An
Krisenereignissen der relativ neuen Art hat man in den letzten
drei Jahren einiges mitbekommen. Da gibt es eine Krise bei
Finanzprodukten, die angeblich die Banker selber nicht
verstehen. Dann gibt es eine weltweite Bankenkrise. Darauf
folgt eine Krise in der Automobilwirtschaft und sowieso eine
gesamtwirtschaftliche Krise. Zwischendurch sind auch schon
immer wieder Staaten kurz vor dem Staatsbankrott gewesen und
mussten Hilfegesuche an den IWF stellen. In jüngster Zeit war
zunächst ein Mitgliedsstaat der Euro-Zone in Bedrängnis
geraten – Griechenland- aber mittlerweile sind es mehr
geworden, u.a. Spanien. Gegen Griechenland ist in dieser Phase
eine richtige Hetzkampagne in den deutschen Medien losgetreten
worden. Ein Auszug davon, der berüchtigte Brief der
BILD-Zeitung an den Ministerpräsidenten Griechenlands, soll
hier stellvertretend kritisiert werden.
Dass die BILD-Zeitung ein
Stück schlechter Journalismus ist, in diesem Urteil sind sich
vor allem Menschen mit einem höheren Bildungshintergrund einig.
Und sicherlich entstammen Aussagen, dass „wir" Griechenland den
Trainer Ihrer Fußball-Europameister „geschickt haben", so dass
„die" Griechen uns mal so richtig dankbar sein sollten, dem
nationalistischen Absurditätenkabinett. Warum sich also mit der
BILD-Zeitung ernsthaft argumentativ auseinandersetzen? Nicht nur
aufgrund der Auflage und des Einflusses der Zeitung halten wir
das für wichtig. Sondern vor allem finden sich in dem Brief
Vorstellungen über Staatsschuld, Korruption und
Wirtschaftskraft, über Fleiß und Faulheit, über „Wir" und „Die",
die sich anders formuliert auch jenseits des Boulevards im
Spiegel oder der FAZ finden und zum Standardrepertoire des
Bürgerverstands gehören. Wir meinen also, es lohnt sich, diese
Vorstellungen einmal genauer zu betrachten und sie zu
kritisieren. Zugleich soll damit der Weg etwas frei gemacht
werden für die Fragen anlässlich der aktuellen Krise, die es
erlauben, zu verstehen, was da passiert.
„Lieber Herr
Ministerpräsident, wenn Sie diese Zeilen lesen, haben Sie ein
Land betreten, das ganz anders ist als das Ihre. Sie sind in
Deutschland. Hier arbeiten die Menschen, bis sie 67 Jahre alt
sind. Ein 14. Monatsgehalt für Beamte gibt es schon lange nicht
mehr.“
Griechenland hat ein
Problem mit seiner Staatsverschuldung, Deutschland nicht. Die
„Analyse“ der BILD-Zeitung zeichnet sich hier schon ab: In
Griechenland lebten die Menschen besser und arbeiteten weniger.
Der Staat gebe mehr aus und die Wirtschaft bekomme wegen der
geringen Arbeitsleistungen weniger hin. Kein Wunder also, dass
die Finanzmärkte zu dem Resultat gekommen sind, dass der
Rückzahlung der griechischen Staatsverschuldung nicht zu trauen
sei. Das gesetzliche Rentenalter in Deutschland hat die
vergangene Regierung jüngst von 65 auf 67 Jahre angehoben. In
Griechenland, so will es z.B. die Financial Times Deutschland
weis machen, würde das Rentenalter bei 53 Jahren liegen. In
anderen Artikeln steht, dass das durchschnittliche Rentenalter
bei 61 Jahren liege. Das ganze Durcheinander kommt darüber
zustande, dass laufend gesetzliche Bestimmungen zur Rente (z.B.
wann darf jemand frühestens Rente bekommen und welches Alter
muss jemand erreichen, um ohne Abzüge in Rente zu gehen)
durcheinander gebracht werden, mit nicht zuletzt der Frage, in
welchem Alter denn tatsächlich der Durchschnitt der Lohnarbeiter
oder Staatsbeamte in Rente geht. Mit diesen Verwechslungen lässt
sich natürlich eine erstaunliche Differenz konstruieren. Kaum
jemand in Deutschland geht aber erst mit 67 Jahren in Rente.
