Versuch, ihr Schaden zuzufügen, hatte sie behauptet. Mutmablich hat sie den Skandal kommen sehen. Nun ist er da!

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.