Haider verunfallt oder
Deutsches Blut auf deutschem Boden

 von Michael Mladi

10/08

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Mit seinem nächtlichen Überholmanöver hat sich Jörg Haider nun doch entschieden: Er bleibt jetzt endgültig in Kärnten.

Seine „politischen Mitbewerber“ sondern pflichtbewusst betroffene Stellungnahmen ab. Von Fischer über Faymann bis Glawischnigg lautet der Tenor, dass der Kärntner Landeshauptmann ein „außerordentlicher Politiker“ gewesen sei, der aber auch „polarisiert“ habe. Und Strache, der Haider systematisch als Verräter schlecht machte und ihm vor ein paar Wochen auch öffentlich das Du-Wort entzogen hatte, spricht nun von einem „großartigen Politiker“, den „die Republik verloren“ habe – kein Wunder, will der FP-Chef doch jetzt die Haider-WählerInnen abkassieren.
Über Moral…

In der politischen Kaste regiert die heuchlerische Moral, dass man/frau über Tote nichts Schlechtes sagen solle. Wir halten das für einen ausgemachten Unsinn. Haider war zwei Jahrzehnte lang ein Einpeitscher des Rassismus und der Angriffe auf die ArbeiterInnenbewegung in Österreich. Was wiegt´s, das hat´s. Wir weinen diesem Typen keine Träne nach, im Gegenteil: der Tod des Kärntner Großgrundbesitzers heißt, dass es in Österreich einen Rechtsextremen weniger gibt. Gut so!

Die subtileren MoralistInnen, die einsehen, dass Haider eine üble Figur war, sind dennoch gegen jede „Pietätlosigkeit“, weil man/frau auf die Gefühle seiner Angehörigen Rücksicht nehmen müsse. Eine heuchlerische „Argumentation“!

Jörg Haider war die Speerspitze der rechtsextremen Wende der FPÖ ab 1986. Er glorifizierte Veteranen der Waffen-SS als Leute, die „ihrer Gesinnung treu geblieben“ seien – als wäre die Waffen-SS nicht ein zentrales Instrument der rassistischen Massenmorde (vor allem in Osteuropa) gewesen. Haider lobte eine angeblich „ordentliche Beschäftigungspolitik“ des NS-Staates – als hätte diese nicht Reallohnverluste, totale Überwachung in den Betrieben, Zwangsarbeit und Kriegsvorbereitung bedeutet. Die Nazi-KZs verharmloste der „außergewöhnliche Politiker“, der nun bei den anderen Parteichefs „Betroffenheit“ auslöst, hingegen als „Straflager“ – als hätten dort Kriminelle ihre Strafen abgesessen, als wären in den KZs nicht Millionen Menschen ermordet worden. Kein Zufall also, dass in Haiders Ära Neonazis in die FPÖ strömten, dass Nazi-Schläger bei FPÖ-Veranstaltungen als Ordner auftraten.

Trotz alldem denken wir nicht, dass die Haider-FPÖ eine faschistische Partei war. Wir verwenden die Kategorie „Faschismus“ nicht als inflationären Kampfbegriff. Ein faschistisches Regime ist eine Form der bürgerlichen Herrschaft, die in zugespitzten gesellschaftlichen Situationen durch Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung und der parlamentarischen Demokratie das kapitalistische System garantiert. In den letzten zwanzig Jahren und aktuell hat(te) die KapitalistInnenklasse in Europa daran kein Interesse; die normale demokratische Diktatur des Kapitals war für ihre gegenwärtigen Bedürfnisse völlig ausreichend (und deshalb haben wir in Kärnten auch nicht einen „Faschismus“ an der Macht).

Faschistische Bewegungen haben für die herrschende Klasse natürlich auch in „demokratischen“ Perioden eine Funktion, als Rammbock gegen die ArbeiterInnenbewegung. Charakterisiert werden solche Bewegungen durch eine Anti-System-Rhetorik, Mobilisierungen auf der Straße und Terror gegen MigrantInnen, Linke etc. Auch wenn die Haider-FPÖ (und jetzt die Strache-FPÖ) solche Elemente hat(te), so dominierte dennoch eine Ausrichtung auf Wahlerfolge, die mit rechtsextremer Agitation auf populistische Stimmenmaximierung ausgerichtet ist.

