Keine Opfer für Staat und Nation:
Kapitalismus abschaffen!

von Gruppe Internationaler SozialistInnen (im Oktober 2008)

10/08

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„Für uns gibt es jetzt kein Minimal – und kein Maximalprogramm; eines und dasselbe ist der Sozialismus: Das ist das Minimum, das wir heute durchzusetzen haben.“ (Rosa Luxemburg)

Vor gar nicht all zu langer Zeit galten die freien Kräfte des Marktes allgemein hin als das non plus ultra wirtschaftlicher Regulierung. Eine Sicht der Dinge die sich in anbetracht der jüngsten Achterbahnfahrt an den Börsen gründlich blamiert hat. Weltweit mussten milliardenschwere Rettungspakte und staatliche Haftungsgarantien aufgefahren werden, um einen totalen Zusammenbruch des globalen Finanzsystem abzuwehren. Dennoch ist die gesamte Tragweite der Finanzkrise samt ihren Auswirkungen auf die Realwirtschaft immer noch nicht ganz absehbar. Fest steht nur, dass das Wirtschaftswachstum weiter einbrechen wird und eine tiefe Rezession unabwendbar ist. Sicher kann man versuchen sich die derzeitigen Verwerfungen an den Finanzmärkten entlang der vorherrschenden Ressentiments und Propagandafloskeln zu erklären. Demnach hätte im wesentlichen die „Habgier“ und das „maximale Profitstreben“ einzelner Spekulanten zur derzeitigen Misere geführt, weswegen nun der Staat gefordert sei, durch stärkere Regulierung das Schlimmste zu verhüten. „Habgier“ und „maximales Profitstreben waren jedoch von jeher Wesenszüge des Kapitalismus. Die sog. „freie Marktwirtschaft“ ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung. In einem auf Konkurrenz und Warenproduktion basierenden System gehört die Profitmaximierung nun einmal zur Geschäftsgrundlage.

Fiktives Kapital die Mutter aller Merkwürdigkeiten

Die eigentliche Frage ist, wieso die Finanzmärkte zu so einem dominierenden Faktor der Weltwirtschaft geworden sind. Wie kann es angehen, dass durch kurzfristige Geldgeschäfte scheinbar mehr Profit gemacht werden kann als durch direkte produktive Investitionen?

Die grassierende Finanzspekulation war ein Ausdruck der Anfang der 70er Jahren einsetzenden Krise des kapitalistischen Akkumulationszyklus. Zur Kompensation der Profitrate setzte das Kapital auf Umstrukturierungen des Produktionsprozesses (z.B. durch Einsatz von Mikroelektronik) und eine massive Erhöhung der Ausbeutungsrate. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahrzehnten der durch Lohnarbeit geschaffenen Reichtum in die Finanzsphäre verschoben, wo auf wundersame Weise Geld „arbeitet“, (ohne jedoch reale Werte zu schaffen) und die Spekulation ihre Blüten trieb. Dieser Versuch des Kapitalismus, der Krise durch die Schaffung fiktiver Profitquellen zu begegnen, bescherte einigen Superreichen einträgliche Gewinne, führte jedoch langfristig zu wachsender Verschuldung, gewaltigen Spekulationsblasen und zunehmender Instabilität . Wir können heute sehen mit welchen Ergebnissen. Doch im Unterschied zu vorangegangenen Finanzkrisen (Mexiko 1994, Südostasien 1997, Russland 1998, Argentinien 2001) ist die derzeitige Krise weder regional noch konjunkturell begrenzt. Sie ist in den USA, dem Zentrum des globalen Kapitalismus ausgebrochen und hat das ganze System bis in die letzten Adern erfasst. Vor diesem Hintergrund sind die Erfolgsausichten der diversen staatlicherseits aufgelegten Rettungspakete mehr als fraglich.

Eine neue Spirale von Angriffen

Sicher entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wie nach Jahren der neoliberalen Selbstgewissheit nun auf einmal nach dem Staat gerufen wird, um das „Vertrauen“ auf den Märkten wiederherzustellen.

Doch die Krokodilstränen und pathetischen Beschwörungsformeln mit denen die „vertrauensbildenden“ staatlichen Maßnahmenpakete begründet werden, ändern nichts an ihrem Klassencharakter. Dass sie auf kurz oder lang durch Steuergelder (d.h. staatlich organisierten Lohnklau) finanziert werden gilt als ausgemacht.