Auch vorher ist schon kaum jemand mit 65 Jahren in Rente
gegangen. Selbst das statistische Bundesamt Deutschland rechnet
in seinen Prognosen mit dem bisherigen – sogar noch großzügig
ausgelegten – tatsächlichen Renteneintrittsalter von 60 Jahren
im Durchschnitt in der BRD. Wenn der Durchschnitt bei 60 Jahren
liegt, dann ist auch klar, dass sich auch in Deutschland Leute
finden, die bereits in den 50er Jahren in Rente gehen. Wenn die
Bundesregierung also vor kurzem das gesetzliche Rentenalter von
65 Jahre auf 67 Jahre angehoben hat, dann ändert das an dem
tatsächlichen Renteneintrittsalter nichts. Damit hat die
Regierung nur die Abschläge von der Rente erhöht, die die
Rentner hinnehmen müssen. Sie haben über diesen Umweg schlicht
die Renten gekürzt. Durch diese Verarmung von Lohnarbeitern im
Alter wurde natürlich eine Zwangslage geschaffen, demzufolge die
Leute von sich aus länger arbeiten wollen. Aber auch in der
Vergangenheit, z.B. im Zuge der Agenda 2010, hat ein so
geschaffener Zwang nicht zu einem höheren tatsächlichen
Renteneintrittsalter geführt. Das hat seinen Grund darin, dass
die Lohnarbeiter es in der Regel gar nicht selber in der Hand
haben, wie lange sie beschäftigt sind. Unternehmen tun einiges
dafür, dass alte Menschen frühzeitig im Betrieb aufhören, weil
sie öfter krank werden. Einen neuen Job finden ältere Menschen,
die arbeitslos geworden sind, daher in der Regel sowieso nicht.
Die Unternehmen sorgen ja auch dafür, dass die Anstrengungen bei
der Arbeit laufend hoch bleiben und höher werden, so dass ältere
Menschen den Job einfach gar nicht mehr aushalten können.
Kurzum: Der
Rentenvergleich von der BILD-Zeitung ist konstruiert. Nicht
zuletzt ist die ganze Argumentation vom Zynismus her kaum zu
überbieten, wenn ausgerechnet mit der vorhandenen Armut in
Deutschland gewuchert wird, um mehr Armut in Griechenland
einzufordern. In dieser Hinsicht bleibt also die miese Frage:
Schafft es Deutschland tatsächlich besser, die für
kapitalistische Berechnungen nutzlosen und den Reichtum der
Gesellschaft einfach auffressenden Rentner effizienter zu
verarmen als Griechenland? Keine Frage, Deutschland hat schon
immer eine Altersarmut besessen und in letzter Zeit wurde diese
ordentlich ausgebaut. Aber das griechische Renten- und
Lohnniveau sowie die Beamtengehälter liegen alle deutlich unter
dem EU-Durchschnitt. Auch ein 14. Monatsgehalt bei den
Staatsdienern macht bei einem Durchschnittslohn im öffentlichen
Dienst von 1.200 € und durchschnittlichen Lebenshaltungskosten,
die nur leicht unter den deutschen liegen, das Leben nicht
einfacher, wenn von diesem Gehalt aufgrund der hohen
Arbeitslosigkeit in der Regel noch mehrere Familienmitglieder
unterhalten werden müssen (Der herkömmliche Lohn jenseits des
Staatssektors beträgt dagegen je nach Branche und Region
zwischen 700 und 1000 €). Das ist auch der Grund dafür, warum
sich die meisten Griechen darum kümmern müssen, neben dem
offiziellen Job hie und da noch was dazuzuverdienen, auch die
Ärzte. Daher ist der folgende Hinweis der BILD zwar zur Hälfte
vielleicht richtig, aber kein guter Beitrag zur Klärung der
Verschuldungskrise:
„Hier muss niemand
tausend Euro Schmiergeld zahlen, damit er rechtzeitig ein Bett
im Krankenhaus kriegt.“
Die Sitte, bei jeder
Geschäftsgelegenheit neben dem offiziellen Preis noch mal ein
gesondertes „Dankeschön“ abdrücken zu müssen, ist wohl in
Griechenland weiter verbreitet als in Deutschland. Der Grund
dafür liegt ja gerade darin, dass auch 14 Monatsgehälter nicht
mal zum schlichtesten Leben reichen und damit der
flächendeckende Anreiz besteht, Zusatzverdienste einzustreichen.
