Exil in Kuba
eine westdeutsche Linke beschreibt, wie sie auf Kuba vor politischer Verfolgung Schutz suchte

von Peter Nowak

10/11

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Wie muss sich eine junge Frau fühlen, die mit nur einer kleinen Tasche im Gepäck Deutschland aus Angst vor Verhaftung Deutschland verlassen muss, neben sich im Flugzeug die Grüne Funktionärin Claudia Roth sitzen hat und ihr froh, mit jemand reden zu können, von ihrer Flucht erzählt. Darauf erklärte die grüne Dampfplauderin kalt, sie hätte ihre Sitznachbarin eiskalt der Polizei ausgeliefert, wenn sie noch im Bereich der deutschen Justiz gewesen wäre. Zum Glück war Margrit Schiller so schlau, sich erst dann ihrer so freundlich und alternativ wirkenden Sitznachbarin zu offenbaren, als sie in Sicherheit war.

So wurde Schiller, die in den 70er und 80er Jahren Teil der radikalen Linken war und von den Justizbehörden zum RAF-Umfeld gerechnet wurde, der deutsche Knast erspart. Sie war eine der wenigen westdeutschen Linken, die in Kuba Exil suchte. Von 1985 bis 1993 lebte sie dort, heiratete, übersiedelte 1993 nach Uruguay bis sie 2003 wieder nach Deutschland zurückkehre. Mit ihren kürzlich im Verlag Assoziation A erschienenem Buch hat Schiller jetzt ihre Erlebnisse und Gefühle während ihrer Zeit der Emigration zu Papier gebracht. Es ist ein sehr ehrliches Buch geworden. Schiller schont niemand, am wenigstens sich selbst. Gleich am Anfang hat sie das Zitat eines Emigranten aus der radikalen Linken Italiens ihren Text vorangestellt, um das Gefühl zu beschreiben, das auch sie hatte:

„Zu Anfang meines Lebens auf der Flucht hatte ich keine Ahnung davon, was es heißt, außer Landes zu sein. Ich schaute mich um und begriff nichts“.

Tatsächlich hat der Leser den Eindruck, dass diese Zeilen Exiljahre besonders gut beschreibt. Sie war so sehr mit dem Schmerz, des Verlustes des bisherigen Lebens beschäftigt, dass sie nicht wirklich Zeit und Muse hatte, sich auf die Lebenssituation des Exillandes einzulassen. Dass merkt man schnell bei der Beschreibung des kubanischen Lebensalltages. Sie vergleicht ihn schnell mit der Situation in Europa und kommt dann auch zu ungerechten Urteilen.

Wenn sie behauptet, Fidel Castro habe gelogen, als er während der Zeit der größten Krise nach dem Zerfall des nominalsozialistischen Blockes im Fernsehen von einer ernsten Situation redete aber betonte, dass in Kuba niemand Hunger leiden muss, dann hätte man schon gewünscht, sie könnte den schweren Vorwurf auch belegen. Oder kommen die Informationen von der Jugendszene aus Havanna, die von nichts mehr träumten, als in die USA oder nach Europa auszureisen und sich dafür auch allein reisender Touristinnen zu bedienen? Diese Jungmänner waren der erste Kontakte, die Schiller als sie auf die Erlaubnis zum Exil wartete, in Havanna hatte. Das ist ihr nicht vorzuwerfen. Sie beschreibt sehr anschaulich ihre Situation und die völlige Ungewissheit, in der sie sich zu dieser Zeit befand. Sie war als Touristin nach Kuba eingereist, kannte niemand auf der Insel, sprach kein Wort spanisch und ihre finanziellen Mittel waren sehr begrenzt. Mühselig musste sich erkundigen, an welche Behörden sie sich wenden kann, um ihren Asylantrag zu stellen. Sie war weder auf diese Situation vorbereitet worden, noch kannte sie jemand, die sie dabei unterstützen konnte. Schiller versteht es gut, ihre persönliche Situation zu beschreiben. Ihr gelingt auch oft ein erfrischend ungeschminkter Blick auf den kubanischen Alltag. So findet sie in der Wohnung, die ihr von der kubanischen Regierung zur Verfügung gestellt wurde, einen Zettel, in dem die Vormittler, Aktivisten aus der Bewegung der Tupamaros aus Uruguay eine wichtige Erkenntnis formuliert haben: „Die kubanische Regierung hat uns solidarisch den Aufenthalt auf Kuba ermöglicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder einzelne Kubaner mit uns solidarisch ist. Die Kubaner sind Menschen wie alle andern auch. Da gibt es solche und solche“. Diese Erfahrungen macht Schiller auch häufig, wie sie sehr anschaulich berichtet. Hier ist das Buch auch für einen Kubafreund sehr lesenswert. Da kann auch manche schwer verständlichen Beurteilungen der Autorin hinwegsehen. So wenn sie eine 1.Mai-Demonstration beschreibt und vorgibt, die Parolen nicht verstanden zu haben, die dort gerufen wurden, obwohl sie wenige Seiten zuvor über ihre Fortschritte beim Spanischlernen berichtete. Auch ihre Aversion gegen die Komitees zur Verteidigung der Revolution ist nicht recht verständlich. Anfangs wolle sie gleich mitarbeiten, was aber nicht sofort möglich war. Später wollte sie nicht mehr, weil sie gehört hatte, dass sich den CDR angeblich die sammeln, die für andere Aufgabe nichts taugen. Warum sie diese Aussage so unkritisch übernimmt, ist nicht recht klar.

Von Havanna nach Montevideo

Nachdem sich Schiller während der Zeit der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Umzug nach Uruguay entschließt, lernt sie erst die egalitäre kubanische Gesellschaft schätzen. Sie beschreibt, wie sie in Montevideo neue politische Projekte mit initiiert. Dabei geht es um die Gefangenschaft der politisch aktiven Frauen. Aber auch hier hat sie immer das Gefühl, nicht dabei sein zu dürfen So wird sie von den Tupamaro-Frauen als Sekretärin und nicht als Genossin und ehemalige politische Gefangene betrachtet, was Schiller sehr verletzt und sie auch nach Jahren des Exils zur Rückkehr nach Deutschland veranlasste, nachdem sie sich vergewissert hat, dass ihr keine Strafe mehr droht. Sie ist zurückgekehrt, aber ist sie auch angekommen. „Exil hört nie auf“, heißt der letzte Satz in dem Buch. Es bietet einen besonderen Service, einen Stadtplan von Havanna auf der zweiten Seite. So verliert der Kubareisende die Orientierung nicht, wenn er auf den Spuren von Schiller durch die Straßen spaziert.

 

Margit Schiller
So siehst  gar nicht aus!
Eine autobiografische Erzählung über Exil in Kuba und Uruguay,

Assoziation A, Berlin
Hamburg 2011,
ISBN: 978-3-86241-408-6,
16 Euro