Streikzelt in Berlin
Erste Erklärung der streikenden Flüchtlinge in Berlin

von asylstrikeberlin[at]gmail.com

10-2012

trend
onlinezeitung

Dies ist unsere Stimme aus dem Streikzelt in Berlin. Unser Zelt schließt sich dem Protest und den Streikzelten
in Würzburg, Aub, Bamberg, Regensburg und Düsseldorf an. Wir sind gekommen, um für unsere
Rechte zu kämpfen und den Wert des menschlichen Lebens zu verteidigen. Die Stimme unserer Zelte ist die
Stimme der Ausgeschlossenen, die nun an ihre Existenz erinnern wollen. Die Zelte stellen für uns die Basis
für unseren Widerstand und unseren Kampf dar. Nur auf der Straße ist es möglich, unsere Forderungen
durchzusetzen. Es ist an der Zeit, unsere Gemeinschaftsunterkünfte zu verlassen und uns auf der Straße zu
vereinen!

Die 10 Forderungen der streikenden Flüchtlinge in Berlin sind folgende:

1- Ein menschenwürdiger Aufenthaltsstatus in Deutschland

Ohne Aufenthaltserlaubnis und im Unwissen darüber, was in der Zukunft geschehen wird, im Heim zu leben,
nimmt uns jegliche Möglichkeit, uns weiterzuentwickeln. Das gesamte Leben ist geprägt von Unklarheiten
(Perspektivlosigkeit?). Die erste Forderung eines jeden Flüchtlings ist das Ende des Unwissens und das Erlangen
der Aufenthaltserlaubnis. Wir, die streikenden Flüchtlinge im Berliner Zelt, fordern, dass unsere Akten
so schnell wie möglich bearbeitet werden und uns die Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gewährt wird.

2- Deutsche Staatsangehörigkeit für in Flüchtlingsheimen geborene Kinder

Kinder, die während der Bearbeitungszeit der Akten ihrer Eltern im Heim geboren werden, beginnen von
Anfang an ein Leben in Ungewissheit. Trotz der Geburt in Deutschland müssen die Kinder einen gesonderten
Prozess zur Asylanerkennung durchlaufen. So ist die kritischste Phase ihres Lebens geprägt von Sorgen und
Unruhe. Wir fordern die deutsche Staatsangehörigkeit für alle Kinder, die während des Asylverfahrens ihrer
Eltern im Flüchtlingsheim geboren werden.
Unsere weiteren Forderungen haben unsere streikenden Freund_innen in Aub (Bayern) bestens zusammengefasst.
Wir übernehmen diese mit kleinen Veränderungen:

3- Abschiebestopp

Wir denken, dass die Entscheidung wo jemand leben möchte ein Grundrecht für alle Menschen sein sollte.
Abschiebungen verletzen dieses universelle Recht, da sie meist auf politischen oder ökonomischen Vereinbarungen
zwischen den Regierungen, der Länder in die sie abgeschoben werden sollen und den Abschiebenden
Ländern beruhen. Jede Abschiebung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

4- Bewegungsfreiheit: Abschaffung der Begrenzung des erlaubten Aufenthaltsbereichs von Asylsuchenden auf einen Landkreis

Wir werden in einzelnen Landkreisen isoliert, während wir in einem Land leben, das mit vielen anderen
Ländern in Europa keinen Grenzen hat. Die systematische Isolierung der Asylsuchenden betrachten wir als
unmenschlich und grausam.

5- Abschaffung der Asylheime

Was bedeutet das Asylheim? Was bedeutet es, außer dass die Asylsuchenden von Mauern und Wänden
umgeben werden? Es sind Wände, die uns vom sozialen Leben trennen. Wir fordern die Abschaffung aller
Asylheime, sowie aufzugeben, eine solche Situation für sie überhaupt schaffen zu wollen.

6- Verkürzung des Asylverfahrens

Jede_r von uns wartet schon seit langer Zeit auf Antwort auf den Asylantrag. Wir haben bis jetzt nur selten
eine Antwort bekommen. Wir betrachten diese Wartezeit als eine Form von seelischer Folter und fordern
eine angemessene und bekannte Zeit, in der die Anträge der Asylsuchenden, d.h. Hilfesuchenden, beantwortet
werden.

7- Essenspakete

Wir denken, dass jeder erwachsene Mensch für sich selbst entscheiden kann und soll, was er wann essen
möchte. Essenspakete zu bekommen, verstößt gegen die Mindestrechte eines Menschen und entmündigt
uns. Wir fordern dringendst, uns selbst zu überlassen, was wir essen möchten.

8- Arbeitserlaubnis

"Die Asylsuchenden sind zu nichts nutze!” So denkt man aufgrund der Berichterstattung der deutschen Medien
über Flüchtlinge. Wir fordern, den Gefl üchteten sofort nach Ankunft in Deutschland eine Arbeitsgenehmigung
zu gewähren, damit sie unabhängig von staatlichem Unterhalt ihr Leben gestalten können.

9- Sprachkurse

Dass es keine Möglichkeit gibt, als Asylsuchende_r die deutsche Sprache zu erlernen, gehört auch zu dieser
SYSTEMATISCHEN Form der Isolation der Nicht-Deutschen. Es ist unser Recht, die Möglichkeit zu haben, die
deutsche Sprache zu erlernen.

10- Selbständige Wahl des Wohnorts

Es ist in Deutschland unmöglich, als Geflüchtete_r für sich selbst zu entscheiden, wo man leben möchte. Und
selbst dann sogar, wenn die eigene Familie in einem anderem Bundesgebiet lebt!

Wir fordern: Überlasst bitte solche Entscheidungen den Asylsuchenden selbst!

Für die Verwirklichung der oben genannten Rechte und in Solidarität mit den anderen streikenden Flüchtlingen in Deutschland haben wir am 3.8.2012 unser Protestzelt aufgebaut.

Wir rufen alle Asylsuchenden  aus den Flüchtlingsheimen Berlin, Brandenburg und andern Teilen Deutschlands dazu auf: Sich unserem Protest anzuschließen und ihre Zukunft slbet in die Hand zu nehmen.

Editorische Hinweise

 Weitere Informationen gibt es bei:

ACHTUNG:
05.Oktober | Demo und Gemeinsame Überschreitung der „Landesgrenzen“
11.00 Uhr | Potsdam | Freiland (Friedrich-Engels-Str. 22)
ca. 12.30 Uhr | Potsdam/Berlin | Glienicker Brücke
Anfahrt aus Berlin: Alex, Treff: 09.30 Uhr, Abfahrt: 10.09 Uhr (S7)

Zentrale Demonstration in Berlin am 13.Oktober