Korruptionsskandale gibt es in der BRD auch immer wieder. Wenn
sie aufgedeckt werden, zeigt sich z.B., wie ein halbwegs gut
bezahlter Politiker einen Millionenbetrag von einer Baufirma
angenommen hat. Hier ist die Aussicht, von der
Einkommens-Mittelklasse in die Oberklasse zu gelangen, der Grund
für die Korruptionsbereitschaft des Politikers. Genau deswegen
werden Staatsangestellte ein wenig besser gestellt als der Rest,
um so besser, je mehr die Machtbefugnisse reichen. Der Staat
will damit einigermaßen sicherstellen, dass die Staatsdiener
auch das tun, was das Gesetz vorsieht und nicht ihre
Machtbefugnisse für Privatmanöver aller Art ausnutzen. Wenn in
einem Land wie Griechenland scheinbar ein Schmiergeld mehr die
Regel ist, zeigt das doch nur, dass der Staat sich die Loyalität
nicht im entsprechenden Umfang erkauft, weil er es sich selber
nicht leistet. Das Verhältnis der Korruption wird von der
BILD-Zeitung auf den Kopf gestellt: Sie sagt, dass die
Korruption der Grund dafür sei, dass die griechische Wirtschaft
nicht entsprechend flutscht. Die Wahrheit ist, dass sich die
Korruption dort um so mehr breit macht, wo die Wirtschaft nicht
so flutscht.
Noch ein kurzer Hinweis:
Korruption als Ausdruck von nicht-gesetzlich vorgesehenen
Einnahmen mag es in den deutschen Krankenhäusern noch nicht so
umfangreich geben. Natürlich weiß aber heutzutage jeder Mensch,
dass die normale Krankenversicherung eine ordentliche Behandlung
nicht mehr gewährleistet. Eine private Krankenversicherung
ersetzt hier für diejenigen, die es sich leisten können, das
Schmiergeld.
„Deutschland hat zwar
auch hohe Schulden – aber wir können sie auch begleichen.“
Dieser Satz soll die
Staatsverschuldungskrise Griechenlands erklären und ja nicht
einfach die Tatsache feststellen, dass Griechenland derzeit
Probleme hat und Deutschland nicht. Deutschland hat einen
absoluten Schuldenstand von ca. 1500 Mrd. Euro. Griechenland hat
ca. 200 Mrd. Euro Schulden. Jährlich muss ein Teil dieser
Schulden bezahlt werden. Weil es auch Staatsanleihen mit
längeren Laufzeiten gibt, müssen also nicht jährlich alle
Schulden zugleich zurückbezahlt werden. So musste z.B. im Jahr
2009 alleine der Bundeshaushalt der BRD ca. 250 Mrd. Euro nur
für die bisherigen Schulden bezahlen. Griechenland hat derzeit
Probleme, seine jährlich fälligen Schulden zu bezahlen. Die
BILD-Zeitung tut hier aber so, als wenn Deutschland tatsächlich
seine Schulden begleichen könnte, also auszahlen könnte. Das
könnte Deutschland niemals schaffen, denn -um bei dem Vergleich
mit dem Bundeshaushalt zu bleiben- die gesamten Steuereinnahmen
des Jahres 2009 für den Bund betrugen ca. 228 Mrd. Euro. Die
Staatsschuld „funktioniert“ nur solange, wie die Staaten für die
fälligen Altschulden neue Investoren finden, die ihnen das Geld
leihen, damit sie die bisherigen Investoren auszahlen können. Im
Bundeshaushalt wird dieser Haushaltsposten so bezeichnet:
„Schuldentilgung am Kreditmarkt durch Kredite vom Kreditmarkt”.
Dass dieses Verfahren für fast jedes Land der Welt so gilt, kann
man leicht in den zugänglichen Statistiken im Netz nachschauen.
Das Problem, was
Griechenland derzeit hat und Deutschland eben nicht, ist, dass
sich nicht genügend Investoren finden, die neues Geld verleihen
wollen, damit die alten Schulden bezahlt werden können. Von
„Begleichen“ kann also keine Rede sein. Hier wäre ein richtiger
Anfangspunkt der Frage gefunden, warum Griechenland Probleme
hat: Warum misstrauen die Finanzmärkte ihrer langjährigen
Praxis, die fälligen Altschulden von Griechenland durch neues
verliehenes Geld fortzuführen? Das ist aber nicht die Frage der
BILD-Zeitung, die sie dann so beantwortet:
„Weil wir morgens
ziemlich früh aufstehen und den ganzen Tag arbeiten. Weil wir
von unserem Gehalt immer auch einen Teil für schlechte Zeiten
sparen. Weil wir fitte Firmen haben, deren Produkte rund um den
Globus gefragt sind.“
Wie gesagt, könnte
Deutschland mit seinen privaten Ersparnissen und den Gewinnen
der Weltmeister-Unternehmen nie und nimmer seine Schulden
zahlen. Von daher ist diese Antwort absurd. Nimmt man die Frage
jetzt aber anders: Warum misstrauen die Finanzmärkte
Griechenland und nicht Deutschland, dann könnte man sich denken,
dass da was dran ist. Es stimmt, Deutschland als
Exportweltmeister hat fitte Firmen, Griechenland kaum. Die
BILD-Zeitung legt nahe, das liege daran, dass Menschen hier in
Deutschland mehr und länger arbeiten, die Griechen dagegen
einfach faul sind. In der Zusammenstellung der BILD-Zeitung ist
wieder alles auf den Kopf gestellt: Erstens liegt es in der
kapitalistischen Gesellschaft überhaupt nicht im Willen der
Menschen, zu arbeiten oder auch intensiv oder lange zu arbeiten.
