75 Jahre Zweiter Weltkrieg 
DAS ENDE
Flugblatt der Bremer "Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus"

Ende April 1945

10-2014

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onlinezeitung

Bremer!

Der Krieg ist über unsere Stadt hinweggerollt!

Wir sind in die Zone des besetzten Gebietes einbezogen wor­den. Klar und nüchtern gilt es unsere Lage zu erkennen, um die Folgerungen aus dem militärischen und politischen Zusammen­bruch des Naziregimes zu ziehen.

Machen wir uns keine Illusionen!

Dieser von den Nazis provozierte, geführte und verlorene Krieg hat das deutsche Volk in eine Lage hineingezwungen, aus der es nur nach schnellster und restloser Vernichtung seiner Ver­führer hinausgelangen kann.

Die ganze Erbärmlichkeit dieser verbrecherischen Politiker ist inzwischen wohl dem letzten Volksgenossen zu Bewußtsein ge­kommen. Aber im Augenblick genügen keine Erkenntnisse, es muß gehandelt werden, und zwar sofort.

1) Bildet daher in allen Häusern und Straßen antifaschistische Abwehrtrupps, die verhindern, daß irgendein Wahnwitziger im Sinne des Werwolfes Gelegenheit bekommt, durch sinnlose Schur­kentaten namenloses Elend über unsere Stadt zu bringen.

2) Seid wachsam! Verhindert die Verschiebung von Lebensmit­teln durch korrupte Verteiler.

Verwaltung und Ausgabe darf nur erfolgen durch Personen, die all­seitiges Vertrauen genießen und durch die Orts- und Straßenge­meinschaften dazu befugt werden.

3) Schafft in allen Betrieben Organe, die befähigt sind, eine wirkliche Interessenvertretung der Werktätigen durchzuführen. Wählt dazu die wirklich Fähigsten, die durch Haltung und politi­sche Vergangenheit unter Beweis gestellt haben, daß sie Antifa­schisten der Tat und kompromißlose Gegner des Nationalsozialis­mus sind.

4) Bedenkt, daß die Betriebe als Produktionsstätten der Kon­sumgüter unsere Lebensbasis darstellen. Alle Werktätigen haben daher das größte Interesse, daß die Umstellung der Rüstungsbe­triebe in solche der Friedensfabrikation in Kürze vollzogen wird. Sichert daher die betrieblichen Einrichtungen gegen alle Versuche eines Nazi-Vandalismus, der nur zerstören will, um dem Chaos und der Anarchie den Boden zu bereiten. Schlagt unbarmherzig zu und wartet nicht auf das Eintreffen der Polizeiorgane. Nur durch schnelles und selbständiges Handeln ist der im Interesse aller liegende Betriebsschutz möglich.

5) Überwindet Eure Scheu gegenüber den ausländischen Arbei­tern! Vergeßt nicht, unter welch schimpflichen Bedingungen sie von den Sklaventreibern der Arbeitsämter zum Frondienst nach Deutschland gepreßt wurden.

Gleichen Lohn für gleiche Leistung!

Ehrliche Kameradschaft und das Verständnis für das Besondere ihrer Lage werden schon heute die Voraussetzungen für eine Ver­ständigung aller Werktätigen Europas schaffen, die, so oder so, kommen muß, wollen wir nicht Gefahr laufen, einer tödlichen Isolierung anheimzufallen.

6) Keine Freiheit ohne Ordnung!

Tretet mannhaft und entschlossen allen Plünderern und asozialen Elementen entgegen, die da glauben, die Stunde des Mobs und Untermenschen sei gekommen.

Diesem Gesindel, gleich welcher Nationalität — die Kugel oder der Sträng.

Seid bereit, Euer Schicksal selbst in die Hand zu nehmen!

Kämpft für die Verwirklichung der von den Antifaschisten auf­gestellten Sofortforderungen.

Kampfgemeinschaft
gegen den Faschismus

 

Editorische Hinweise

Quelle: Peter Brandt, Antifaschismus und Arbeiterbewegung. Aufbau - Ausprä­gung - Politik in Bremen 1945/46. Hamburg 1976, S. 251/252.

Infos zur "Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus", siehe SoZ 06/2013