Sie sind somit nichts anderes als gigantische Umverteilungsprogramme zugunsten der Banken und Kapitaleigner. Nach Jahren des Lohnverzichts und Sozialabbaus stehen wir abermals vor einer neuen Spirale von Angriffen. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass durch die Krise Hunderttausende Arbeitsplätze bedroht sind. Weitere Lohnkürzungen und Deregulierung der Arbeitsverhältnisse sind ebenso vorprogrammiert wie der Abbau von Sozialleistungen. Inflation und die gestiegenen Rohstoff - und Energiepreise werden die Lebenshaltungskosten weiter in die Höhe treiben und Elend und Hunger von Millionen Menschen weltweit verschärfen. Allen hochtrabenden Diskursen über die vermeidlichen Segnungen der Globalisierung zum Trotz, spitzt sich die Krise im Kontext wachsender imperialistischer Spannungen zwischen konkurrierenden Nationalstaaten zu. Die fortdauernden Massaker in Afghanistan und Irak, die Kriegsdrohungen gegen den Iran, sowie der jüngste militärische Konflikt zwischen Russland und Georgien zeigen einmal mehr, dass permanente Aufrüstung und Krieg zum gängigen Instrument imperialistischer Politik geworden ist.

Sozialismus oder Barbarei!

Kriege und Krisen sind keine Naturkatastrophen sondern Folge eines immer irrationaler werdenden Gesellschaftssystems. Der Kapitalismus kann weder allmählich verbessert, schrittweise in seinem Wesen verändert oder gar menschenwürdig verwaltet werden. Nur eine rational auf Befriedigung der Bedürfnisse orientierte Gesellschaft wird die existenziellen Probleme der Menschheit lösen können.

Angesichts der Faktizität der Krise sind die von Gewerkschaften und offiziellen „Linken“ erhobenen Forderungen und Programme nach „wirklicher Regulierung der Finanzmärkte“ bzw. „sinnvollen Beschäftigungs– und Konjunkturmaßnahmen“ auf Sand gebaut. Bei aller, zuweilen verbalradikaler Rhetorik, bleiben sie dem kapitalistischen Sachzwang verhaftet, und sind somit nicht mehr und nicht weniger als das ideologische Schmiermittel mit denen etwaige Kämpfe domestiziert und staatlicherseits eingemeindet werden sollen. Schon jetzt kündigen die Gewerkschaften in vorauseilendem Patriotismus Lohnzurückhaltungen in den nächsten Tarifauseinandersetzungen an. Ebenso lässt auch die sog. „Links“partei keine Gelegenheit verstreichen, ihre staatbürgerlicher Verantwortung unter Beweis zu stellen, indem sie Lohnkürzungen und Sozialabbau mitträgt. Falsche Freunde sind zuweilen die schlimmsten Feinde. Die Verteidigung unserer Lebensinteressen erfordert den politischen Bruch mit all jenen Ideologien, Programmen und politischen Strömungen, die die Arbeiterinteressen mit denen der Bourgeoisie „aussöhnen“ bzw. dieser unterordnen wollen; egal ob sie nun im Namen der „Nation“, der Sozialpartnerschaft“ oder der „wirtschaftlichen Vernunft“ daherkommen. Die nun hereinbrechende Krise zeigt einmal mehr, dass der Kapitalismus uns nichts mehr zu bieten hat, außer noch mehr Ausbeutung, Armut und Krieg. Nur im radikalen Bruch mit der kapitalistischen Verwertungslogik, auf der Basis proletarischer Selbstorganisation und mit einer klaren internationalistischen sozialistischen Perspektive wird es möglich sein, diesem System ein Ende zu bereiten.

Für die staaten- klassenlose Gesellschaft

Gruppe Internationaler SozialistInnen (im Oktober 2008)

Wer wir sind:

Die Gruppe Internationaler SozialistInnen ist ein marxistischer Diskussions– und Arbeitszusammenhang. Unser Orientierungspunkt ist die Tradition der Kommunistischen Linken, einer Strömung die frühzeitig Nationalismus und Stellvertreterpolitik bekämpft, und die Ideen des revolutionären Marxismus gleichermaßen gegen Stalinismus und Sozialdemokratie verteidigt hat. Als globales System kann der Kapitalismus nur international bekämpft und überwunden werden. Deswegen sind wir Teil des Internationalen Büros für die revolutionäre Partei (IBRP), einem internationalen Zusammenschluss linkskommunistischer Gruppen und Organisationen, dessen Ziel es ist durch politische Klärung, Diskussionen und Interventionen einen Beitrag für den Aufbau einer neuen kommunistischen Weltpartei zu leisten. Wir fordern alle jene, die sich mit dieser Perspektive identifizieren können auf, mit uns in Kontakt zur treten und aktiv am Kampf für den Sozialismus teilzunehmen.

Kontakt: gruppe-inter-soz@gmx.net
Website: www.ibrp.org  oder www.gis.de.vu  

 

Editorische Anmerkungen

Uns wurde der Artikel durch die AutorInnen überlassen.