Aber auch wenn die Haider-FPÖ keine faschistische Organisation, sondern eine rechtsextreme Wahlpartei war, so war sie deshalb alles andere als harmlos. Die Hetze von Haider spielte eine zentrale Rolle bei der systematischen Verbreitung rassistischer Stimmungen in der österreichischen Gesellschaft. In den 90er Jahren trieb die FPÖ die damaligen Großparteien SPÖ und ÖVP in der so genannten „Ausländerfrage“ vor sich her. Auf der Grundlage der FPÖ-Politik wurden in Österreich von ChristdemokratInnen und SozialdemokratInnen besonders rassistische Einwanderungs- und Abschiebegesetze beschlossen (was SPÖ und ÖVP in keiner Weise entschuldigt).

Haider als Person ist in hohem Grade verantwortlich für das „Abwehren“ und Abschieben von zehntausenden Flüchtlingen. Viele von ihnen landeten in Elend und Tod. Von Haiders Familienangehörigen waren gegenüber all dem niemals Worte des Bedauerns oder der Distanzierung zu hören. Sie hatten offenbar keinerlei Mitleid für all die Abgeschobenen und Zurückgestoßenen. Sich jetzt um die Gefühle von Haiders Angehörigen zu sorgen und kein Wort über die Opfer von Haiders Politik zu verlieren, zeigt letztlich eine rassistische Grundhaltung, die seinen „Politikerkollegen“ längst in Fleisch und Blut übergegangen ist.
… und Politik

Was aber bedeutet der harte Haidersche Aufprall auf Kärntner Heimaterde für die österreichische Politik? So sehr wir verstehen, wenn sich viele Menschen offen (und insgeheim) über das vorzeitige Ende des „Arisierung“sprofiteurs und Ziehvaters des österreichischen Rechtsextremismus freuen, so warnen wir nachdrücklich vor der Hoffnung auf positive politische Folgen – und das aus drei Gründen.

Erstens ändert der Tod Haiders nichts an der gesellschaftlichen Breite, die rassistische und rechtsextreme Haltungen in Österreich haben. Für die Vorreiterrolle, die Haider für Rassismus und Rechtsextremismus in den 90er Jahren gespielt hat, ist er heute nicht mehr nötig; dafür haben sich mittlerweile Andere gefunden.

Zweitens wird jetzt womöglich auch noch ein Mythos um Haider aufgebaut werden können.

Drittens: Das BZÖ war zuletzt elektoral auf der Überholspur, nach Haiders Bruchlandung wird es jetzt wohl auf der Strecke bleiben. Ohne seine Galionsfigur und Haiders Verankerung in Kärnten wird es die orange Truppe sehr schwer haben, sich bei künftigen Wahlen zu behaupten. Nun ist es um das BZÖ echt nicht schade. Der um Haider gruppierte Haufen von rechten Burschenschaftern, Yuppies und KarrieristInnen hat sich seinen Platz am Misthaufen der Geschichte mehr als verdient. Aber profitieren wird davon vor allem die FPÖ. Strache wird gezielt und erfolgreich um die BZÖ-Basis (Funktionäre und WählerInnen) werben. Und auch wenn es zu keiner Wiedervereinigung des „dritten Lagers“ kommen sollte, werden viele BZÖlerInnen individuell oder in Gruppen dem Lockruf der blauen Brüder und der von ihnen angebotenen Posten folgen.

Das einzig Positive an Haider war, dass er durch seinen Konflikt mit Strache in den letzten Jahren die Spaltung der extremen Rechten in Österreich garantiert hat. Diese Spaltung könnte nun überwunden werden. In Kombination mit einer Neuauflage der SPÖ-ÖVP-Koalition und einem damit einher gehendem weiteren Sozialabbau ist der Aufstieg der Strache-FPÖ zur stärksten Partei dann keine unmögliche Perspektive mehr.

Das wird jedenfalls nicht durch parlamentarische Kombinationen oder eine illusorische „bessere Politik der SPÖ“ an der Regierung verhindert werden. Nur eine Massenbewegung der Lohnabhängigen kann dem Spiel von neoliberalem Polit-Establishment und rechtsextremen Populismus ein Ende machen. Die Aufgabe von MarxistInnen ist es, solche Bewegungen vorzubereiten, Organisationen aufzubauen und in der ArbeiterInnenklasse zu verankern.

Jörg Haider aber hat nicht einfach nur einen kapitalen Stern gerissen – Jörg Haider ist als Märtyrer für die BZÖ-Forderung von 160 km/h auf der Autobahn gestorben. In der Vergangenheit war Jörg Haider wiederholt einmal da, dann wieder weg. Jetzt ist er endgültig weg. Wir werden ihn nicht vermissen. Ende.

Editorische Anmerkungen

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RSO-Newsletter
Nr. 52, 12.10.2008

von rso@sozialismus.net