In Deutschland gibt es zig Millionen Arbeitslose, die von Hartz
IV sehr schlecht leben. Dass diese sich sogar um die 1-Euro-Jobs
reißen und der Staat sie dazu gar nicht sonderlich zwingen muss,
zeigt, wie verzweifelt die Menschen sich nach jedem zusätzlichen
Einkommen strecken wollen. Dieses Wollen der Lohnabhängigen
beruht wiederum schlicht auf der hiesigen gesellschaftlich
eingerichteten Alternativlosigkeit, den eigenen Lebensunterhalt
durch nichts anderes als durch Lohnarbeit bestreiten zu müssen.
Die Frage in kapitalistischen Gesellschaften ist für die
übergroße Mehrheit der Menschen nie, ob sie arbeiten wollen oder
nicht, sondern ob ihnen ein Unternehmen eine Beschäftigung
anbietet. In dieser Hinsicht sieht es in Griechenland abgesehen
von Tourismus, ein paar Werften und dem Staatssektor einfach mau
aus, sie haben keine fitten Firmen. Sind Arbeitsplätze
vorhanden, ist es in Griechenland wie in Deutschland dasselbe:
Kein Lohnarbeiter handelt mit seinem Unternehmen aus, wie lange
und wie intensiv er rangenommen wird. Das definieren die
Unternehmen vorweg, bieten einen fertig eingerichteten
Arbeitsplatz an und warten, wer da kommt. In der Regel haben sie
dabei nie das Problem eines mangelnden Angebots an willigen
Lohnarbeitern. Und ist der Vertrag erstmal unterschrieben, dann
ist es wiederum das Management, das Überstunden fordert oder die
Maschine schneller stellen kann. Hier am letzten Punkt ist die
Absurdität der BILD-Zeitung perfekt: Als wenn bei VW und BMW in
ihren Maschinenparks irgendetwas von der individuellen Leistung
des Arbeiters abhängig gemacht würde. Die Unternehmen haben sich
durch die Maschinen davon unabhängig gemacht und der Arbeiter
muss sehen wie er damit zurechtkommt. Lange und intensiv
arbeiten wollen, schafft keine fitten Firmen. Fitte Firmen
schaffen lange und intensive Arbeitstage.
Fitte Firmen zeichnen
sich dadurch aus, dass sie sich gegen andere fitte Firmen in der
Konkurrenz um die globale Nachfrage behaupten können und die
nicht so fitten Firmen niederkonkurrieren. Die deutschen
Exportweltmeister füllen ja auch die griechischen Warenhäuser,
was als Tatsache nur ausdrückt, dass sich in Griechenland
niemand gegen diese starken Konkurrenten durchsetzen konnte.
Insofern ist Griechenland ein Verlierer des europäischen
Binnenmarktes im Besonderen und der weltweiten Konkurrenz im
Allgemeinen. Um heute eine fitte Firma zu gründen, braucht es
Unsummen an Geld. Nicht weil die Löhne so hoch wären, sondern
weil man vergleichsweise produktive Maschinenparks hinstellen
muss. Daran entscheidet sich hauptsächlich, wer Gewinner ist und
wer Verlierer. Als erstes braucht ein Land oder seine
Unternehmen ordentliche Geldmassen, um eine Produktionsstätte
aufzustellen, in der dann die Lohnarbeiter hart, lange und
intensiv arbeiten dürfen. Erst mit dieser entscheidenden
Bedingung – viel Geld für eine moderne Produktionsstätte – kommt
es dann im zweiten Schritt darauf an, diese durch viel und
intensive Arbeit zu betreiben, damit der Erfolg in der
Konkurrenz gesichert wird. Nicht die Arbeitsleistung ist die
entscheidende Waffe in der kapitalistischen Konkurrenz, sondern
die Geld- bzw. Kapitalmassen. Wenn die gegeben sind, kommt die
nötige Arbeitsleistung fast von alleine.
