Aus dem Alltag einer Reformpartei
Austrittserklärung aus der Partei "Die Linke"

von Jörn Seib, Vorsitzender der Linksfraktion im Kreistag Neumünster

10/09

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Im Juli 2005 bin ich voller Enthusiasmus und Begeisterung in die Partei "Die Linke" eingetreten, habe zur Bundestagswahl im Jahr 2005 beachtliche Erfolge in Trappenkamp erzielen können und habe daraufhin als Gründungskreisvorsitzender den Kreisverband Neumünster aufgebaut.

Bis zuletzt fühlten sich ca. 60 Mitglieder dem Kreisverband zugehörig. Zur Kommunalwahl 2008 hatte der Kreisverband Neumünster das beste Ergebnis auf Kreisebene mit 13,25% in Westdeutschland erzielt.

Gewissermaßen als "Keimzelle" eines Kreisverbandes fällt mir der Austritt alles andere als leicht, aber die Erkenntnis, dass die Ideale im jetzigen Zustand der Partei verraten werden, lassen mir keinen anderen Ausweg.

Was in den letzten Monaten und Wochen in der Partei vorgefallen ist, brachte das Fass einfach zum Überlaufen.

  • Der leichtfertige Umgang der Partei mit den in Lübeck stattgefundenen Stalinfeiern ist eine große Enttäuschung gewesen, der auch den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu vermitteln ist.

  • Am 13. September wurden zwei Dithmarscher Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen, weil sie mit einer satirischen Plakataktion auf die Missstände in ihrem Kreisverband aufmerksam machen wollten. Die Parteiausschlüsse gegen Mitglieder in Dithmarschen haben der parteilichen Toleranz der Stalinfeiern nochmal eine ganz andere Wertigkeit gegeben, die einen sehr schlechten Beigeschmack bekommt.

  • Mangelnde Transparenz und Demokratiedefizite im Landesverband Schleswig-Holstein wurden von mir schon des öfteren bemängelt. Wer den Wählerinnen und Wählern Transparenz in der Verwaltung und bürgerliche Mitbestimmung im Wahlprogramm anpreist, der sollte dies zuerst innerhalb seiner Partei vorleben bevor diese Forderungen öffentlich gestellt werden. So sehe ich die Wahlversprechen in absoluter Unglaubwürdigkeit enden.

  • Als Vater eines 2 1/2 -jährigen Sohnes halte ich die Verantwortungslosigkeit um die Kommentierung zum Spätabtreibungsgesetz für einen Skandal. Weder die Landessprecherin und Bundestagskandidatin Cornelia Möhring noch die Landtagskandidatin und Lübecker Fraktionsvorsitzende und Vorstandsmitglied Antje Jansen, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Frauen, haben auf die Kritik an dem Artikel reagiert. Bereits am 23.6. wurde die Landessprecherin Möhring aufgefordert, den Artikel von der Homepage zu nehmen und reagierte ebenso wenig wie Bodo Ramelow, der ebenfalls bereits am 24.6. auf den Artikel hingewiesen wurde.

  • Zur Bundestagswahl wurde dem Kreisverband Neumünster der Direktkandidat Martin Schmielau vorgesetzt, der vor wenigen Jahren noch in der Schillpartei aktiv war. Der Vorschlag kam von dem Kieler Kreisvorsitzenden Heinz Wieser, der im Wahlausschuss mit einer Enthaltung nicht eindeutig gegen den Wahlantritt der NPD stimmte. Auch in der Linken wird links geblinkt und rechts abgebogen. Die Partei setzt sich für ein NPD-Verbot ein und fordert eine Offenlegung der politischen Vita. Schmielau hätte über seine Vergangenheit in der Schillpartei informieren müssen. Wir arbeiten in Neumünster eng mit der antifaschistischen Bewegung zusammen, so ein Kandidat geht da einfach nicht.

  • In diesem Jahr hat sich abgezeichnet, dass die Partei sich zu einer zunehmend zentralistischen Organisation entwickelt statt dem pluralistischen Prinzip zu folgen, inhaltliches Engagement aus der Mitgliedschaft wird abgebügelt, inhaltliche Anträge werden in Programmkomissionen verschoben, die nie gegründet wurden oder einfach abgewiesen wie das zu dem Parteitag im Januar vorgelegte 100-Punkte-Programm des Neumünsteraner Kreises zur Landtagswahl. Statt durchdiskutierter Standpunkte der Landespartei wird nun zur vorgezogenen Landtagswahl mit einem Sofortprogramm der Parteigremien,Wahlkampf gemacht, bei dem einfache Mitglieder kein Mitspracherecht hatten.

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten die Erklärung von der Website SCHARFLINKS.