Diese Kapitalmassen gab
es in Griechenland bis zum Eintritt in die Europäische
Gemeinschaft 1981 gar nicht. Griechenland hat sich durch den
Beitritt versprochen, dass es darüber zu einigen Kapitalmassen
kommt. Ein paar Investoren sind ja auch hingegangen, ein paar
Transferleistungen hat Griechenland auch bekommen. Ein wenig hat
sich was entwickelt. Dies und der Beschluss 1992, in der
Euro-Zone mitzumachen, hat Griechenland dann erst das Vertrauen
der Investoren und damit den Kredit verschafft, der sich bis
heute angesammelt hat. Die Hauptsummen wurden nämlich in den
90er Jahren aufgenommen, um eine Entwicklung in Griechenland zu
fördern. Die hat sich nicht eingestellt und das ist recht
einfach zu erklären:
Wenn Griechenland seine
nationale Wirtschaft mit Staatskredit in Höhe 200 Mrd. Euro
versucht aufzupäppeln, muss man sich nicht wundern, dass der
Exportweltmeister Deutschland mit seinem Staatskredit von 1500
Mrd. Euro, seine Wirtschaft noch besser aufpäppelt und die
Konkurrenz der Standorte dann sachgerecht Verlierer und Gewinner
schafft.
Damit ist die
Griechenland-Krise aber noch nicht erklärt. Die
Hauptschuldenlast wurde in den 90er Jahren angesammelt, nicht
erst im letzten Jahr. Griechenland versuchte, mit diesen
Krediten die Grundlagen dafür zu schaffen, dass eine
kapitalistische Entwicklung entstehe. Das hat nicht geklappt.
Der Staat ist der Hauptarbeitgeber geblieben, nicht die
Privatwirtschaft. Warum sind die Investoren dann ausgerechnet
jetzt erst so verunsichert ob der Güte der griechischen
Staatsschuld? Dass Griechenland die Kriterien der EU nicht
eingehalten hat und bei den alljährlichen Reports sogar etwas
geschummelt hat, also buchhalterisch kreativ geworden ist, ist
ebenfalls lange Jahre bekannt. Weiter war Griechenland ja
scheinbar erst der Anfang und weitere Euro-Staaten geraten unter
Druck. Könnte es daher nicht sein, dass nicht der Euro das Opfer
von Griechenlands Staatsverschuldung ist, sondern umgekehrt
Griechenland das Opfer des Euros? Dazu im einem anderen Artikel
mehr. Dort wäre dann zu klären, warum die EU-Staatschefs eine
solche Härte gegen Griechenland bzw. gegen die dortige
Sozialpolitik einfordern. Die Phantasie der deutschen Presse in
Sachen Grausamkeiten für die griechisches Masse an
Lohnabhängigen unterscheidet sich dabei nicht von der der
Politiker. Letztere haben nur einen ganz anderen Grund – die
Rettung ihrer Euro-Konstruktion.
Als Fazit der Bild- aber
auch der allgemeinen deutschen Pressehetze kann man festhalten:
Sie stellt das Verhältnis
von dem, was der Staat und die Wirtschaft den Arbeitenden
abverlangt und was Letztere deswegen wollen müssen, auf den
Kopf.
Sie stellt das Verhältnis
von erfolgreich Reichtum vermehren und Schulden machen auf den
Kopf.
Sie tut so, als wenn die
ganze Sache eine individuelle Fehlleistung des griechischen
Staates ist, der seine Bürger nicht genug drangsaliert hat.
Sie agitiert ihre Leser
für eine unerbittliche Härte gegen die griechischen
Lohnabhängigen. Dabei wuchert sie mit der Armut, den die BRD und
deren Unternehmen hier in Deutschland hergestellt haben. Sie
spekuliert darauf, dass die Leserschaft stolz auf ihre Armut
ist, weil sie dabei arm aber insgesamt erfolgreich sei.
Das geht nur, weil sie
sowohl im Falle Griechenlands als auch im Falle BRD immer von
einem „Wir“ bzw. „Die“ redet. Dabei ist es erst einmal der
Staat, der Schulden hat und nicht die Lohnabhängigen. Dabei ist
es der Staat, der beschließt, wie stark er bei den Steuern
zulangt oder nicht – und nicht die Steuerzahler. Dabei sind es
die Unternehmen, die erfolgreich wachsen in der globalen
Konkurrenz, während die Lohnarbeiter ständig einzusehen haben,
dass ihr Lohn zu hoch ist – in der BRD wie in Griechenland.
Junge Linke – Gegen Kapital und Nation
http://www.junge-linke.org/
Editorische
Anmerkungen
Den Artikel
erhielten wir von den AutorInnen für diese Ausgabe.
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